Operation Terra 2.0. Andrea Ross

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Название Operation Terra 2.0
Автор произведения Andrea Ross
Жанр Научная фантастика
Серия
Издательство Научная фантастика
Год выпуска 0
isbn 9783967525373



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das Siedlungsgebiet ein weiteres Mal zu verlassen. Ihm wollte einfach nichts Brauchbares einfallen. Er hatte sogar schon von jenem geheimnisvollen Blinken unter dem fernen Hügel geträumt, so sehr beschäftigte ihn das Gesehene. Nur – wenn er dorthin gelangen wollte, musste er einen Rover entwenden, und das erschien ihm undurchführbar.

      Er schalt sich selbst einen egoistischen Idioten. Es gab momentan Wichtigeres, schließlich war er verheiratet und würde bald Vater werden. Daher nahm er sich fest vor, seine Swetlana zum nächsten Termin beim Frauenarzt zu begleiten. Natürlich freute auch er sich mächtig auf die Kinder, sie würden sein eintöniges Leben mit Sicherheit bereichern. Womöglich wäre sogar sein Freiheitsdrang weniger stark ausgeprägt, sobald sie auf die Welt kamen.

      Frohgemut betraten die Emmersons gemeinsam die ärztliche Station. Philipp hatte seine Ehefrau schon lange nicht mehr so fröhlich und entspannt gesehen. Die Mutterschaft stand ihr gut zu Gesichte.

      Der Arzt platzierte den Scanner auf dem noch flachen Unterleib. Diese neue Technologie hatte vor einigen Jahrzehnten die Ultraschallgeräte abgelöst. Man sah die ungeborenen Kinder nun in Farbe und bis ins letzte Detail. Die gestochen scharfen Bilder ließen sich mühelos vergrößern, bis man auch die kleinste Pore in der Haut zu erkennen vermochte. Swetlana juchzte, als sie die Fruchtblase nebst Inhalten erkannte.

      Plötzlich hielt der Mediziner abrupt in seiner fließenden Bewegung inne, der Scanner verweilte auf derselben Stelle. »Oh

      … das ist gar nicht gut. Sehen Sie das da? Drei Embryonen … ich hätte Ihnen die Hormonbehandlung vielleicht doch besser nicht verschrieben«, murmelte er. Er schien total entsetzt.

      Swetlana lächelte immer noch glücklich. »Eineiige Drillinge? Ach, das ist nicht so tragisch. Mithilfe der modernen Medizin werden wir sie in achteinhalb Monaten schon heil ans Tageslicht holen, da bin ich guten Mutes. So werden die Kinder sich das Standardkinderzimmer halt zu dritt teilen müssen.«

      »Ganz so einfach ist das leider nicht … nun ja, warten wir erst einmal noch ein paar Wochen ab. Dann sehen wir weiter«, meinte der Arzt nebulös.

      Die drei Ungeborenen entwickelten sich prächtig. Swetlana hatte inzwischen mit Morgenübelkeit zu kämpfen, doch das tat ihrer Freude keinen Abbruch. So ahnte sie nichts Schlimmes, als sie und Philipp sich in der 16. Schwangerschaftswoche zum nächsten Besuch in der Ärztestation aufmachten.

      Dieses Mal wirkte der Doktor kühl und sachlich, kein verbindliches Lächeln erhellte seine verkniffene Miene. Im Gegenteil, Mimik und Gestik wirkten abweisend. Er drehte sich um, schaltete den Scanner ein. Das Gerät signalisierte mit einem hohen Piepsen seine Bereitschaft.

      »Vielleicht ist der gute Mann wegen der vielen Schwangerschaften schwer im Stress«, raunte Philipp seiner Frau augenzwinkernd zu.

      Wieder tastete sich der Kopf des Scanners Zentimeter für Zentimeter über Swetlanas Bauch. Und wieder erschien eine Fruchtblase auf dem hoch auflösenden Bildschirm, aber dieses Mal waren die drei winzigen Körper deutlich erkennbar – einschließlich ihres Geschlechts. Zwei Mädchen und ein Junge drängten sich dicht aneinander.

      »Ich werde zum Ende hin wohl mächtig fett werden«, scherzte die werdende Mutter voller Stolz. Sie weinte vor Rührung.

      Der Mediziner blieb immer noch ernst, machte keinerlei Anstalten, ein Bild auszudrucken. Swetlana wusste, dass das eigentlich üblich war. Sie hatte von Nachbarinnen schon einige Fotos vor die Nase gehalten bekommen.

      »Was ich Ihnen jetzt sage, wird Ihnen nicht gefallen. Sie müssen sich innerhalb der kommenden Woche entscheiden, welches der Kinder wir abtreiben sollen. Bitte erinnern Sie sich – Sie haben den Kolonisationsvertrag unterschrieben, und der enthält den Passus, dass pro Paar nur zwei Babys erlaubt sind.

      Das bedeutet, dass wir eines davon loswerden müssen. Ich empfehle, einen Jungen und ein Mädchen zu behalten. Sie sind alle drei gleich gut entwickelt, daher gibt es keine Notwendigkeit, ein bestimmtes Kind auszusuchen«, referierte der Arzt so sachlich, als spreche er über verschimmeltes Brot.

