Название | Verraten und verkauft |
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Автор произведения | Ralph Kretschmann |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783944145884 |
»Nun, was halten sie von der Angelegenheit?«, fragte er und versuchte, sich an ihren Namen zu erinnern. Flannegan? O’Flaherty? Diese Frau machte ihn nervös.
»Ich weiß nicht, Sir«, antwortete sie mit erstaunlich heller Stimme. »Das klingt alles so … erfunden – als wenn sie sich das ausgedacht hat, um sich wichtig zu machen.«
»Stimmt, Finnegan, aber die anderen Zeugen bestätigen Teile ihrer Geschichte, und ich neige dazu, ihr Glauben zu schenken.« Ihm fiel auf, dass sie gut durchtrainiert wirkte, ganz im Gegenteil zu ihm selbst. Er hasste Sport und tat nie mehr als nötig. Selbst Sport im Fernsehen war ihm zuwider.
»Ich glaube zwar nicht, dass es etwas bringen wird, aber wir sollten die Fahndung nach dem gelben VW-Bus einleiten«, fuhr er fort. »Die Kollegen in Uniform sollen in der Gegend die Geschäfte absuchen und fragen, ob es noch mehr Zeugen gibt, ob jemand den Bus gesehen hat, woher er kam oder wo er nach der Tat hinfuhr. Veranlassen sie das bitte, Sergeant Finnegan.«
Sie nickte und zog ihren Schreibblock aus der Tasche.
»Und Mister Stone?«, fragte sie, während sie sich Notizen machte. »Den sollten wir schnellstens unterrichten, oder?«
Maurer nickte abwesend. Er hatte das schon in die Wege geleitet, als er noch auf dem Weg hierher war. Der Verkehr stockte oft genug, dass er telefonisch ein paar Anweisungen hatte geben können. Was hatten die Leute nur gemacht, als es noch keine Mobiltelefone gab? Er wusste, dass Mr. Alexander F. Stone noch in der Luft war und noch für eine gute weitere Stunde sein würde. Er flog von Seattle nach New York und würde erst gegen 17 Uhr in La Guardia eintreffen. Dort standen Beamte bereit, die ihn informieren würden und ihn direkt zu ihm bringen sollten. Stone flog die Maschine selbst, weshalb man darauf verzichtet hatte, ihn noch in der Luft zu informieren. Der Stress war so schon groß genug und Mr. Stone nicht mehr der Jüngste. Honi soit qui male y pense!
Maurer wusste auch, dass bislang keine Lösegeldvorderung eingegangen war, nicht bei Mr. Stone persönlich noch in seinem Büro bei Stone Enterprises. Sergeant Finnegan war das nicht bekannt. Sie war mit der Subway gekommen, da sie nur ein paar Blocks entfernt war, als der Anruf kam, eine Entführung habe stattgefunden. Die Strecke mit dem Wagen zu fahren hätte sie ein Mehrfaches an Zeit gekostet. Der Verkehr in New York war selbst in seinen harmlosen Momenten mörderisch, und jetzt war Hauptverkehrszeit. Also war sie zur nächsten Station gerannt, in den nächsten Zug gesprungen und drei Stationen weiter und vier Minuten später schon am Ort der Entführung eingetroffen.
»Mr. Stone kommt so um halb sechs. Bis dahin können wir schon ein bisschen vorarbeiten …«
Finnegan runzelte etwas irritiert die Stirn.
»Um halb sechs? Sicher?« Maurer nickte. Er war bei der Aussage der Frau. Sie drehte sich in seinem Kopf, und er beleuchtete sie von allen Seiten. »Ja, siebzehndreißig, so in etwa. Kommen sie mal mit, Finnegan.« Er stiefelte an ihr vorbei in den Schauraum. Der Tatort. Auf dem teuren Teppichboden lagen die Splitter der Vitrinenglasscheiben herum. Der Schuss musste aus einer Schrotflinte abgefeuert worden sein. Keine Kugel konnte so etwas anrichten. Eine Kugel, egal, wie groß oder wie klein sie auch sein mochte, würde immer ein mehr oder weniger exaktes Loch hinterlassen. Die Glasvitrine war in tausende von Splittern zerplatzt. Es knirschte, als Maurer hinüberging. Die Leute von der Spurensicherung waren eifrig damit beschäftigt, Spuren zu sichern, stäubten und klebten und sammelten alles mögliche in saubere kleine Plastiktüten, um sie dann sauber und ordentlich zu beschriften.
»Hendrix …?«, fragte Maurer und blieb neben einem baumlangen Farbigen in einem blauen Overall stehen. Der lange Mensch richtete sich auf und überragte Maurer, der nicht eben klein war, noch um gut einen Kopf.
»Verdammte Scheiße!«, stöhnte er und presste sich die Hand in den Rücken. »Diese Bückerei bringt mich noch um!«
»Werden sie doch Apfelpflücker!«, schlug Maurer vor. Hendrix verzog sein Gesicht.
