Operation Terra 2.0. Andrea Ross

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Название Operation Terra 2.0
Автор произведения Andrea Ross
Жанр Научная фантастика
Серия
Издательство Научная фантастика
Год выпуска 0
isbn 9783967525373



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des einundzwanzigsten Jahrhunderts entsprach. Wer sich jedoch nahtlos in die Bevölkerung Terras integrieren wollte, der musste überall zurechtkommen.

      Gerädert und voller Staunen stiegen die beiden Außerirdischen an der Zentralen Busstation LevinskyStraße aus. Kalmes war vom Anfahren und Bremsen in der total überfüllten Stadt leicht übel geworden.

      »Schau dir das an! Wieso tummeln sich hier so viele Leute auf engstem Raum? Und all diese … wie heißen die Dinger noch? Autos? Es kommt ja keiner mehr vorwärts, alle Straßen sind verstopft. Sieh dir nur den Fußboden an. Fast nichts Grünes zu sehen, alles ist mit diesem hässlichen dunkelgrauen Belag zugekleistert. Überall nur Zäune, Kabel und riesige Häuser … so kann doch niemand freiwillig leben wollen! Was ist nur aus dem Jordanland von damals geworden?«

      »Das frage ich mich auch! Ich ersticke hier, lass uns von diesem hässlichen Ort fortgehen. Es stinkt penetrant nach Abgasen. Wir suchen uns irgendwo eine Verkaufsstelle für Essen und gehen gen Westen, denn dort ist das Meer. Ich möchte frei durchatmen können«, entgegnete Solaras.

      Sie steuerten den kleinen LevinskyPark an, durchquerten ihn und wanderten an der Derech Jaffa entlang Richtung Mittelmeer. An der EilatStraße fanden sie einen kleinen Supermarkt, in dem sie sich Brot und Wasser kauften.

      »Das bisschen Geld wird nicht mehr lange reichen, höchstens noch für morgen«, sagte Kalmes betrübt. »Ich frage mich auch, wo wir wohnen sollen. Es gibt keine Hütten und keine Zelte hier. Wie es aussieht, stapeln sich die Menschen in diesen hohen Gebäuden übereinander. Aber woher sollen wir wissen, wo wir für die Nacht bleiben können?«

      »Wir fragen einfach jemanden. Aber jetzt gehen wir erst einmal zum Wasser und essen etwas, danach wird dieses Terra sicher wieder in einem freundlicheren Licht erscheinen. Wir müssen da lang, dort vorne hört die Bebauung auf.«

      »Das darf doch nicht wahr sein«, stöhnte Kalmes, als sie auf der Strandpromenade angelangt waren. »Nur noch ein ganz schmaler Streifen Sand – und den Rest haben sie auch schon zugebaut. Wieso liegen hier nahezu nackte Menschen im Sand? Sind die vielleicht krank?«

      Solaras seufzte. »Ich weiß es doch auch nicht. Das werden wir bald alles herausfinden. Komm, wir setzen uns hier auf diese Vorrichtung. Nach der Vesper überlegen wir in Ruhe, wie es weitergehen soll. Hätte ich geahnt, was uns hier erwartet, hätte ich mich viel ausführlicher mit David unterhalten.«

      Kalmes setzte sich auf die Bank, rieb sich eine Stelle unterhalb des linken Knies. »Seit ich auf Tiberia kurz vor unserer Flucht hingefallen bin, ist hier etwas nicht in Ordnung«, stöhnte sie.

      »Die Wunde hat sich zwar längst geschlossen, aber wenn ich eine Weile stehe oder laufe, schwillt der Unterschenkel an. Ich werde mir doch nichts gebrochen haben?«

      »Wir müssen sehen, dass wir einen Heilkundigen finden. Das erledigen wir gleich morgen«, versprach Solaras mitleidig und zog seine Gefährtin auf die Füße. Seine hellen Augen suchten die Gegend nach nett dreinblickenden Leuten ab, die man nach einer Bleibe für die Nacht fragen konnte. Doch jeder, der an ihnen vorbei kam, schien es furchtbar eilig zu haben.

      Sie folgten der Strandlinie lustlos in Richtung Süden, bis sie eine kleine Hafenanlage erreichten. Keiner von beiden verspürte das Bedürfnis, sich in die engen Häuserschluchten der Innenstadt zu begeben.

      »Schau mal, da vorne ist ein Gebetshaus oder eine Synagoge! Dort müssten eigentlich Menschen anzutreffen sein, die meiner Lehre von damals folgen, also hilfsbereite Individuen. Komm, lass uns dort hineingehen!« Mit Kalmes an der Hand strebte Solaras der mit roten Backsteinen verzierten Kirche zu, deren schlanker Glockenturm weithin sichtbar war.

      Sie betraten erwartungsvoll die Klosterkirche des Erzengels Michael im Stadtteil AltJaffa. Nur vereinzelt saßen im Gebet versunkene Gläubige mit gesenkten Köpfen in den Holzbänken. Die Tiberianer taten es ihnen gleich, genossen die angenehme Kühle des mit beigem und zartrosa Marmor ausgestalteten Innenraums des Kirchenschiffs. Die gewölbte Decke war mit hellblauen, gelben und rosa Pastellfarben bemalt. Darunter schwebte ein indirekt von hinten beleuchtetes, riesiges Sonnensymbol, das wohl den Heiligen Geist darstellen sollte.

