Seewölfe - Piraten der Weltmeere 454. Roy Palmer

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Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 454
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954398621



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und dachte: Na gut, schuften wir weiter. Mit den Wölfen heulen und gute Miene zum bösen Spiel machen.

      Er warf einen Blick zu der Karavelle und entdeckte Flores, der mit gelangweiltem Gesicht das Achterdeck betrat. Fauler Hund, dachte Nogales, du tust wieder keinen Handschlag, was?

      Flores blickte zu Nogales. Sohn einer verlausten Hure, dachte er, was heckst du wieder aus in deinem verfluchten Kopf? Wage nur nicht aufzumucken, sonst kriegst du meine Peitsche zu schmecken.

      Er hob die Peitsche und ließ sie zweimal in der Luft knallen. Jetzt wußten alle, daß er auf den Beinen war. Flores grinste und lachte verhalten. Die übliche Inspektionsrunde begann – und wehe, es war etwas nicht in Ordnung!

      Verrecke, dachte Nogales, kipp ins Wasser und laß dich von den Haien zerreißen, du Bastard! Warum krepierst du nicht? Aber warte nur, dir geht es noch an den Kragen. Deine Stunde schlägt eher, als du ahnst.

      Weder Flores noch Nogales noch die anderen Piraten, die in dieser Bucht gelandet waren, wußten, daß sie zu diesem Zeitpunkt selbst beobachtet wurden. Hätten sie es geahnt, dann hätten sie sofort zu ihren Waffen gegriffen, um den Schlupfwinkel zu verteidigen. Doch sie fühlten sich sicher und vermuteten kein Unheil.

      Am Vormittag dieses 24. März 1595 hatten Philip Hasard Killigrew, der Seewolf, und seine Männer mit ihren neunzehn Maultieren den Isthmus von Panama unbeschadet überquert und einen Standort erreicht, der sich oberhalb jener Seitenbucht im Golf von San Blas befand, von dem aus sie am 12. Oktober des Vorjahres Siri-Tong und den Männern auf der ankernden „Caribian Queen“ noch einmal zugewinkt hatten, bevor sie weiter in die Cordillera de Chepo aufgestiegen waren.

      Hasard verharrte und blickte sich um. Hinter ihm trafen Ben Brighton, Ferris Tucker, Dan O’Flynn, Big Old Shane, Pater David, Jean Ribault, Karl von Hutten und all die anderen nach und nach ein. Er wartete kurz ab, dann wandte er sich zu ihnen um.

      „Wir haben es wirklich geschafft“, sagte er, „und unseren Ausgangspunkt wieder erreicht.“

      „Ein Segen“, sagte Carberry. „Das viele Marschieren geht mir langsam auf den Geist. Hölle, wenn jetzt noch die ‚Caribian Queen‘ zur Stelle wäre, wäre das Unternehmen perfekt.“

      Dan zog seinen Kieker auseinander und begann, nach allen Seiten Ausschau zu halten.

      Batuti war neben ihm und brummte: „Warum jubelt eigentlich keiner?“

      „Dazu haben wir noch keinen Grund“, erwiderte Hasard. „Und erst mal müssen wir uns davon überzeugen, ob wir allein sind oder ob sich jemand in der Nähe aufhält.“

      „Dann kannst du immer noch jubeln“, sagte Shane zu Batuti.

      „Ich glaub’, ich hab’ keine Lust zum Brüllen“, sagte der schwarze Herkules, ohne eine Miene zu verziehen. „Die Luft ist so trocken hier oben.“

      „Na, eine Ration Rum wird’s wohl gleich geben“, sagte Matt Davies erwartungsvoll.

      „Geduld“, sagte Ribault. „Man soll nichts überstürzen. Dan, wie sieht es aus?“

      „Beschissen“, erwiderte dieser. „Wir sind hier wirklich nicht allein.“

      Auf den ersten Blick wirkte alles völlig friedlich. Über Westen, Norden und Osten breitete sich, von diesem Standort aus betrachtet, die Karibik aus – eine im Sonnenlicht glitzernde Wasserfläche. Der Himmel war azurblau, das Wetter hätte besser nicht sein können. Ein handiger Wind umfächelte die Männer. Eigentlich konnten sie aufatmen – aber Dans Bemerkung dämpfte ihre Freude und Zuversicht.

      „Noch ist keine ‚Caribian Queen‘ zu sehen“, sagte Dan. „Wäre ja auch zu schön gewesen, um wahr zu sein. Dafür aber ankern in unserer Bucht andere Schiffe.“

      Die Männer traten etwas weiter vor, duckten sich und suchten hinter Büschen und Steinen Deckung. Ja, jetzt konnten sie es mit dem bloßen Auge erkennen: Ein großes und sechs kleinere Schiffe ankerten in der Bucht.

