Seewölfe - Piraten der Weltmeere 469. Roy Palmer

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Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 469
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954398775



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      „Nein, noch nicht“, entgegnete der Kapitän. „Sie haben noch genug mit den Kriegsschiffen zu tun.“

      „Aber fünf Galeonen haben die Hundesöhne bereits versenkt“, sagte der Erste.

      „Und das Flaggschiff“, fügte Vargas hinzu, dann ließ er wieder einen mörderischen Fluch vernehmen. „Kaum zu fassen. Die Bastarde müssen mit dem Teufel im Bund stehen. Das Flaggschiff war ein regelrechter Feuerspucker.“

      „Ja. Und jetzt versenken sie wieder ein paar Schiffe“, sagte der Erste.

      „Sie haben drei Schiffe“, sagte Vargas. „Eine große Galeone, eine Dreimastkaravelle und dann diesen schwarzen Viermaster. Ich würde was drum geben, zu wissen, wer sie sind.“

      „Sie kriegen auch uns, verlaß dich drauf“, sagte der Erste.

      Vargas musterte ihn verächtlich. „Hast du die Hosen schon voll?“

      „Mit unseren vier Culverinen können wir nicht viel gegen sie ausrichten.“

      „Aber wir überlisten sie“, sagte Vargas mit tückischem Grinsen.

      „Und wie?“

      „Denk an die Weiber.“

      „Auf die nehmen die Piraten keine Rücksicht“, sagte der Erste.

      „Und wenn sie die Weiber für sich haben wollen?“

      „Für sich?“

      „Bist du wirklich so blöd, wie du tust, oder geht dir langsam ein Licht auf?“ fragte Vargas.

      Plötzlich grinste auch der Erste Offizier. „Ach so, das meinst du. Sie sind ganz wild auf Weiber. Na ja, kann schon sein. Dann hätten wir ja einen Trumpf.“

      „Und den spielen wir aus“, sagte Vargas.

      Sie lauschten weiterhin dem Gefechtslärm, der die Nacht erfüllte. Vargas schloß aus den Geräuschen, daß zwei Kriegsgaleonen des Geleitzuges angegriffen worden waren. Er hatte nicht den geringsten Zweifel, daß die Piraten auch diesmal wieder gesiegt hatten.

      Das bedeutete, daß jetzt nur noch drei Kriegsgaleonen die Frachtschiffe bewachten. Und auch die würden die Schnapphähne, die da am Werk waren, besiegen. Dann hatte der Piratenführer – wer immer er war – sein Ziel erreicht. Die Kuhherde war ihrer Beschützer entledigt, die Jagd auf die „Kühe“ war frei. Keiner würde die Hunde mehr behindern.

      Doch Vargas hatte beschlossen, diesem unheimlichen Feind, der im Dunkeln lauerte, ein Schnippchen zu schlagen. Er dachte noch einmal darüber nach und rieb sich leise lachend die Hände. Mal sehen, dachte er, vielleicht klappt es ja.

      Angst hatte er nicht. Es war nicht der erste Piratenüberfall, den er erlebte. Das unterschied ihn von den Kapitänen der anderen Frachtgaleonen: Er war kein Feigling, der bei dem ersten Anzeichen von Gefahr die Flagge strich. Er würde es ihnen schon zeigen, diesen Bastardpiraten!

      Später, als das Grollen der Kanonen längst verklungen war, begab sich Juan Vargas nach unten, in die Kapitänskammer. Er drückte das Schott hinter sich zu, entfachte eine Öllampe und blickte zu dem Mädchen, das in der Koje lag. Sie war eingeschlafen.

      Grob weckte er sie auf. Sie fuhr zusammen, setzte sich auf und kroch in die äußerste Ecke der Koje. Entsetzt starrte sie ihn an.

      „Keine Sorge“, sagte Vargas mit hämischer Stimme. „Wir werden uns schon amüsieren. Wie heißt du? Ach, egal. Du kannst mich ja sowieso nicht verstehen.“

      „Ich – Spanisch“, flüsterte das Arawak-Mädchen.

      Überrascht zog Vargas die Augenbrauen hoch. „So? Du kannst ein paar Worte Spanisch? Erstaunlich. Wer hat sie dir beigebracht? Sicher so ein Narr von Missionar, wie?“

      „Missionar“, bestätigte das Mädchen.

      Vargas holte sich eine Karaffe voll Wein aus dem Schapp. Dann nahm er einen Kelch, stellte ihn auf das Pult und füllte ihn mit Wein. Er setzte sich hin, betrachtete das Mädchen und trank einen Schluck. Er fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen und sagte: „Also gut, zieh dich aus.“

      „Ich will – fort“, flüsterte sie.

