Mörder sind keine Engel: 7 Strand Krimis. Cedric Balmore

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Название Mörder sind keine Engel: 7 Strand Krimis
Автор произведения Cedric Balmore
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783956179846



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Täter zu überführen. Dazu müssen Sie wissen, dass bei der Daktyloskopie nachgewiesen werden kann, welcher Mensch zum Beispiel eine Waffe in der Hand gehalten hat. Jeder Mensch hinterlässt bei allen Gegenständen, die er angefasst hat, seinen persönlichen Abdruck. Zahlreiche Experimente haben bewiesen, dass es keine zwei Menschen auf der Welt gibt, die die gleichen, völlig übereinstimmenden Fingerabdrücke haben.“

      Es gab erneut Unruhe unter den Besuchern, und tatsächlich standen mehrere Männer auf, und wollten den Saal verlassen. Allerdings folgten ihnen in fast allen Fällen ihre weiblichen Begleitungen nicht. Ein paar männliche Besucher ließen sich davon nicht abhalten, den Saal trotzdem zu verlassen. Die meisten anderen setzten sich, wenn auch widerstrebend.

      „Meine Damen und Herren, werden Sie Ohren- und Augenzeugen bei der Überführung eines möglichen Täters. Natürlich werden wir die Show ohne einen wirklichen Verbrecher fortsetzen. Alles dient nur der wissenschaftlichen Dokumentation. Auf der Bühne befinden sich noch immer drei Wachtmeister der Braunschweiger Polizei, die sich bereits vorgestellt haben. Wenn wir jetzt das Licht verlöschen, wird einer der drei Polizisten eine geladene Pistole ergreifen, die ich hier auf den Tisch lege, und einen Schuss daraus abfeuern. Bitte, erschrecken Sie nicht. Es wird nur einen Knall und den sichtbaren Feuerstrahl aus der Waffe geben. Ich habe dafür gesorgt, dass es nur eine mit Pulver gefüllte Patrone gibt, die vollkommen unschädlich aber doch laut einen Schuss ermöglichen wird. Bitte, erschrecken Sie nicht, wenn das Licht ausgeht. Gleich danach werden Sie den Knall hören und das Mündungsfeuer der Waffe sehen. Anschließend wird das Licht wieder angehen, und die drei Polizisten stehen wie zuvor am Tisch. Und mit der Methode der Daktyloskopie werde ich Ihnen danach zeigen, wer von den drei Polizisten die Waffe abgefeuert hat.

      Mit dieser Methode wird es künftig leichter möglich sein, einen Straftäter zu überführen. Alles fertig? Keine Angst, es ist alles nur eine Show! Licht aus!“

      Diese Aufforderung wurde sofort umgesetzt.

      Der Saal wurde dunkel.

      „Jetzt die Waffe aufnehmen!“, erklang Fräulein Kellers helle Stimme.

      „Achtung, der Schuss erfolgt jetzt – Feuer frei!“

      Es krachte, der Mündungsblitz leuchtete in beeindruckender Weise auf, die Reaktion im Publikum war ein lautes „Ah!“, dann wurde das Flüstern lauter, und als man das Licht wieder andrehte, begannen die Diskussionen.

      Auf dem Tisch lag wieder die abgefeuerte Waffe, die drei Polizisten in ziviler Kleidung standen dahinter, die Arme hinter dem Rücken verschränkt. Fräulein Keller näherte sich ihnen zusammen mit einigen Helfern, die eine kleine Holzkiste trugen. In dem Augenblick, in dem sie die Kiste vor dem Tisch abstellten, gellte ein Schrei durch den großen Saal.

      „Hier ist ein Toter!“, schrie jemand laut, und alle Köpfe fuhren herum.

      „Der Polizeipräsident wurde erschossen!“, rief ein anderer, und nun brach eine Panik unter den Zuschauern aus, die kaum zu bewältigen war. Alles drängte sich zu den Ausgängen, niemand nahm Rücksicht auf den anderen. Jeder hatte nur den einen Wunsch: So schnell wie möglich den Konzertsaal zu verlassen.

      „Warten Sie bitte! Es besteht kein Grund zur Flucht! Überall an den Türen stehen meine Helfer bereit, bitte, seien Sie doch vernünftig! Niemand hat in diesem Saal scharf geschossen!“, klang flehentlich die Stimme der jungen Wissenschaftlerin durch den Raum.

