Seewölfe - Piraten der Weltmeere 168. Kelly Kevin

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Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 168
Автор произведения Kelly Kevin
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954395057



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sie sich, die Nachkommen von Kanalratten, verlausten Gewitterziegen und triefäugigen Heringen zu sein. Wenn sie erst einmal in Schwung gerieten, würden sie in dieser Hinsicht erfahrungsgemäß noch viel mehr Phantasie entwickeln. Hasard prägte sich alles getreulich zur Weiterverwendung ein und runzelte unwillig die Stirn, als sein Bruder ihn anstieß.

      „Ich hab eine Idee“, flüsterte Philip. „Wir spielen Nebeldämon für Großvater, klar?“

      „Nebeldämon?“

      „Genau! Eine Kokosnuß mit Kerze drin gibt einen guten Djinn ab. Und damit er echt wirkt, fieren wir ein Boot weg und pullen ein bißchen in die Suppe.“

      Hasards Augen begannen zu funkeln.

      Er sah schon vor sich, was für Gesichter Smoky, Old O’Flynn und die anderen aufsetzen würden, wenn plötzlich ein leibhaftiger Dämon mit glühenden Augen aus dem Nebel auftauchte. Blieb nur noch das Problem, eine Kokosnuß zu erwischen. Man mußte warten, bis alle nur noch auf Smoky und Old O’Flynn achteten und dann in den Laderaum schleichen.

      Sie sprangen von der Webleine.

      Siri-Tong sah sie betont lässig über die Kuhl schlendern und Löcher in die Luft gucken. Die beiden sahen haargenau so aus, als planten sie einen Streich, aber die Rote Korsarin wäre nicht im Traum darauf gekommen, um was es sich handelte.

      Philip Hasard Killigrew, der Seewolf, runzelte die Stirn und kreiste mit dem Fingernagel einen bestimmten Bereich auf der Seekarte ein.

      „Wenn mich nicht alles täuscht, müßten wir uns ungefähr hier befinden“, sagte er gedehnt. „Vor Neuschottland und schon südlich von Neufundland, vielleicht in Höhe der Cabot-Straße.“

      „So weit im Norden? Glaubst du wirklich?“

      Auch Ed Carberry runzelte heftig die Stirn. Hasard zuckte mit den Schultern. Neben ihm kniff Ben Brighton die Augen zusammen und kratzte sich am Kinn.

      „Schwer zu schätzen“, stellte er fest.

      „Du sagst es. Und der Teufel mag wissen, wann wir wieder Wind kriegen. Ganz abgesehen davon, daß wir in dem Nebel riskieren, auf ein Riff zu laufen. Mit unseren Vorräten ist es auch nicht gerade weit her.“

      „Also lassen wir das dämliche Geisterschiff sausen?“ fragte Ed Carberry, dem das Unternehmen ohnehin nicht so sympathisch war, wie er tat.

      „Ich fürchte, wir haben ohnehin keine Chance, den Kahn wiederzufinden. Er muß nicht unbedingt in dieselbe Flaute geraten sein wie wir. Also segelt er entweder nach Süden zurück oder versucht, die Küste anzulaufen.“

      „Und nach Süden segeln wir ja dann wohl auch, sobald sich ein Lüftchen auftut“, sagte Dan O’Flynn mit funkelnden Augen.

      Hasard grinste. Dan war offenbar entschlossen, mit den „Geistern“ doch noch das fällige Hühnchen zu rupfen. Aber die meisten anderen neigten inzwischen zu der Ansicht, daß ihnen die Geister den Buckel herunterrutschen konnten. Vor allem, seit sie dieser undurchdringliche Nebel in den Klauen hatte.

      Der Seewolf wollte gerade die Seekarten zusammenfalten, als irgendwo an Deck ein schriller Schrei ertönte.

      Hasard hob den Kopf. Auch die anderen hatten es gehört und wechselten erschrockene Blicke. Wie auf Kommando sprangen sie auf. Der Seewolf war der erste, der mit langen Schritten durch den Niedergang fegte und das Schott aufstieß.

      Nebel!

      Weiße, wabernde Schwaden, so dick, daß man nur verschwommen Umrisse erkennen konnte, in diesem Fall die verschwommenen Umrisse von Gestalten, die sich mindestens im Dutzend auf der Kuhl drängten und wie versteinert nach Steuerbord starrten.

      Old O’Flynn war es, der geschrien hatte.

      „Da!“ brüllte er jetzt wieder. „Seht ihr’s nicht? Da! Habt ihr Datteln auf den Augen, ihr blöden Hammel?“

      „Die „blöden Hammel“ protestierten keineswegs gegen die Bezeichnung, sondern starrten nur.

