Seewölfe - Piraten der Weltmeere 96. Kelly Kevin

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Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 96
Автор произведения Kelly Kevin
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954394203



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auf die „Isabella“ nehmen und ihm ein Zuhause geben würden.

      Mit letzter Kraft hatte der alte Bootsmann eine Karte aus seiner Tasche gezogen – eine Karte jener geheimnisvollen „Insel der steinernen Riesen“, auf der er vor langer Zeit einen Schatz versteckt hatte. Er wußte nicht, wie die Insel wirklich hieß, er wußte auch nicht, ob die Positionsangaben auf der Karte stimmten. Er war gestorben, ehe er mehr über den geheimnisvollen Schatz erzählen konnte – und im Grunde hatte nicht einmal Bill damit gerechnet, daß sie die Insel jemals wirklich finden würden.

      Und jetzt lag sie vor ihnen!

      Die „steinernen Riesen“ waren bereits mit bloßem Auge zu erkennen: gewaltige Statuen aus schwarzem Tuff, die aufgereiht in einer kahlen, baumlosen Landschaft standen und auf das Meer hinausblickten.

      Hasard zählte mindestens ein Dutzend, und alle sahen sich auf gespenstische Weise ähnlich. Genau genommen waren es nur gigantische Köpfe, für die die angedeuteten Oberkörper die Sockel bildeten. Die fremdartigen Gesichtszüge wirkten starr und maskenhaft, die schrägen Augen schienen hochmütig über das heransegelnde Schiff hinwegzustarren.

      Riesenhaft waren die Monumente in der Tat, und Hasard fragte sich vergeblich, wie um alles in der Welt es die Eingeborenen einer kleinen Insel geschafft haben mochten, Monumente von solcher Größe und Vollkommenheit herzustellen.

      Ben Brighton schien ähnliche Gedanken zu hegen.

      „Himmel!“ murmelte er. „Das – gibt es doch nicht! Nicht mitten im Pazifik auf diesem – diesem Krümel von einer Insel!“

      „Die steinernen Riesen“, murmelte Hasard.

      Ben starrte ihn überrascht an. „He! Du denkst …“

      „Ja“, sagte Hasard. „Genau das denke ich. Irgendwo dort drüben muß der Schatz liegen, den Bills Vater vergraben hat. Und der Teufel soll mich holen, wenn wir ihn nicht finden.“

      2.

      An Bord des schwarzen Seglers herrschte Gewitterstimmung, obwohl der Sturm vorbei war.

      Das Gesicht Siri-Tongs war weiß vor Wut. Thorfin Njal, der Wikinger, stand breitbeinig neben ihr, die mächtigen Fäuste in die Hüften gestemmt, und stauchte mit seinem rollenden Baß den Mann zusammen, der für das Sichern der Kanonen an Deck verantwortlich gewesen war.

      Mike Kaibuk hörte sich das Gebrüll mit zusammengepreßten Lippen an. Er wußte verdammt genau, daß er das nicht richtig festgezurrte Brooktau hätte bemerken müssen. Und er wußte auch, daß die Kanone, die wie ein stählernes Ungeheuer über Deck gesaust und durch das Schanzkleid gebrochen war, leicht ein paar Männer hätte mit in den Tod reißen können.

      Mike Kaibuk war wütend, wütend auf sich selbst. Und er wußte, was auf ihn zukam, was folgen mußte: eine drakonische Strafe, der niemand entging, der durch Leichtsinn und Disziplinlosigkeit die Sicherheit des Schiffs und das Leben seiner Kameraden gefährdet hatte.

      „Und jetzt scher dich an die Pumpe, du Mistkerl!“ schloß der Wikinger sein Wutgebrüll. „Du wirst lenzen, bis dir das Wasser im Hintern kocht und die Bilge knochentrocken ist. Und anschließend kannst du dich bis morgen früh in der Vorpiek erholen!“

      „Ay, aye“, sagte Kaibuk und sah zu, sich zu verdrücken. Für seine Begriffe war es glimpflich abgegangen: die Lenzpumpe und die Vorpiek waren immer noch besser als die Neunschwänzige. Die Rote Korsarin schoß dem Wikinger einen rasiermesserscharfen Blick zu. Ihre dunklen Mandelaugen funkelten vor Wut, aber sie sah ein, daß Thorfin recht hatte. Der Sturm hatte dem schwarzen Segler übel mitgespielt. Sie konnten jetzt keinen Mann gebrauchen, der drei Tage lang in seiner Koje auf dem Bauch liegen mußte. Und Mike Kaibuk würde sich mächtig ins Zeug legen, um seinen Fehler auszubügeln.

