Der kleine Ritter (Herr Wolodyjowski). Henryk Sienkiewicz

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Название Der kleine Ritter (Herr Wolodyjowski)
Автор произведения Henryk Sienkiewicz
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 4064066113643



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      »Ein Gimpel ist ins Haus geflogen!«

      Dann setzte sie sich auf ein Bänkchen, legte die Hände in den Schoß und schloß das Mündchen, wie es einem bescheidenen, wohlerzogenen Mädchen ziemt.

      Herr Michael stellte seinen jungen Freund seiner Schwester und Fräulein Drohojowska vor; dieser aber wurde, da er das zweite Fräulein bemerkte, das zwar ganz anders geartet, aber ebenfalls sehr schön war, zum zweiten Male verwirrt; er verbarg das aber mit einer Verbeugung und griff, um sich Mut zu machen, mit der Hand nach dem Schnurrbart, der ihm noch nicht recht wachsen wollte. Er drehte mit den Fingern über der Lippe, wandte sich an Wolodyjowski, Herr Hetman begehre sehr, den kleinen Ritter zu sehen. Soviel Herr Nowowiejski erraten könne, handle es sich um eine militärische Funktion; der Hetman habe nämlich soeben einige Briefe empfangen, und zwar von Herrn Wiltschkowski, von Herrn Silnizki, von dem Hauptmann Piwo und von anderen Kommandanten, die in der Ukraine und in Podolien standen, mit Nachrichten über Ereignisse in der Krim, die nichts Gutes verkündeten.

      »Der Khan selbst und der Sultan Galga, die mit uns bei Podhaize Verträge geschlossen,« fuhr Nowowiejski fort, »wollen die Verträge halten; aber der Budschiak regt sich wie ein Bienenstock; die Horde von Bialogrod wogt hin und her, sie wollen weder dem Khan noch dem Galga gehorsamen....«

      »Das hat mir schon Herr Sobieski anvertraut und mich um Rat gefragt,« sagte Sagloba. »Was sagt man jetzt dort vom Frühling?«

      »Man sagt, daß mit dem ersten Grase dieses Gezücht sich sicherlich regen wird, das man wieder wird zertreten müssen,« antwortete Nowowiejski.

      Bei diesen Worten machte er ein furchtbar martialisches Gesicht und begann sein Schnauzbärtchen zu drehen, so daß ihm die Oberlippe ganz rot wurde.

      Bärbchen, die sehr scharf beobachtete, hatte das gleich bemerkt; sie zog sich also ein wenig zurück, damit sie Herr Nowowiejski nicht sehe, und begann ebenfalls den Bart zu drehen, indem sie dem jugendlichen Ritter nachahmte.

      Die Frau Truchseß rief sie sofort mit den Augen zur Ordnung. Aber gleichzeitig begann sie auch sich hin und her zu schütteln und unterdrückte mühsam ein Lachen; auch Herr Michael biß sich in die Lippen, und Fräulein Drohojowska senkte die Augen, so daß ihre langen Wimpern einen förmlichen Schatten auf ihre Wangen warfen.

      »Ihr seid ein junger Mann,« sagte Sagloba, »aber ein erfahrener Soldat.«

      »Ich bin zweiundzwanzig Jahre alt und diene ohne Ruhmredigkeit sieben Jahre dem Vaterlande, denn ich bin in meinem fünfzehnten der Schulbank entlaufen aufs Schlachtfeld,« antwortete der Jüngling.

      »Die Steppe kennt er, und durch das hohe Gras versteht er zu schleichen, und auf die Feinde stürzt er wie der Falke auf das Schneehuhn,« fügte Wolodyjowski hinzu — »ein Scharmützler ersten Ranges! Ihm entgeht der Tatar in der Steppe nicht.«

      Herr Nowowiejski erglühte vor Freude, daß ihm Lob aus so berühmtem Munde in Gegenwart der Damen gezollt wurde.

      Er war überdies nicht bloß ein Steppenhabicht, sondern auch ein schöner Bursche, dunkelwangig, sturmgebräunt. Im Gesicht hatte er eine Narbe vom Ohr bis zur Nase, die von dem Hiebe von der einen Seite dünner war als von der anderen. Sein Blick war scharf, gewohnt, in die Ferne zu sehen, über den Augen hatte er tiefschwarze Brauen, die über der Nasenwurzel zusammengewachsen waren und wie der Bogen eines Tataren aussahen. Auf dem glattrasierten Vorderkopf starrte ein schwarzer, unförmlicher Schopf. Bärbchen gefiel er in Rede und Gestalt, trotzdem hörte sie nicht auf, ihm nachzuahmen.