      Kalmes bestaunte angetan zwei mannshohe Engelfiguren, die links und rechts des mit weißen Spitzendecken belegten Altars thronten. In der Mitte stand ein verhältnismäßig kleines Holzkruzifix mit goldfarbener Jesusfigur.

      »Immerhin, dein Andenken wird noch in Ehren gehalten«, flüsterte Kalmes hinter vorgehaltener Hand. »Ich verstehe nur nicht, wieso sie sich ausgerechnet den negativsten Teil deines damaligen Lebens als Symbol auserkoren haben.«

      »Ich ebenso wenig. Aber, so nebenbei bemerkt: Ich habe das Versprechen gehalten, das ich einst meinen Jüngern gegeben hatte. Ich bin tatsächlich nach Terra zurückgekehrt, wie ich es prophezeite. Nur hatte ich damals selbst nicht damit gerechnet. Die Ankündigung sollte lediglich dazu dienen, die Jungs bei der Stange zu halten, damit sie meine Lehre verbreiten«, erläuterte er flüsternd.

      Als sich eine ältere Dame zur Linken ächzend zum Gehen erhob, sprach Solaras sie kurz entschlossen an.

      »Verzeihung, meine Dame, könnten Sie mir sagen, wo man hier in der Stadt als Fremder eine Herberge für die Übernachtung findet?«

      Die grauhaarige, etwas korpulente Frau sah ihn aus wässrigen Augen an. Ihr Blick fand den seinen, doch gleich anschließend schlug sie die Augen nieder. Solaras kannte dieses Phänomen – die wenigsten Menschen waren fähig, seinem intensiven Blick standzuhalten.

      »Es gibt doch genügend Hotels in dieser Stadt«, wunderte sie sich. »Sehen Sie einfach im Internet nach.«

      Solaras fühlte sich überfordert. Das Wort Internet sagte ihm

      überhaupt nichts. »Hotels … kosten die Zimmer dort Geld?«

      »Aber selbstverständlich, und nicht zu knapp«, lachte die Frau. »Ach so, Sie meinten wohl eher eine Unterkunft für Obdachlose!« Sie taxierte das Paar von oben bis unten. Tatsächlich, es war ärmlich gekleidet. Verschlissene Jeans, ausgewaschene TShirts, schmutziges Schuhwerk …

      »Normalerweise lagern sie bei der ArlozorovStation. Dort bauen sich einige der länger Verweilenden kleine Hütten oder Zelte, was von der Stadtverwaltung langmütig geduldet wird. Aber ich muss Ihnen dringend abraten, sich dorthin zu begeben. Viele Drogensüchtige hängen da herum, und diese Typen schrecken vor gar nichts zurück. Andere schlafen in Parks oder am Strand. Ich wüsste nicht, dass die Stadt eigens Unterkünfte für Obdachlose anbietet. Eine Schande ist das!«

      »Und was ist mit diesen Wohntürmen? Wie kommt man da hinein?«, wollte Kalmes wissen.

      »Sie meinen, in Mietwohnungen?«, fragte die Dame skeptisch. Wie konnte es sein, dass jemand angeblich keine Ahnung davon hatte, wie man eine Wohnung mietete … nein, mit den beiden hier konnte etwas nicht stimmen. Vielleicht wollten sie nur beliebige Opfer in ein Gespräch verwickeln, um sie danach auszurauben oder ähnliches.

      »Tut mir leid, ich habe keine Zeit mehr, muss gehen«, stieß sie hervor und entschwand eiligen Schrittes.

      Völlig entgeistert blieben der Religionsstifter und seine Begleiterin in der Kirche zurück. »Habe ich etwas Falsches gefragt?«, murmelte Kalmes kopfschüttelnd.

      »Wenn ich das nur wüsste! Und was machen wir nun? Abgesehen davon, dass ich keine Ahnung habe, wo man diese ArlozorovStation findet, klang die Beschreibung nicht gerade vertrauenerweckend. Ich schlage also vor, dass wir heute am Strand nächtigen. Wir müssen unbedingt noch eine Reihe von Erkundigungen einholen, wie es aussieht. Aber die Sonne steht schon tief über dem Horizont, für heute scheint es bereits zu spät zu sein.«

      Entmutigt trotteten die frischgebackenen Penner, vorbei an bröckelndem Beton, weißen Segelbooten, einzelnen getrimmten Palmen, grünen Leihfahrrädern und dicken Kabelsträngen, die an Hausfassaden entlang liefen, wieder in Richtung Kaimauer. Immerhin, die Strandpromenade konnte sich einigermaßen sehen lassen. Sie wählten ein windgeschütztes Plätzchen vor einer vier Meter hohen BruchsteinStützmauer, wo Kalmes erschöpft ihren Kopf in Solaras‘ Schoß legte. Tief hängende, grauweiße Wolken dräuten über