      „Tammy, Hilo, Jonny – Deck aufklaren!“ peitschte Siri-Tongs helle Stimme. „Juan, du inspizierst die Laderäume! Boston-Mann, was ist mit der Fockrah los?“

      „In Ordnung. Nur das Fall gebrochen.“

      Der Boston-Mann beschränkte sich wie immer auf wenige Worte. Siri-Tong nickte zufrieden. Das Fall zu reparieren, würde nicht schwer sein. Die zerfetzte Fock mußte ersetzt werden, doch auch das ließ sich mit Bordmitteln bewerkstelligen. Ein, zwei Tage würden sie brauchen, um alle Schäden zu reparieren. Aber Schließlich befanden sie sich hier in einem Teil des Pazifik, wo sie kaum mit irgendwelchen Störungen zu rechnen brauchten.

      Das glaubten sie wenigstens.

      Den Ausguck ließ Siri-Tong nur deshalb besetzen, weil sie die „Isabella“ und die Seewölfe in der Nähe vermutete. Sie machte sich Sorgen. Der Sturm, der hinter ihnen lag, hatte es in sich gehabt. Da half dann unter Umständen auch das seemännische Können eines Philip Hasard Killigrew nicht mehr weiter, wenn die Vorsehung nicht mitspielte. Und der Gedanke an das, was in den letzten zwei Tagen geschehen sein konnte, setzte der Roten Korsarin mehr zu, als sie es sich eingestehen mochte.

      Die Crew des schwarzen Seglers war dabei, schwitzend und fluchend die Decks aufzuklaren, als Jonny, der Kreole, plötzlich senkrecht im Großmars hochschoß.

      „Deck!“ schrie er. „Mastspitzten querab Steuerbord! Ein Spanier!“

      Siri-Tong wirbelte wie von einer Bogensehne abgeschnellt herum.

      Ihr Gesicht war weiß und gespannt, als sie das Spektiv hochnahm und die Kimm absuchte. Keine Rede von Mastspitzen! Was da von Norden heranrauschte, war mehr, war schon nah genug, um es als spanische Galeone zu erkennen. Das Schiff führte keine Flagge, aber am Bugspriet baumelte das große hölzerne Kreuz, Symbol des Christentums, in dessen Namen die Spanier über die neue Welt hergefallen waren wie räuberische Teufel.

      Die Galeone lag hart am Wind und wandte dem schwarzen Segler den schmalen Bug zu. Jetzt luvte sie an, um zu wenden, und auch der letzte an Bord des schwarzen Seglers war sich darüber klar, daß die Spanier das nicht taten, um ihnen freundlich zuzuwinken.

      Die Galeone ging durch den Wind, um dem schwarzen Segler eine volle Breitseite verpassen zu können.

      „Hölle und Verdammnis!“ knirschte der Wikinger.

      „Klar Schiff zum Gefecht!“ peitschte Siri-Tongs Stimme. „An die Brassen und Fallen! Heißt Großsegel und Marssegel! An die Geschütze! Holt die Brandsätze!“

      Im Blitztempo rasten die Männer auf ihren Gefechtsstationen.

      Thorfin Njal sprang vom Achterkastell und tobte wie ein entfesselter Wirbelsturm über das Geschützdeck, um mit zuzupacken. Die kleine Gruppe, die die bronzenen Gestelle zum Abfeuern der Brandsätze bediente, bewies einmal mehr, daß Siri-Tong sie ausgezeichnet gedrillt hatte. Rasselnd öffneten sich die Stückpforten.

      Der schwarze Segler zeigte die Zähne, recht beachtliche Zähne immerhin. Den Spaniern auf der Galeone, die jetzt schwerfällig herumschwang, würde der Anblick sicher gar nicht gefallen, aber das änderte nichts daran, daß die Lage für den schwarzen Segler bedrohlich werden konnte.

      Unter normalen Umständen war er schneller, wendiger und stärker als der Spanier.

      Aber jetzt? Ohne Fock? Zerrauft vom Sturm, mit einer erschöpften, total übermüdeten Besatzung?

      Siri-Tong preßte die Lippen zusammen. Ihr Blick prüfte die Stellung von Groß- und Marssegel und wanderte dann wieder zu der Galeone hinüber. Acht geöffnete Stückpforten. Die drohenden schwarzen Rohre von Siebzehnpfünder-Culverinen. Und jetzt war auch der Name des Schiffs an der Bordwand zu erkennen: „Maria Mercedes“.

      „Klar zum Anluven! Ruder hart über!“

      „Aye, aye!“

      Knirschend schwangen die Rahen herum. Der schwarze Segler ging über Stag und wandte der Galeone genau in der Sekunde den Bug zu, in der sich krachend die Kanonen entluden.

      Feuerzungen leckten aus den Stückpforten. Rauch wölkte auf, die schweren Eisenkugeln rissen die Wasserfläche auf und ließen Fontänen hochspritzen. Schwerfällig schnitt die dickbauchige