Ursian und die unsichtbare Unterwelt. Ursina Schmid

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Название Ursian und die unsichtbare Unterwelt
Автор произведения Ursina Schmid
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783830118770



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      Weil die Sonne so blendet, kann Pia ausser dem Schatten nichts erkennen. Jetzt wird sie wieder abgelenkt, ihr Freund Willi ist eifrig am Zählen. Pia drückt sich noch tiefer in den Beichtstuhl zurück.

      »Zwanzig, einundzwanzig …«, so hört sie, wie ihr Freund Willi zählt. »Neunundzwanzig, dreissig …« Willi hat braune Haare, keine besondere Farbe, eher langweilig und unauffällig wie auch sein ganzes Verhalten. Willi ist sehr ängstlich und gerät nur durch Pia und Ursian immer wieder in die phantastischen Geschichten hinein. Er trägt ein moosgrünes Halstuch mit Edelweissen darauf.

      Bereits als Pia in einem der alten Beichtstühle verschwunden ist, versucht Ursian die alte knorrige Treppe, die zur Empore führt, ohne dass sie knarrt hochzugehen.

      »Dreiundzwanzig, vierundzwanzig.« Als der erste Tritt und die nächsten beiden jedoch so fest knarren, dass Willi sicher schon im Vornherein weiss, wo er sich versteckt, macht Ursian auf den Zehenspitzen kehrt und sucht sich ein anderes Versteck. »Vierunddreissig, fünfunddreissig.«

      Er schleicht sich ins Seitenschiff und nimmt den hinteren Treppenaufgang zu den oberen Zimmern. »Neununddreissig, vierzig …«

      Eins der Zimmer dient dem Pfarrer als Umkleide und Ruheraum, das andere der zwei Zimmer beinhaltet alte Kirchenstücke, die zu verschiedenen Anlässen immer wieder gebraucht werden.

      Ursian entscheidet sich für den Ruheraum. Er versteckt sich hinter einem grossen Banner, das immer um die Osterzeit in der Kirche aufgehängt wird. »Fünfundsechzig, sechsundsechzig.« Ursian hört Willi nur noch sehr leise durch den Treppenaufgang.

      »Neunundneunzig, einhundert!! Ich komme! So schnell wurdet ihr noch nie gefunden!« Zielstrebig begibt sich Willi zu den alten Beichtstühlen. Er reisst einen Vorhang nach dem anderen auf, bis er schliesslich mit einem triumphierenden Lächeln Pia direkt in die Augen schaut.

      »So, so, das war der erste Streich, der zweite folgt sogleich.« Mit diesen Worten packt er Pia am Handgelenk und bedeutet ihr, dass sie sich ruhig verhalten soll.

      Als sich die zwei wieder der Kirche zuwenden, steht mitten im Raum ein Hüne von einem Mann. Er trägt schwarze, vollkommen verdreckte Kleidung. Auf dem Kopf einen breitkrempigen Hut, der fast das ganze Gesicht verdeckt. Ein langer schwarzer Mantel hängt lose über ein paar schwarzen zerrissenen Hosen und ein schwarzes T-Shirt.

      Gerade als sie einander sprachlos ansehen, bemerkt der Fremde die beiden Kinder und dreht sich zu ihnen um. Er rückt vor, dabei können die Kinder erkennen, dass er nur noch einen Zahn hat. Den Mund zu einem grässlichen Lächeln verzogen, mustert er die Kinder, bevor er mit einer dunklen tiefen Stimme fragt: »Was macht ihr hier?«

      Unentschlossen, was sie darauf antworten sollen, sehen sich die beiden Kinder ängstlich an. »He, ich habe euch was gefragt!«, sagt der Fremde in einem dunklen, sehr, sehr lauten und tiefen Ton.

      Ursian hört irgendwelche Geräusche, die durch sein Versteck hinter dem Vorhang gedämpft werden. Er geht noch weiter zurück. »Die werden mich nie finden.«

      Pia und Willi sind so erschrocken, dass sie einander nur verdutzt ansehen. Dann fasst Willi sich ein Herz: »Wer sind Sie und was machen Sie hier?«

      »Na warte, du frecher Lümmel!« Mit diesen Worten stürzt sich der Fremde auf Willi und versucht ihn zu fassen. Pia bekommt einen riesigen Schrecken und schreit laut auf, rennt dabei in die obere Etage.

      Den Schrei hat nun Ursian auch gehört und er spurtet aus seinem Versteck, um zu sehen, was da unten los ist. Noch nie hat er Pia so entsetzt schreien hören, er weiss nicht, was ihn erwartet. Als er auf die Treppe zustürmt, läuft ihm Pia direkt in die Arme. »Was ist denn los? Du siehst aus, als hättest du den Teufel persönlich gesehen.«

      »Da unten ist ein Mann, er hat Willi angegriffen!«

      Sofort rennt Ursian die Treppe hinunter und biegt um die Ecke. Doch als er ankommt, steht Willi ganz allein und verlassen mitten in der Kirche und schaut ganz verdutzt aus der Wäsche.