»Booh! Den kannte ich noch nicht … Ganz toll!« Er streckte sich, und man hörte es vernehmlich knacken. Hendrix seufzte. »Ah, das ist besser!«
Maurer deutete auf den Scherbensalat.
»Habt ihr schon etwas gefunden, das uns weiterhelfen könnte? Munitionshülsen? Schuhabdrücke?«
»Ja. Nein. Ja«, sagte Hendrix. Maurer sah ihn verwirrt an.
»Ja, nein, ja? Wie soll ich das verstehen?«
»Sie haben drei Fragen an mich gestellt und das waren die Antworten: Haben wir etwas gefunden? Antwort eins: Ja, haben wir. Zweitens: Munitionshülsen? Nein, haben wir nicht; und drittens wieder ein Ja, auf die Frage, ob wir Schuhabdrücke haben. Allerdings bezweifle ich, dass die uns weiterhelfen …«
Maurer seufzte. Scheinbar musste er Hendrix alle Antworten einzeln aus den Rippen leiern.
»Und warum bezweifelt der verehrte Experte die Nützlichkeit der Abdrücke?«
»Haben Sie gedient, Detective?« Hendrix zog Polaroidfotos aus der Tasche und reichte sie Maurer. Darauf waren die Schuhabdrücke zu sehen. Der Entführer hatte sie in dem weichen Teppichflor hinterlassen, als er Mrs. Stone hochgehoben hatte, und die Fasern hatten sich noch nicht wieder aufgerichtet.
»Nein, ich war untauglich … körperlich, wegen meiner Augen.« Maurer hatte sich damals geschworen, nie wieder über seine Kurzsichtigkeit zu nörgeln, als man ihn wegen der Fehlsichtigkeit ausmusterte.
»Ich war bei den Marines«, sagte Hendrix und tippte auf das Polaroid. »Und ich erkenne den Abdruck eines Springerstiefels, wenn ich einen vor mir habe; und das hier ist unter Garantie der Abdruck eines US-amerikanischen Militärstiefels, wie er von den Marines getragen wird – und von zigtausend Zivilisten.« Hendrix schnippte mit den Fingern. »Viel Spaß beim Suchen!«
Maurer deutete auf den Metallrahmen, der von der Vitrine übrig geblieben war.
»Was für eine Waffe kann das gewesen sein?«
»Zwölfer Schrot – oder Hackblei. Wir suchen noch nach Partikeln, aber die sind nicht so einfach zu finden in dem Glassalat. Aber wenn da welche sind, dann finden wir sie.« Hendrix rieb sich das Kinn. »Wenn der mit so was auf die Frau geschossen hat, dann ist sie Hackfleisch. Dann müsste hier alles voller Blut und Eingeweide sein. Auf so kurze Entfernung hätte es sie in zwei Teile zerfetzt. Aber hier ist kein Blut. Nur Glassplitter!«
Maurer reichte Hendrix das Foto zurück. »Es müssen zwei verschiedene Waffen gewesen sein. Die Zeugen sagen einheitlich aus, der erste Schuss sei viel lauter gewesen als der zweite.«
Hendrix schüttelte den Kopf.
»Diese Geschichte ist irgendwie schräg, das sage ich Ihnen … Ich mache den Job nicht erst seit gestern, und ich sage Ihnen, da ist was faul!« Er tippte sich an die Stirn.
Maurer nickte. Hendrix hatte recht. Das war kein normales Verbrechen. Er war sich sicher, dass er sich im Verlauf der Ermittlungen noch einige Male würde wundern dürfen. Er zog sein Mobiltelefon heraus und überlegte, welche Kollegen er als erste an die Arbeit schicken sollte. Er fuhr eilig herum und prallte gegen Finnegan, die während seines Gesprächs mit Hendrix wortlos hinter ihrem Chef gestanden hatte.
»Kommen Sie, Finnegan!«, schnauzte Maurer und versuchte das Kribbeln zu ignorieren, das ihm den Rücken herunterlief, als er gegen seine Untergebene gestoßen war. »Wir haben zu tun!« Und er fegte zum Ausgang, zu seinem Wagen. Sergeant Finnegan folgte ihm mit hochgezogenen Augenbrauen und einem winzigen Lächeln in ihren Mundwinkeln.
Pochende Kopfschmerzen, der Geschmack im Mund faulig, säuerlich, und die Mundhöhle trocken wie Wüstensand, ein quälendes Ziehen in den Armen und Handgelenken, taube Finger und obendrein ein würgendes Gefühl im Magen. Roberta Stone fühlte sich schlecht in allen Bereichen, auf allen Wellenlängen und in jeder Beziehung. Was war nur passiert? Sie versuchte sich zu bewegen. Das Ziehen in den Armen nahm