      „Pech“, sagte Carberry. „Aber richtig übelnehmen kann man es den Hundesöhnen ja nicht, wer immer sie auch sind. Wir haben die Bucht schließlich nicht gekauft.“

      „Ein schlanker, dreimastiger Segler vom Karavellentyp“, stellte der Seewolf fest. „Und sechs einmastige Schaluppen. Dazu eine bunte Horde von Kerlen.“

      „Dons sind das nicht“, sagte Jean Ribault.

      „Langsam, langsam, das wissen wir noch nicht“, widersprach Hasard. „Sagen wir – es sind keine Kriegsschiffe und auch keine Handelsfahrer.“

      „Sondern Schnapphähne“, sagte Old Shane grimmig.

      „Und am Ufer unserer idyllischen Bucht stehen ein paar Hütten.“

      „Die haben eben den richtigen Riecher gehabt“, sagte Karl von Hutten. „Von See her ist die Bucht nicht einzusehen. Einen besseren Schlupfwinkel gibt es für eine Bande dieser Größe gar nicht.“

      „Der Teufel soll sie holen“, brummte Pater David. „Lange können sie noch nicht hier sein. An einigen Hütten wird noch gebaut. Und auch ein Steg wird gerade errichtet.“

      „Stimmt“, sagte Dan. „Offenbar als Anleger für den Pendelverkehr zwischen den ankernden Schiffen und dem Ufer. Na ja, das wär’s dann wohl.“

      „Was heißt, das wär’s dann wohl?“ begehrte der Profos auf. „Von denen lassen wir uns ja wohl nicht einschüchtern. Siri-Tong wird diese Bucht anlaufen, zur Hölle, und wir werden sie bis zu ihrer Ankunft geräumt haben.“

      Dan ließ den Kieker sinken. „Da gib dich mal keinen falschen Hoffnungen hin, Ed. Das da unten sind Galgenstricke der übelsten Sorte, und zwar nicht wenige.“ Seine Miene war jetzt verkniffen.

      Hasard nahm das Spektiv zur Hand und spähte selbst hindurch.

      „Ja, du hast recht“, pflichtete er Dan bei. „Die Kerle sehen mächtig verludert aus und haben entsprechende Visagen.“

      „Scheißdreck“, sagte Blacky. „Es ist doch wirklich zum Kotzen.“

      „Ich weiß, was du sagen willst“, brummte Smoky. „Da haben wir drüben, auf der anderen Seite der Landenge, kaum die verdammten Zopfmänner hinter uns gebracht – und schon stoßen wir hier, auf dieser Seite, auf die gleiche, allerdings weiße Sorte.“

      „Lieber diese Kerle als die Chinesen“, sagte Ben. „Vergeßt nicht die Brandsätze.“

      In der Tat hatten ihnen die Brandsätze der chinesischen Piraten, mit denen sie völlig überraschend zusammengestoßen waren, schwer zugesetzt. Harte, gnadenlose Kämpfe – Hasard war verletzt worden, Araua hatte mit dem Leben bezahlt.

      Sie würden nicht vergessen, was geschehen war. Sie hatten genug von Freibeutern, und Spaniern, sie wollten zurück zur Schlangen-Insel und dem Bund der Korsaren. Und doch hatte es den Anschein, als ließe sich eine neue Auseinandersetzung nicht vermeiden.

      „Verrückt ist das schon“, sagte Ferris Tucker.

      Old Shane grinste plötzlich. „Vor allem, wenn man bedenkt, daß die Karavelle da für uns wie geschaffen ist. Wir könnten mit ihr zur Schlangen-Insel zurückkehren.“

      „Das ist richtig“, sagte der Seewolf. „So gesehen, hätten wir Siri-Tong eigentlich gar nicht zu bemühen brauchen. Aber wir konnten ja nicht ahnen, daß wir hier auf eine so feine Karavelle stoßen würden.“ Ja – plötzlich begannen auch in seinen eisblauen Augen die tausend Teufel zu tanzen, die seine Männer nur zu gut kannten. Der Gedanke, die Karavelle zu vereinnahmen, versetzte auch ihn in Erregung.

      Carberry grinste ebenfalls. „Da stellt sich nur die Frage, wie man am besten die Galgenstricke ausschaltet oder übertölpelt. Ich meine, wir warten die Nacht ab.“

      Hasard hob die Hand. „Nicht so hastig, Ed. Bleiben wir zunächst mal bei Siri-Tong. Die Tatsache, daß sich die Piraten hier niedergelassen haben, führt gleich zu der nächsten Überlegung. Wenn sie heransegelt, dann stößt sie unvermutet auf diese Strolche,