      „Warum hat dann der Polizeipräsident ein Loch in der Brust?“, rief jemand laut, und ein mehrfaches Kreischen antwortete ihm. Gleich darauf drängte alles verstärkt zu den Ausgängen, und die dort postierten Ordner hatten ihre Mühe, die Massen aufzuhalten. Doch die Türen blieben verschlossen, und über das Geschrei der Menge klang jetzt die Stimme des alten Polizeipräsidenten. Dr. Thomas Faust hatte die Bühne erreicht und ließ sich von Fräulein Dr. Keller das Mikrofon geben.

      „Bleiben Sie bitte ruhig und kehren Sie auf Ihre Plätze zurück. Ich bin Thomas Faust, Polizeipräsident im Ruhestand. Seien Sie unbesorgt, Ihnen droht keine Gefahr. Aber bitte, kehren Sie auf Ihre Plätze zurück! Seien Sie vernünftig und vermeiden Sie jegliche Lauferei durch den Saal! Meine Männer sind vor Ort und werden Sie schützen!“

      Als die Menschen die Stimme des alten Präsidenten hörten und ihn schließlich auf der Bühne entdeckten, kehrte tatsächlich allmählich wieder Ruhe im Saal ein. Die meisten gingen zu ihren Plätzen zurück, nur einige wenige sammelten sich vor den Ausgängen und warteten ab, ob man nicht doch noch die Türen für sie öffnen würde. Doch daran war nicht zu denken.

      „Gut, bitte bleiben Sie so ruhig und besonnen wie bislang. Wir werden in Kürze die Ausgänge öffnen. Bitte, haben Sie Verständnis dafür, dass wir von jedem die Namen und Adressen erfassen müssn. Immerhin hat es wirklich einen Toten gegeben.“

      2.

      „Ich gehe zu Fuß zum Präsidium zurück!“, verkündete der Polizeiagent seinem Vater, als endlich auch die letzten Personalien erfasst waren und die Menge, die noch in lebhafter Unterhaltung vor dem Gebäude am Damm zusammenstand, mehrfach von uniformierten Beamten aufgefordert wurde, weiterzugehen.

      „Ja, mach das!“, antwortete sein Vater etwas abwesend und musterte die Gestalt eines Mannes in eleganter Kleidung, der eben in Richtung Kohlmarkt die Straße überquerte. Er trug zu seinem Gehrock einen Zylinder und schwang einen Spazierstock im Takt zu seinen Schritten. Etwas in der Art und Weise, wie der Mann rasch nach links und rechts schaute, dann wieder vor der Auslage eines Geschäftes stehen blieb, hatte das Misstrauen des alten Polizeipräsidenten geweckt.

      Der Bursche bleibt doch nur immer wieder stehen, um festzustellen, ob jemand ihm folgt. Aber warum ist er so misstrauisch? Was hat er zu verbergen?

      Fast unwillkürlich setzte sich der alte Herr in die gleiche Richtung in Bewegung, hielt aber einen großen Abstand ein und folgte dem Mann auf diese Weise bis zum Hotel de Prusse. Hier blieb der Zylinderträger erneut stehen, warf einen raschen Blick in alle Richtungen und trat schließlich ein. Die große, schwere Pendeltür mit den auffallenden Messingbeschlägen war gerade zum Stillstand gekommen, als ein weiterer Herr mit Zylinder in das Foyer trat, sich rasch umsah und dann dem Concierge ein Zeichen mit dem Kopf gab.

      Der Mann, der hier schon seit vielen Jahren seinen Dienst verrichtete, hatte den alten Präsidenten sofort erkannt und eilte ihm entgegen.

      „Herr Breschke, eben trat ein Herr vor mir ein, der ebenfalls einen Zylinder trug. Ist er Gast Ihres Hauses?“

      „Herr Poli...“ Er brach ab, denn der alte Herr Faust machte sofort eine heftige Geste und setzte leise hinzu: „Keine Titel, keine Namen, bitte.“

      Der Concierge trat noch etwas näher und raunte dem ehemaligen Polizeipräsidenten zu: „Sie meinen gewiss diesen Ferdinand Lücke, ein unangenehmer Mensch. Verzeihen Sie meine Offenheit, Herr Po... Herr Faust, aber wenn ich so etwas über einen Gast sage, dann gewiss nicht ohne Grund.“

      Nachdenklich sah der alte Herr ihn an, dann wurde ihm plötzlich klar, woher er den Mann kannte.

      „Ferdinand Lücke!“, wiederholte er den Namen. „Natürlich! Die Anschläge auf dem Gaußberg, dann das Labor in der Bismarckstraße und sogar das Tennisheim im Bürgerpark! Lücke sollte daran beteiligt sein, ein bekannter Anarchist aus Berlin, der sich hier regelmäßig mit den Revolutionären Merges und Fasshauer getroffen hat! Besten Dank, Breschke,