Seewölfe - Piraten der Weltmeere 613. Fred McMason

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Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 613
Автор произведения Fred McMason
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783966880275



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langsam schlossen sie dann zu dem Konvoi wieder auf. In zwei Stunden konnten sie das Segel wegnehmen, um wieder hinterherzuhinken.

      Von der Seemannschaft verstanden sie einiges, nur die navigatorischen Künste ließen sehr zu wünschen übrig. Das Kartenmaterial, das sie an Bord hatten, schauten sie erst gar nicht an.

      Die Sterne verblaßten. Ein kühler Wind strich über das Meer. In einer knappen halben Stunde würde es hell werden.

      Robinson zuckte zusammen, als es hart am Bug pochte. Ein ähnliches Geräusch erklang gleich darauf noch einmal an Backbord.

      „Habt ihr das auch gehört?“ fragte er. „Hörte sich an, als hätten wir was gerammt.“

      „Hier gibt es nichts zu rammen“, sagte Anderley brummig. „Hier gibt’s nur Wasser und Himmel. Aber ich habe es auch gehört. Vielleicht hat jemand auf den Galeonen was über Bord geworfen.“

      „Vielleicht ist auch nur was runtergefallen“, meinte Jack. „Etwas, das wir möglicherweise brauchen können. Wollen wir nicht mal nachsehen?“

      Sie stierten ins blasenwerfende Kielwasser, aber es war nichts zu sehen.

      Anderley zeigte jetzt auch Interesse.

      „Purrt die anderen Burschen hoch“, befahl er. „Wenn sie an Deck sind, fahren wir eine Halse und sehen nach.“

      Abermals verging mehr als eine Viertelstunde, dann lag die Rabaukenkaravelle auf Gegenkurs.

      Im Osten zeigte sich der erste schwache Schein einer kurzen Dämmerung.

      Das Meer war noch dunkel wie der Himmel auch.

      Sie starrten voraus, bis Robinson plötzlich die Hand ausstreckte und nach Steuerbord voraus zeigte.

      „Da treibt etwas!“ rief er. „Ein Bündel Lumpen oder so was. Sieht jedenfalls merkwürdig aus.“

      Sie hatten sich mit Haken bewaffnet und lagen auf der Lauer.

      In der See trieb mit der Dünung tatsächlich etwas auf und ab, das an ein Bündel Lumpen erinnerte.

      Als sie noch näher heran waren, erkannte Jack den Gegenstand.

      „Das ist ein Kerl!“ rief er. „Bestimmt über Bord gegangen!“

      „Dann laß ihn treiben“, meinte der Bootsmann. „Soll er seinem Kahn hinterherschwimmen. Ist nur eine Belastung für uns.“

      „Moment mal“, sagte Anderley, „der sieht schon halbtot aus. Hievt ihn an Bord, vielleicht hat er was bei sich.“

      Es war typisch für die Kerle, daß sie so dachten. Mitleid war ihnen ein absolut fremder Begriff, und daß man einen in der See treibenden Mann nicht herzlos im Stich ließ, kümmerte sie auch nicht. Für sie war ein zusätzlicher Mann an Bord eine Belastung.

      Die Bootshaken schossen vor und griffen in Hemd und Hose des Mannes. Zu viert hievten sie ihn hoch und legten die tropfnasse Gestalt an Deck.

      Dort lag Ed Cornhill jetzt. Er war mit Hemd und Hose bekleidet, das Hemd war jedoch aufgerissen. Seine Augen waren geschlossen, aber sein Mund stand weit offen. Das Haar fiel ihm über die Stirn. Auf den ersten Blick sah er so aus, als lebe er noch.

      „Der ist abgenippelt“, stellte Anderley leidenschaftslos fest, nachdem er den Toten kurz berührt hatte. „Ganz kalt, der Bursche. Vermutlich ist er über Bord gegangen und ersoffen.“

      „Was sollen wir jetzt mit einer Leiche an Deck?“ fragte Ted. „Tote Kerle an Bord bringen nur Unglück, das ist eine alte Weisheit.“

      „Ich bin auch dafür, daß wir ihn so schnell wie möglich wieder loswerden“, sagte Jack schaudernd.

      „Wir gehen erst wieder auf Gegenkurs“, entschied der vollbärtige Kapitän. „Sonst verlieren wir den Anschluß. Auf Stationen.“

      Als das Manöver beendet war und die Karavelle wieder auf ihrem alten Kurs lag, sah Anderley sich den Toten noch einmal genauer an. Dabei entdeckte er eine dünne Schnur, die um den Hals des ertrunkenen Mannes lief.

