Seewölfe - Piraten der Weltmeere 22. John Roscoe Craig

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Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 22
Автор произведения John Roscoe Craig
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954392483



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entern zu können. Mit den wenigen Segeln, die ihnen noch zur Verfügung standen, konnten sie es niemals schaffen, sich von der Luvküste freizusegeln.

      Als Ben Brighton von Dan O’Flynn hörte, daß die „Golden Hind“ von Francis Drake nicht in dieser Bucht war, zögerte er mit dem Befehl, die „Isabella“ abfallen zu lassen. Im Angesicht der kämpfenden drei Galeonen war es besser, aufs offene Meer hinauszusegeln und dem Gefecht zu entgehen.

      „Abfallen, Ben!“ brüllte Hasard. Er hatte sich entschlossen, in diesen Kampf einzugreifen, der leichte Beute versprach, denn die Gegner hatten sich bereits gegenseitig geschwächt, daß Hasard der lachende Dritte sein wollte.

      „Steuere zwischen der Küste und der ankernden Galeone hindurch!“

      Ben Brighton kroch ein kalter Schauer über den Rücken, als er den Befehl an Pete Ballie und die Männer, die die Segel bedienten, weitergab.

      Der Teufelsbraten schafft es noch mal, daß ich meinen Verstand verliere, dachte er.

      „Backbordgeschütze feuerbereit!“

      Hasards Stimme scholl fest und klar über das Deck des schnellen Seglers. Ohne Hast, aber dennoch in Sekundenschnelle hatte Ferris Tukker die drei Backbordneunpfünder richten lassen. Noch wiesen die Mündungen auf Fadenlänge ins Wasser, aber wenn Ben Brighton mit der „Isabella“ über Steuerbordbug ging und der Wind das Schiff zur Seite drückte, hatten sie ihr Ziel genau im Visier.

      Hasard sah, daß die Piraten viel langsamer waren als die „Isabella“. Gleichzeitig erkannte er, daß auf der ankernden Galeone Zustand herrschte. Der Kapitän hatte befohlen, den Anker einzuholen und Segel zu setzen, obwohl es bei diesen Windverhältnissen Wahnsinn war. Ohne eigene Geschwindigkeit war die Galeone dazu verdammt, an die Küste zu treiben und an den Klippen zu zerschellen.

      Der Kapitän schien das selbst schnell begriffen zu haben, denn als sich der Heckanker vom Meeresboden gelöst hatte, trieb die Galeone sofort ab.

      Ferris Tucker fluchte. Er mußte seine Kanonen neu richten. Er ließ die Richtkeile über den Stellblöcken etwas anziehen, so daß die Mündungen der Geschütze höher wiesen.

      Ben Brighton hatte auf das kurze Abtreiben der Galeone augenblicklich reagiert. Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn. Die Lücke zwischen der Küste und der spanischen Galeone war noch enger geworden. Dann ging er über Steuerbordbug. Die Masten schienen sich im Wind zu biegen. Die Männer braßten die Rahen auf die Sekunde genau. Die Segel gaben keinen Ton von sich.

      Im selben Augenblick schrie Ferris Tucker: „Feuer!“

      Die Neunpfünder der „Isabella“ spuckten Feuer.

      Hasard eilte aufs Quarterdeck zurück. Er sah, wie alle drei Kugeln in die Takelage der Galeone einschlugen und die herabstürzenden Spieren das Deck des Spaniers verwüsteten.

      „Den Kurs halten, Ben!“ schrie Hasard durch den nachrollenden Donner der Geschütze. „Wir entern die andere Galeone! Stenmark und Batuti, nehmt euch noch fünf Mann und haltet euch bereit. Ferris, die Backbordgeschütze bereit zum zweiten Schuß?“

      „Aye, aye, Sir!“

      Eine Handbewegung genügte, um Ben Brighton zu erklären, was er zu tun hatte. Die „Isabella“ schoß parallel zur an Heck- und Buganker liegenden zweiten Galeone hinüber.

      „Holt das Großsegel ein!“

      Der Gaffelbaum rauschte am Großmast nieder, und die „Isabella“ verlor sofort an Geschwindigkeit. Ben Brighton preßte die Lippen aufeinander. Hoffentlich war die Bucht nicht so seicht, daß sie aufliefen, wenn er die „Isabella“ nach dem Entern in den Wind drehte und sie sich nach einer Halse wieder freikreuzen mußte.

      Als der Bugspriet der „Isabella“ fast auf Höhe der Galeone war, ließ Ben Brighton beidrehen. Die Segel begannen zu killen. Es war, als hätte eine riesige unsichtbare Faust das Schiff gestoppt.

      Ferris Tucker brüllte den Befehl zum Feuern, und die noch heißen Kanonen jagten zum zweitenmal ihre tödliche Ladungen dem Feind entgegen.