      »Ich bitte,« sagte Sagloba, »wenn man alt ist wie ich, sieht man gern, daß ein junges Geschlecht aufwächst, das unser würdig ist.«

      »Noch ist es nicht würdig,« versetzte Nowowiejski.

      »Ich lobe auch die Bescheidenheit; es wird nicht lange dauern, so wird man Euch kleinere Kommandos anvertrauen.«

      »Wie,« rief Michael, »er war schon oft Kommandant und hat auf eigene Faust gesiegt.«

      Herr Nowowiejski begann seinen Bart zu drehen, daß er sich fast die Lippe abriß.

      Bärbchen aber, die kein Auge von ihm ließ, erhob ebenfalls beide Hände zum Gesicht und ahmte ihm in allem nach.

      Aber der kluge Soldat hatte bald bemerkt, daß die Blicke der ganzen Gesellschaft sich nach der Seite wandten, dorthin, wo ein wenig hinter ihm das Mädchen saß, das er auf der Leiter gesehen hatte, und er erriet unschwer, daß es dort irgend etwas gegen ihn im Schilde führen müsse.

      Scheinbar ganz achtlos plauderte er also weiter und suchte wie bisher nach seinem Barte; endlich aber, nachdem er den richtigen Augenblick gefunden, wandte er sich schnell um, so daß Bärbchen nicht Zeit fand, die Augen zu senken, noch die Hände vom Gesicht zu nehmen.

      Sie errötete über und über, und ohne zu wissen, was sie tun sollte, erhob sie sich von ihrem Platze. Alle Anwesenden waren ein wenig verwirrt, und es trat eine Pause ein.

      Plötzlich schlug Bärbchen mit den Händen auf das Kleid. Das war der dritte Reinfall!? »Zum drittenmal hineingefallen!« rief sie mit ihrer silbernen Stimme.

      »Mein verehrtes Fräulein,« sagte lebhaft Nowowiejski, »ich habe längst bemerkt, daß hinter meinem Rücken etwas vorgeht. Ich gestehe gern, daß ich mich nach einem Bärtchen sehne, aber wenn ich es nicht erleben sollte, so würde es darum geschehen, weil ich vorher den Tod fürs Vaterland finde, und in diesem Falle hoffe ich, werde ich eher Tränen als Lachen bei Euch verdient haben.«

      Bärbchen stand, die Augen zu Boden gerichtet, da, durch die aufrichtigen Worte des Jünglings tief beschämt.

      »Ihr müßt ihr verzeihen,« sagte Sagloba, »sie ist ausgelassen, weil sie jung ist — aber ein goldenes Herz!«

      Und, wie um Saglobas Worte zu bestätigen, sagte sie gleich leise:

      »Ich bitte um Verzeihung ... sehr ...«

      Herr Nowowiejski aber ergriff in diesem Augenblicke ihre Hand und begann sie zu küssen.

      »Du lieber Gott, nehmt es Euch doch nicht zu Herzen, ich bin ja kein Barbarus. Mir ziemt es, Euch abzubitten, weil ich gewagt habe, Euch Euer Vergnügen zu stören. Wir Soldaten haben ja selbst die Ausgelassenheit gern! Mea culpa! Ich küsse noch einmal diese Händchen, und wenn ich sie so lange küssen darf, bis Ihr mir verziehen habt, so verzeiht mir — bei den Wundern Gottes — nicht vor dem Abend.«

      »Welch ein höflicher junger Mann; siehst du, Bärbchen?« sagte Frau Makowiezka.

      »Ich sehe,« antwortete Bärbchen.

      »Nun ist's jedenfalls gut!« rief Herr Nowowiejski. Er richtete sich auf und griff aus Gewohnheit kühn an seinen Bart, aber bald überlegte er sich's und brach in lautes Lachen aus; Bärbchen folgte ihm, und die anderen folgten Bärbchen. Alle ergriff die Heiterkeit. Sagloba ließ gleich eine Flasche nach der anderen aus Ketlings Keller bringen, und sie taten sich gütlich. Herr Nowowiejski schlug mit den Sporen aneinander, richtete seinen Schopf mit den Fingern in die Höhe, immer feurigere Blicke auf Bärbchen werfend. Sie gefiel ihm ausnehmend. Er wurde auch ungewöhnlich beredt, und da er in der Nähe des Hetman lebte und die große Welt kannte, wußte er auch etwas zu erzählen.

      Er erzählte auch von dem Wahlreichstag, von seinem Ende, auch davon, wie der Ofen mitten unter den neugierigen Arbeitern im Senatorenzimmer zum größten Gaudium aller eingestürzt sei. Nach dem Mittag endlich reiste er ab, die Augen und das Herz erfüllt von Bärbchen.

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