      „Nichts da! Und versuch bloß nicht, abzuhauen.“ Er lachte roh. „Ich habe abgeschlossen. Du kommst nicht raus.“

      Sie begann zu zittern. Vargas leerte den Kelch und füllte ihn wieder.

      „Runter mit dem Fetzen“, sagte er. „Zier dich nicht so. Wenn du nicht gehorchst, kriegst du die Peitsche. Willst du das?“

      „Peit-sche?“

      Vargas griff nach der Neunschwänzigen und ließ sie einmal probeweise durch die Luft pfeifen.

      „Kapiert?“

      Die Geste war unmißverständlich; die Indianerin hatte begriffen. Mit hastigen, ruckartigen Bewegungen entledigte sie sich der wenigen Fetzen Kleidung, die sie auf dem Leib trug.

      Juan Vargas lachte. Wieder stürzte er den roten, süffigen Wein die Kehle hinunter. Dann erhob er sich, trat auf die Koje zu und öffnete seine Gürtelschnalle. Klirrend fiel das schwere Wehrgehänge auf die Planken. „Und nun zu uns“, sagte er heiser.

      Drei Schiffe verfolgten den spanischen Geleitzug: die „Isabella IX.“, die „Chubasco“ und der Schwarze Segler. In der dritten Morgenstunde des 4. Mai standen sie südwestlich der Bermudas. Der Wind wehte immer noch – wie schon seit Tagen – aus Norden, begann jetzt aber allmählich nach Nordwesten zu drehen. Die Schiffe lagen auf Nordostkurs, dem vermutlichen Kurs, den der Konvoi genommen hatte.

      Für den Konvoi konnte es keine andere Wahl der Richtung geben. Der jetzige Kommandant, der die Führung übernommen hatte, nachdem auch das schwer bestückte Flaggschiff vom Gegner versenkt worden war, dachte nüchtern und sachlich und war ganz und gar nicht darauf erpicht, durch umständliche Kursänderungen Zeit zu verlieren.

      Wenn er nördlich der Bermudas die Ostdrift des Golfstroms und die Westwinde erreichen wollte, mußte er Nordostkurs segeln. Stur befolgte er die Order, die für diesen wie auch für jeden anderen Konvoi galt: allen Gefahren trotzen, Kurs halten, etwaige Gegner abschütteln.

      Zeit war Geld für die Spanier. Je eher die Schatzgüter an Bord der Galeonen das Heimatland erreichten, desto eher wurden die Staatskassen wieder aufgefüllt. Jeder Tag, jede Stunde zählte. Nach diesem Prinzip wurde verfahren. Acht Kriegsgaleonen waren gesunken, dennoch segelten die Schiffe stur auf ihrem Kurs weiter.

      Philip Hasard Killigrew, der Seewolf, brauchte die Gedankengänge der Spanier nur in etwa nachzuvollziehen. Einmal hatten er und seine Kameraden den Geleitzug aus den Augen verloren, ihn dann aber doch wiedergefunden. Somit schien es festzustehen: Die Spanier wollten um jeden Preis den Atlantik überqueren.

      Schutz hätten sie in Fort St. Augustine suchen können. Doch dazu war es jetzt zu spät. St. Augustine war der nördlichste Stützpunkt an der Ostküste von Florida. Um ihn zu erreichen, hätten sie umkehren und zurücksegeln müssen. Überdies lag St. Augustine in Schutt und Asche, es war vom Seewolf und dem Wikinger zusammengeschossen worden. Das allerdings konnten die Spanier des Konvois nicht wissen.

      Pulver und Munition hatten die Männer der „Isabella“, der „Chubasco“ und des Schwarzen Seglers übernommen. Sie hatten zwei spanische Kriegsgaleonen aufgebracht und geentert und somit den Munitionsschwund, der sich im Verlauf der Einzelgefechte zwangsläufig ergeben hatte, wieder ausgeglichen. Jetzt waren die Pulver- und Munitionskammern der drei Schiffe wieder bis obenhin gefüllt.

      Dabei war der Wikinger in „Ungnade“ gefallen, denn er hatte völlig eigenmächtig gehandelt und der ersten der beiden Kriegsgaleonen eine volle Breitseite verpaßt.

      Das Schiff wäre unweigerlich gesunken, wenn sich nicht etwas Überraschendes ereignet hätte. Getreidesäcke der Proviantlast waren in das Leck gerutscht und derart aufgequollen, daß sie die undichte Stelle zugestopft hatten. So hatte Thorfin Njal die Galeone doch noch ausplündern können.