      Zwei der drei Kugeln schlugen in Höhe des Schanzkleides ein und fegten die Kuhl praktisch leer. Auf diese geringe Entfernung hatten sie eine verheerende Wirkung. Die dritte Kugel rasierte den Vormast ab, der der Länge nach über das Deck der Galeone krachte und in tausend Teile zersplitterte.

      Stenmark, Matt Davies, Batuti, Dan O’Flynn, Gary Andrews, Blacky und Karl von Hutten hielten ihre Enterhaken bereit und schleuderten sie zur Galeone hinüber, als die Back der „Isabella“ dicht an das Achterdeck des schwer beschädigten Schiffes heranfuhr.

      Wie die Affen turnten die Männer hinüber. Sie trafen auf wenig Widerstand. Der Kapitän lag unter einer Spiere begraben. Sie hatte ihm das Rückgrat zerschmettert. Die anderen Spanier, die den Beschuß durch die „Isabella“ unverletzt überstanden hatten, ergaben sich mit bleichen Gesichtern.

      Dan O’Flynn starrte in die Kuhl des Spaniers hinunter. Er mußte sich schnell abwenden, als er das Ausmaß der Zerstörung erkannte. Er hatte schon oft dem Tod ins Auge blicken müssen, seit er mit Hasard Killigrew und Francis Drake auf Kaperfahrt war, aber er konnte sich an den fürchterlichen Anblick nicht gewöhnen.

      Innerhalb weniger Minuten hatten die sieben Männer von der „Isabella“ die spanische Galeone in ihre Gewalt gebracht. Batuti winkte zu Hasard und Ben Brighton hinüber, doch die hatten keine Zeit, den Erfolg der Männer abzuwarten.

      Sobald die Entermannschaft die „Isabella“ verlassen hatte, war das Gaffelsegel wieder gehißt worden. Ben Brighton schien es, als dauere es eine Ewigkeit, bis das Schiff wieder Geschwindigkeit aufnahm. Die zurückgebliebenen sieben Männer arbeiteten wie die Berserker, um die Segel zu brassen und die Schoten im richtigen Augenblick zu belegen. Mit einem anderen Schiff wäre die gewagte Halse niemals gelungen, doch die „Isabella“ schaffte es, als sei es eine Leichtigkeit, bei Legerwall so dicht unter Land auf Kreuzkurs zu gehen. Hasard atmete auf und grinste Ben Brighton zu, dessen Gesicht von der Aufregung gerötet war. Im Vormars schrie der Schimpanse Arwenack und hüpfte begeistert auf und ab.

      „Ich dreh dem Schreihals noch mal den Hals um“, sagte Al Conroy unten in der Kuhl brummend.

      „Und dann stecken wir ihn in den Topf“, sagte der Kutscher und blickte grinsend zu Smoky hinüber. „Affenfleisch soll eine Delikatesse sein.“

      „Versuch’s mal“, erwiderte Smoky wütend. „Hinterher schneide ich dich in kleine Stücke und hau dich in die Pfanne.“

      „Schnauze halten!“ brüllte Ferris Tucker und warf mit einem Belegnagel, dem der Kutscher nur mit Mühe ausweichen konnte.

      Ferris Tucker hatte keine Zeit, sich weiter um die Streithähne zu kümmern. Er wollte seine drei Geschütze feuerbereit haben, wenn Al Conroy an Steuerbord gefeuert hatte und Hasard wenden ließ.

      Sie sahen, wie das Piratenschiff die spanische Galeone rammte. Der Kapitän des Freibeuters hatte im letzten Moment Hartruder befohlen, so daß das Schiff jetzt Seite an Seite mit dem Spanier lag.

      Die Dons nutzten ihre letzte Chance und feuerten noch einmal ihre Kanonen ab. Sie trafen das Piratenschiff tödlich, doch es war zu spät. Immer mehr Männer schwangen sich an Brassen, Schoten und Gordings auf die Galeone und stürzten sich mit wütendem Geheul auf die Spanier.

      Ein Kampf ohne Erbarmen entbrannte. Beide Seiten wußten, daß es nur eines gab: Siegen oder sterben.

      Hasard kniff die Augen zusammen. Noch nie hatte er Männer mit solcher Grausamkeit kämpfen gesehen. Verwundete Spanier wurden erschlagen und über Bord geworfen. Das Deck der Galeone wurde in ein Meer von Blut getaucht.

      Im grünen Wasser tauchten die ersten Finnen von Haien auf. Die blutrünstigen Raubfische stürzten sich auf die Toten und Verwundeten und zerrissen ihre Körper innerhalb von Sekunden. Das Meer färbte sich rot und schien zu kochen.

      Das Grauen kroch. Hasard den Rücken hoch. Zum erstenmal, seit er die Klippen im Süden der Bucht umschifft hatte, fragte er sich, ob er nicht einen Fehler begangen