      Philipp und Swetlana glaubten, der Schlag müsse sie treffen.

      »A … aber … das kann doch nicht Ihr Ernst sein«, stammelte Swetlana verstört. »Das sind ungeborene Menschenleben, es sind meine Kinder, über die Sie da reden!«

      »Mir persönlich tut das leid, aber da kann man nichts ändern. Die Vorschrift macht durchaus Sinn, ansonsten hätten wir hier in der Siedlung schnell eine Überbevölkerung, die unsere Gemeinschaft gefährden würde. Die Kapazitäten sind nun einmal begrenzt«, beeilte sich der Arzt zu sagen. Er vermied jeglichen Blickkontakt.

      Philipp wurde sauer. »Sie werden keines meiner Kinder umbringen! Für eine Drillingsgeburt muss es Ausnahmen geben, und wenn nicht, soll man gefälligst künftig welche zulassen. Was kann denn bitteschön meine arme Frau dafür, dass sie mehr als zwei Kinder im Leib trägt?«

      »Beschweren Sie sich ruhig, doch das wird nichts nützen. Wir bekamen klare Anweisungen, die wir ohne Einzelfallprüfung zu befolgen haben. Ich muss Sie auch noch darauf hinweisen, dass keine Garantie für das Überleben der restlichen Embryonen übernommen werden kann, wenn wir der Gebärmutter eines entnehmen. Manchmal kommt es durch den Eingriff zu Fehlgeburten. Machen Sie sich also besser auf den schlimmsten Fall gefasst. Wir sehen uns nächste Woche. Ihren Termin bekommen Sie wie immer am Empfang.«

      Mit diesen Worten verließ er hastig den Raum. Das Ehepaar Emmerson benötigte noch mehrere Minuten, bis es fähig war, die Ärztestation zu verlassen. Philipp musste Swetlana stützen.

      »Beruhige dich, mein Schatz. Ich bringe dich nach Hause, und dann gehe ich schnurstracks zur Verwaltung und mache denen dort die Hölle heiß. Du wirst die Kinder alle unbeschadet zur Welt bringen, so wahr ich hier vor dir stehe«, flüsterte der werdende Vater mit starrem Blick. In seinem Inneren kochte ein Magmasee aus Wut und Verzweiflung.

      *

      Der verantwortliche Leiter der Marskolonie, ein grobschlächtiger Franzose aus der Bretagne, stellte sich befürchtungsgemäß stur.

      »Wir können da leider keine Ausnahme machen. Die Zeit drängt. Abtreibungen sind nur bis zur 18. Schwangerschaftswoche erlaubt, danach wäre die Entnahme eines Babys nach den gesetzlichen Vorschriften mit Mord gleichzusetzen. So leid es mir tut, der Eingriff muss zwingend nächste Woche stattfinden«, entschied Marcel Dubois mit unbewegter Miene.

      »Aber Sie müssten doch auf der Erde wegen einer Ausnahmegenehmigung nachfragen können! Und was wäre eigentlich, wenn sich einer der anderen Siedler verpflichten würde, das überzählige Kind zu adoptieren?«, stieß Philipp in seiner Verzweiflung hervor.

      »So etwas würde mit Sicherheit niemand tun. Die wollen allesamt eigene Kinder haben, was ja verständlich ist. Wie Sie wissen, werden die Frauen nach der zweiten Geburt sterilisiert. Falls eines der Kinder danach stürbe, vielleicht wäre in diesem Fall eine Adoption denkbar … aber das ist graue Theorie. Wir hatten bislang keine Todesfälle, und damit bleibt es bei meiner Entscheidung. Dies ist mein letztes Wort in dieser Angelegenheit.«

      Philipp gab nicht auf, fixierte den Mann mit eindringlichem Blick. »Wir könnten einen allgemeinen Aufruf über die Hauskommunikationssysteme starten … womöglich fände sich ja doch ein Paar, das zur Adoption bereit wäre!«

      »Dafür ist die Zeitspanne zu knapp. Man kann von niemandem erwarten, dass er eine Entscheidung mit dieser Tragweite mal eben so auf die Schnelle trifft. Finden Sie sich besser damit ab, Herr Emmerson, und freuen Sie sich auf die beiden anderen Kinder.« Dubois drückte auf den Knopf für die Schwebetür, komplimentierte ihn hinaus.

      Wie sollte er diese Katastrophe nun Swetlana beibringen, die zu Hause voller Hoffnung auf seine Rückkehr wartete? Er hatte auf ganzer Linie versagt, traute sich nicht, den Heimweg einzuschlagen. Deshalb trottete er mit hängendem Kopf zu den Gewächshäusern hinüber. Auch wenn er gerade keinen Dienst hatte – ein wenig stumpfsinnige Arbeit würde ihn vielleicht ablenken, sein aufgewühltes Gemüt halbwegs beruhigen.

      »Gut, dass du kommst! Wir wollten dich gerade holen lassen, konnten dich daheim aber nicht erreichen.