Название | Mama, ich höre dich |
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Автор произведения | Alwin Meyer |
Жанр | Контркультура |
Серия | |
Издательство | Контркультура |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783958299450 |
In das Ghetto hatten die deutschen Besatzer vor allem die Juden Warschaus eingesperrt, aber auch jüdische Kinder, Frauen und Männer aus anderen Teilen Polens sowie unter anderem aus der Tschechoslowakei und aus Deutschland.28 Im März 1941 befanden sich zwischen 445.000 und 490.000 Juden in dem abgeriegelten Ghetto.29 Darunter waren im Januar 1942 etwa 100.000 Kinder unter 14 Jahren.30 Damit war Warschau das größte Zwangs-Ghetto im von Deutschland besetzten Europa.31
Die Eingeschlossenen hungerten und mussten pausenlos um ihr Leben bangen. Fast 100.000 Juden starben an den unmenschlichen Bedingungen bis zum 21. Juli 1942. Anschließend wurden aus dem Warschauer Ghetto ungefähr 329.000 Juden allein in das Vernichtungslager Treblinka transportiert. Und zwar zwischen dem 22. Juli und 2. Oktober 1942 sowie von Januar bis Mitte Mai 1943. Nahezu alle hierher verschleppten jüdischen Babys, Kinder, Frauen und Männer wurden meist innerhalb weniger Stunden in den Gaskammern von Treblinka ermordet.32
Als die SS Mitte Januar 1943 mit der zweiten Deportationswelle begann, stellten sich ihnen bewaffnete jüdische Kämpfer entgegen. Dieser erste Aufstand in der polnischen Hauptstadt, der Aufstand im Warschauer Ghetto, das Symbol des jüdischen Widerstandes, mündete schließlich Mitte April 1943 in eine jüdische Volksrevolte. Die Kämpfe dauerten fast einen Monat, viele Tausend Juden fielen ihnen zum Opfer. Mehrere Zehntausend wurden wiederum festgenommen und erschossen, in »Arbeits-« und vor allem in Vernichtungslager transportiert.33
Von Beginn an hatte es im Warschauer Ghetto vielfältige Formen des Widerstandes gegeben, die schließlich in den bewaffneten Aufstand münden sollten. Eine Form des Widerstandes ist ganz eng verknüpft mit dem Historiker Emanuel Ringelblum. Er war der Leiter des Untergrundarchivs »Oneg Schabbat« im Warschauer Ghetto. Ab 1940 hatte er zusammen mit einer kleinen Gruppe von Freunden und Kollegen begonnen, Material über das Schicksal der polnischen Juden zu sammeln: amtliche Dokumente, Berichte, Briefe, Befragungen, Tagebücher, persönliche Testamente, Untergrundzeitungen und Dokumente der jüdischen Widerstandsgruppen. 1946 und 1950 wurden Teile des Untergrundarchivs in den Ruinen des Warschauer Ghettos gefunden.34
Bei Konservierungsarbeiten der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau wurde noch 2020 dieser Kinderschuh mit Notizen entdeckt. Dieser Schuh gehörte Amos Steinberg. Dieser wurde am 26. Juni 1938 geboren, überlebte und ist 1949 aus Prag nach Israel ausgewandert.
Erhalten geblieben ist zum Beispiel ein Bericht der vereinten Untergrundorganisationen des Ghettos an die polnische Exilregierung in London vom 15. November 1942. In dem von Emanuel Ringelblum mitverfassten Text heißt es: »Im Leuchten des unvergleichlichen polnischen Herbstes glitzert und schimmert eine Schicht Schnee. Dieser Schnee ist nichts anderes, als Federn und Daunen aus dem jüdischen Bettzeug, das zusammen mit dem ganzen Gut, mit Schränken, Taschen, Koffern voller Wäsche und Kleidung, Schüsseln, Töpfen, Tellern und anderen Haushaltsgegenständen von den 500.000 nach ›Osten‹ evakuierten Juden übrig geblieben ist. Die Sachen, die niemandem mehr gehören, Tischtücher, Mäntel, Deckbetten, Pullover, Bücher, Wiegen, Dokumente, Fotografien liegen durcheinander in den Wohnungen, auf den Höfen, auf den Plätzen, zu Stößen zusammengesammelt, bedeckt mit jenem Schnee aus der Zeit des vielfachen deutschen Mordes an den Juden Warschaus, den herausgerissenen Eingeweiden des jüdischen Bettzeugs. […]
Ausgestorbene oder sterbende Häuser, mit Stacheldrahtverhauen versperrte Straßen, Holzzäune, die die einzelnen Wohnblocks voneinander abtrennen und vor allem das vollständige Fehlen der Menschen, die noch vor zwei Monaten die Hauptarterien des Ghettos füllten, die zu ihren alltäglichen Beschäftigungen eilten, etwas kauften und verkauften, arbeiteten, eine Entvölkerung, wie sie nicht einmal die Jahrhunderte des Schwarzen Todes, der Pest, kannten – das ist das Bild des jüdischen Wohnbezirks in Warschau vom September 1942.«35
Emanuel Ringelblum, seine Frau Yehudit und ihr 12-jähriger Sohn Uri wurden gemeinsam mit anderen Juden im März 1944 in den Ruinen des Warschauer Zwangs-Ghettos erschossen.36
Zwischen Juli 1942 und September 1944 war Westerbork das zentrale Durchgangslager für Juden, die aus den Niederlanden vor allem »nach dem Osten« deportiert wurden.37 Ausbau und Unterhalt des Lagers wurden aus den Mitteln des von der jüdischen Bevölkerung beschlagnahmten Vermögens finanziert.38 Insgesamt wurden mehr als 100.000 jüdische Kinder, Frauen und Männer aus den Niederlanden deportiert. Über sechzig Züge mit mehr als 57.000 Menschen »gingen« direkt nach Auschwitz-Birkenau. Mit dem Transport vom 19. Mai 1944 wurden auch 245 Sinti und Roma verschleppt. Darunter befanden sich 147 Kinder, von denen kein Mädchen und kein Junge am Leben bleiben sollten. Nicht einmal ein Prozent der aus Westerbork nach Auschwitz-Birkenau verschleppten Juden sowie Sinti und Roma würden die Befreiung erleben.39
GERHARD DURCHLACHER war neun Jahre alt, als er und seine Familie aus Baden-Baden 1937 zu Verwandten in die Niederlande flüchteten. Anfang Oktober 1942 wurde die Familie ins Lager Westerbork verschleppt. Von hier ging es im Januar 1944 zunächst in das Lagerghetto Theresienstadt und später nach Auschwitz-Birkenau. Als Einziger blieb Gerhard Durlacher am Leben. Über das Konzentrationslager schrieb er: »In der Hölle gibt es keine Sprache, die auszudrücken vermag, was ich sehe, höre, rieche oder schmecke. Bedrohung und Angst haben meine Gefühle mit einem Kordon umgeben. Ich rieche den Verwesungsgestank und den fetten Rauch, aber ich begreife nichts. Ich sehe und höre die Züge, die stolpernden Menschenmassen auf ihrem Weg in die Flammen, die dumpfen Schläge, die nackten kahlgeschorenen Frauen mit unbedeckter Scham, zu dritt unter einem grauen, von Regenwasser triefenden Fetzen gekrümmt, aber ich begreife nichts. Tag und Nacht registrieren meine Sinne, was jenseits des Stacheldrahtes, hinter den Wachtürmen an der Rampe und in den angrenzenden Lagerabteilungen geschieht, aber ich begreife nichts.«40
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