      „Da gibt’s anscheinend noch was zu holen“, sagte er ungerührt. „Sieht nach einem Brustbeutel aus.“

      Er griff die Schnur und zog daran. Dann fuhr er entsetzt zurück, als sich das eine Auge des Toten öffnete. Der Blick war gebrochen und leicht verschleiert, aber den Kerlen war es, als stehe der Mann gleich auf. Fluchend und ängstlich sprangen sie zurück.

      „Nur ein Reflex“, sagte Robinson. „Das passiert manchmal, wenn sich die Lage einer Leiche verändert. Soll ich mal?“

      Anderley schüttelte den Kopf und griff erneut nach der dünnen Schnur.

      Ein dünner Beutel aus Leder hing daran, der auf den Nacken der Wasserleiche gerutscht war. Mit einem heftigen Ruck riß der Kapitän den Lederbeutel ab. Durch die hastige und ruckartige Bewegung öffnete sich auch das andere Auge des Mannes. Er schien sie vorwurfsvoll anzublicken.

      „Sieht aus, als lebe er noch“, murmelte Jack beklommen. „Das ist ja gräßlich anzusehen.“

      Anderley öffnete den Beutel, blickte hinein und grinste dünn.

      „Hat sich gelohnt, den Burschen aufzuhieven. Das ist unsere Belohnung, hier!“

      Er griff in den Beutel und holte zwei Goldmünzen und vier Silbermünzen hervor. Die anderen Kerle begannen breit zu grinsen.

      „Dafür kann man schon mal einen aus dem Wasser holen“, erklärte Jack. „Er hat sein kurzes Gastspiel jedenfalls teuer bezahlt.“

      Die rohen Kerle begannen, den Toten zu fleddern. Sie hatten nicht die geringsten Hemmungen.

      Ed Cornhill trug nichts weiter bei sich. Die paar Münzen waren sein ganzer Besitz gewesen.

      Anderley steckte die Münzen grinsend in seine Tasche. Mittlerweile war es so hell geworden, daß alles deutlich zu erkennen war.

      „Was tun wir eigentlich mit den Münzen?“ fragte Ted. „Genaugenommen können wir gar nichts damit anfangen. Hier gibt es weit und breit kein Geschäft und keinen Markt.“

      Anderley fuhr sich mit den Fingern durch sein dichtes Bartgestrüpp.

      „Hm, wir heben sie auf. Vielleicht können wir später von den anderen Schiffen etwas Proviant kaufen. Ob der Kerl von dem Schiff ist, das ein bißchen gebrannt hat?“

      Die Frage blieb unbeantwortet, aber sie interessierte auch keinen. Den Qualm und ein paar Flammen hatten sie auf einer der Galeonen beobachtet, sich aber nicht weiter darum gekümmert. Anderley hatte lediglich bemerkt, daß sie keine Schiffbrüchigen aufnehmen würden, falls der Kahn absaufen würde. Das Feuer war dann aber ziemlich schnell gelöscht worden.

      Keiner von den Kerlen brachte den Toten in Zusammenhang mit dem Feuer. Ed Cornhill hatte bei dem Brand seine Frau Claire verloren. Über ihren Tod hatte sich sein Geist verwirrt, und so war er seiner Frau gefolgt.

      Von der menschlichen Tragödie ahnten die Rabauken nichts. Es hätte sie auch nicht weiter berührt.

      „Werft ihn über Bord“, sagte Anderley, „aber wartet, bis ich euch ein Zeichen gebe. Vielleicht belauern uns die Killigrews gerade durch das Spektiv. Die brauchen schließlich ja nicht alles zu sehen.“

      Durch den Kieker beobachtete er die Schebecke der Seewölfe. Sie war jetzt knapp drei Meilen entfernt. Er konnte nicht feststellen, ob sie ihn beobachteten, und so gab er das Zeichen.

      Achtern auf der Karavelle hoben Jack und Ted den Toten hoch. Dann holten sie kurz aus und warfen Ed Cornhill ins Wasser.

      Diesmal ging der Tote unter und verschwand im schäumenden und brodelnden Kielwasser. Er tauchte auch nicht mehr auf.

      Ed Cornhill hatte sein ewiges Grab endgültig in der Weite des Atlantik gefunden.

      Der Tag bei den Arwenacks begann wie immer mit der morgendlichen Inspektion der drei Galeonen. Visite nannten sie das.

      Hasard