      »Was ist denn los? Und wo ist der fremde Mann?«, fragt Ursian.

      »Welcher Fremde Mann? Und wieso seid ihr beide nicht in euren Verstecken? Ich will euch doch suchen, jetzt ist der ganze Spass vorbei«, heult Willi.

      »Pia, was war denn hier los?« Ursian scheint verzweifelt.

      »Was? Ich weiss auch nicht, ich war soeben noch im Beichtstuhl. Ach ja, Willi hat mich gefunden, jetzt stehe ich hier, ich weiss nicht weshalb.« Fragend sieht Pia auf ihre beiden Freunde.

      »Ja, ich war ebenfalls bei dem Beichtstuhl und jetzt stehe ich da?«

      »Na, ich weiss es ganz genau.« Ursian will erzählen, was vorgefallen ist, behält es aber für sich und denkt eine Weile darüber nach.

      »Was denn, Ursian, erzähl es uns«, sagt Pia, schaut Ursian mit bittenden Augen an. Doch diesmal kann er widerstehen, er sagt: »Es scheint auch mir entfallen zu sein. Lasst uns zu Romuald gehen, es ist bestimmt schon Nachtessenszeit.«

      Imelda Proof ist gerade auf dem Friedhof, als sie einen herzzerreissenden Schrei aus der Kirche hört. Schon sieht sie einen Schatten aus der Kirche rennen. Wie der Blitz geht sie zur Kirche, sie sieht, dass eine Tür offensteht und tritt sofort ein. »Gott sei Dank, den Kindern ist nichts geschehen«, denkt sie für sich.

      »Hallo Kinder, was ist denn hier passiert?« Besorgt sieht die nette alte Dame die Kinder der Reihe nach an.

      »H…, h…, hallo Frau P…, P…, Proof«, sagt Willi und lässt jetzt endlich seinen Tränen freien Lauf, obwohl er keine Ahnung hat, aus welchem Grund er so verängstigt ist und weshalb sein Herz so laut schlägt. Pia geht sofort hin, um Willi zu trösten.

      »Hallo, Frau Proof, wieso sind Sie um diese Zeit in der Kirche?«, fragt nun Ursian.

      »Na, ich war auf dem Friedhof und hörte einen Tumult, da ging ich nachschauen. Jetzt sagt aber, was ist hier vorgefallen?«, meint Imelda Proof nachdrücklich.

      Imelda Proof lebt schon seit Ewigkeiten im Dörfchen Bacus, niemand weiss so genau, wie alt die ältere Dame wirklich ist. Imelda Proof hat dichte graue Haare, welche zu einem Dutt zusammengebunden sind. Sie benötigt einen Gehstock, da ihr die Beine Schmerzen bereiten. Meistens trägt sie graue Kleidung.

      »Was meinen Sie denn?«, fragt nun Willi nach.

      »Ich habe dich, Pia, schreien gehört, da bin ich so schnell ich konnte hierher gelaufen.« Jetzt fällt den Kindern erst auf, dass Imelda Proof völlig ausser Atem ist.

      »Was? Ich habe doch nicht geschrien, oder habt ihr beiden etwas gehört?« Mit diesen Worten blickt Pia auf ihre beiden Freunde. Beide schütteln die Köpfe. »Vielleicht war dieser Schrei von jemand anderem, oder?«, stellt nun Willi fest.

      Ursian sieht seine beiden besten Freunde sprachlos an, denn er weiss haargenau, dass Pia geschrien hat. Auch Imelda Proof sieht einen Moment sehr nachdenklich aus. Doch dann erhellt sich ihre Miene und sie macht kehrt. »Also gut, Kinder, sagt mir einfach, wenn ich euch irgendwie helfen kann. Ich muss jetzt weiter, mein Garten wartet. Tschüss!« Gesagt, und schon ist Imelda zur Kirchentür raus und verschwunden, bevor die Kinder auf Wiedersehen sagen können.

      Schnellstens macht sich Imelda Proof auf den Heimweg. »Das hätte ich nicht gedacht, woher kommt der denn nur? Ich habe ihn schon sehr, sehr lange Zeit nicht mehr gesehen.«

      »Kinder wo seid ihr?« Mitten in ihrer Tätigkeit hören die drei, wie Romuald sie sucht. »Pia komm, Romuald sucht uns.«

      »Ich komme.«

      »Ach, ihr seid ja in der Kirche. Was tut ihr denn hier? Ja lasst nur, ich war früher auch immer in der Kirche und weiss schon, was man da so anstellt. Oh, Willi, willst du auch bei uns bleiben zum Nachtessen?«

      »Ja, wenn ich darf?«

      »Dann rufe geschwind deine Mutter an, du darfst gerne bleiben.«

      »Oh, danke.«

      Willi