      Mit ein paar Schritten hatte Hasard die Gruppe erreicht. Aus den Augenwinkeln sah er Siri-Tong und Big Old Shane auf dem Achterkastell. Und auch die starrten nach Steuerbord und schnitten Gesichter, als sei ihnen der Gehörnte auf einem Besenstiel erschienen.

      „Wassermänner!“ stöhnte Smoky dumpf.

      „Nebeldämonen!“ schrie Old O’Flynn, der es selbst jetzt noch besser wissen mußte.

      Energisch schob Hasard den völlig verdatterten Sam Roskill beiseite, glitt ans Schanzkleid – und hielt den Atem an.

      Im ersten Moment hatte er das Gefühl, als sei er von einem Maultier getreten worden.

      An den Kopf, wohlgemerkt. So kräftig, daß er jetzt Halluzinationen hatte. Aber auf der Kuhl der „Isabella“ gab es keine Maultiere. Und eine Rah hatte er auch nicht an den Schädel gekriegt. Also konnte die unheimliche Gestalt dort draußen im Nebel keine Halluzination sein.

      Sie schwebte über dem Wasser und verschmolz fast mit den weißen Schwaden.

      Nur ein Schatten war zu sehen: ein Schatten mit kreisrunden, glühenden Augen, die gespenstisch flackerten. Das lange Gewand wehte. Jetzt schien die Erscheinung zu wachsen und größer zu werden.

      „Der Himmel stehe uns bei!“ flüsterte Old O’Flynn mit bleichen Lippen. „Sie kommen! Sie holen uns! Die Dämonen kommen!“

      Niemand widersprach.

      Die Männer standen stumm vor Schrecken. Selbst Donegal Daniel Junior mit seinem legendären Mundwerk brachte kein Wort heraus. Tatsächlich schien sich die Gestalt mit den glühenden Augen zu nähern. Oder lag das an dem Hauch von Wind, der sich plötzlich auftat, das lange Gewand der Gestalt blähte und …

      „Der Atem der Hölle“, murmelte Smoky dumpf.

      Hasard schluckte.

      Am liebsten hätte er geflucht, daß der Himmel errötet wäre. Die Erscheinung wirkte tatsächlich unheimlich, wie sie da mit ihren glühenden Augen im Nebel hing. Aber es gab keine Nebeldämonen, basta! Was sie sahen, war entweder eine neue Sorte Elmsfeuer oder irgend etwas anderes, auf jeden Fall aber etwas Reales. Der Seewolf warf einen kurzen Blick in die Runde. Er suchte seine Söhne, die sich normalerweise längst in die vorderste Front gedrängelt hätten, um den Spuk zu begutachten. Sie waren nirgends zu sehen – und da dämmerte es ihm.

      Er holte tief Luft.

      „Mister Carberry“, sagte er laut und deutlich. „Du kannst schon mal das Tauende bereithalten.“

      Ed verschluckte sich fast.

      Im selben Moment frischte der Windhauch etwas auf und trieb ein paar Nebelschwaden auseinander. Vom Achterkastell erklang das helle Lachen der Roten Korsarin.

      Vor ihnen, immer noch nur schattenhaft zu erkennen, schwamm eins der Beiboote der „Isabella“.

      Die unheimliche Erscheinung stand im Bug, gar nicht mehr so unheimlich mit dem aufgespießten Kokosnuß-Kopf und der flackernden Kerze hinter den Augenlöchern. Das Segeltuch, das als Gewand um die aufragende Stange drapiert war, flatterte im Wind. Zwei Beine in weißen Hosen sahen darunter hervor – Jungenbeine! Und Zwilling Nummer zwei saß hinter dem „Dämon“ auf der Ducht und grinste.

      „Diese verdammten Rübenschweine!“ stöhnte Ed Carberry ergriffen.

      Old O’Flynn brachte kein Wort heraus. Smoky wurde puterrot und schnappte nach Luft. Den meisten anderen verschlug der Anblick ebenfalls die Sprache, und erst als der Kokosnuß-Geist plötzlich in sich zusammenfiel und die drahtige Gestalt des kleinen Philip aus den Falten seines Gewandes entließ, prusteten die ersten los.

      Die Zwillinge grinsten. Triumphierend, aber auch ein bißchen unsicher. Das Gesicht ihres Vaters verhieß nichts Gutes. Old O’Flynns verwitterte Züge ebenfalls nicht. Und dann war da noch der zarte Hinweis auf das Tauende gewesen.

      „Wollt ihr in dem Boot übernachten?“ fragte Hasard scharf.

      Der