Seewölfe - Piraten der Weltmeere 259. Roy Palmer

Читать онлайн.
Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 259
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954395958



Скачать книгу

werden Sie hoffentlich verstehen.“

      Othman Mustafa Ashmun alias Ali Abdel Rasul lächelte verständnisinnig. „Nur zu, fragen Sie, ich werde jede Ihrer Fragen wahrheitsgetreu beantworten.“

      „Zunächst einmal: Weshalb ist diese Route ins Rote Meer so wenig bekannt? Sie stellt doch eine ungeheuer wichtige Entdeckung dar. Haben Sie sich das noch nie vor Augen gehalten?“

      Ashmun-Rasul wies auf die Karte mit den verwirrenden Linien, die Ben Brighton inzwischen entfaltet hatte, und erwiderte: „Diese Linien hier – sie stellen das komplizierte Bewässerungssystem mit den unzähligen Kanälen dar. Sie wissen ja sicher selbst, daß schon die alten Pharaonen dieses Prinzip entwickelten, um das Delta und die Niederungen des Nils so fruchtbar wir möglich zu gestalten.“

      „Ja“, sagte Hasard.

      Aber nicht immer verstand er, was der Mann ihm nun erklärte, und so rief er bald die Zwillinge zu sich herauf, die Wort für Wort übersetzten, was der falsche Hafenbeamte auf türkisch verdeutlichte.

      „Manche von diesen Kanälen“, fuhr Ashmun-Rasul fort, „führen nur wenig Wasser, andere wieder sind sehr schmal, und zu manchen Zeiten trocknen sie aus. Einem Unkundigen muß es als viel zu riskant erscheinen, sie überhaupt zu befahren.“

      „Da ist also der Haken“, sagte Big Old Shane.

      „Aber wir haben unseren Lotsen“, sagte Hasard.

      Ashmun-Rasul nickte eifrig, als er dies vernahm. „Ja, Sie können mir getrost vertrauen“, sagte er zu Hasard. „Ich kenne mich dort aus wie ein Otter, der schon seit ewigen Zeiten dort im Wasser der Kanäle lebt.“

      Der Seewolf lächelte. „Ein interessanter Vergleich.“

      Seelenruhig erläuterte Ashmun-Rasul, der sich nun in seiner Rolle bestätigt fühlte, noch einmal den Kurs: „Ein paar Meilen hinter Kairo beginnt der seichte Kanal der Ptolemäer, in dem das Segeln sehr schwierig ist. Er ist jedoch so breit, daß sich zwei Schiffe wie die ‚Isabella‘ dort ohne weiteres begegnen können.“

      „Also muß dort getreidelt werden?“ fragte Ben Brighton.

      „Eventuell, ja. Doch nun weiter: Es folgt der Kanal der Pharaonen, den Sesostris I. in der zwölften Dynastie angelegt hat. Danach werden wir auf den Kanal des Necho aus der 26. Dynastie stoßen, der sogenannten zweiten Dynastie von Sais.“

      „Diese ganzen Namen interessieren mich nicht besonders“, sagte Ferris Tukker leise. „Ich kann sie sowieso nicht behalten.“

      Hasard warf ihm einen tadelnden Blick zu. Ferris schwieg. Der vermeintliche Othman Mustafa Ashmun schien jedoch nichts von dem, was der rothaarige Riese gesagt hatte, gehört zu haben.

      „Wir werden in der Nähe von Zagazig vorbeisegeln, das auch Az Zaqaziq genannt wird“, erläuterte Ashmun-Rasul den weiteren Kurs. „Dort befindet sich auch das legendäre Bubastis, jenes Tell Basta, das wegen seines unerklärlichen Geheimnisses und des Fluches, der auf ihm lasten soll, gemieden wird.“

      „Gut so“, brummte Shane. „Mit alten Tempelruinen und Mumiengräbern haben wir sowieso nichts mehr im Sinn.“

      Auch dies überhörte Ali Abdel Rasul, er sprach weiter: „Nach Zagazig kreuzen wir dann das Wadi Tumilat, und schließlich geht es in die Bitterseen, den Großen und den Kleinen, wobei wir den Timsâh-See im Norden liegen lassen. Wir gehen am Wadi el Ashara, am Wadi el Watan und am Wadi Abu Rimth vorbei, ohne sie zu berühren, segeln nach Süden und erreichen sodann das Rote Meer.“

      Er unterbrach sich für kurze Zeit, und die Männer der „Isabella“ sahen sich an. Othman Mustafa Ashmun schien sich wahrhaftig hervorragend auszukennen, daran gab es gar keinen Zweifel.

      Nur die Zwillinge blieben nach wie vor skeptisch, und auch Old Donegal Daniel O’Flynn blickte von der Kuhl zum Achterdeck hoch, als wolle er sagen: Zum Teufel, was soll der ganze Kram, warum hauen wir nicht einfach ab und schicken die Türken und die Ägypter zur Hölle?

      Ashmun-Rasul verneigte sich kurz und preßte seine Handflächen gegeneinander.

      „Sir“, sagte er zu Hasard. „Wenn Sie Bedenken haben, führen wir diese Reise natürlich nicht durch. Ich will Sie zu nichts verleiten, was Sie am Ende vielleicht bereuen könnten.“

      Der Seewolf maß ihn mit einem langen Blick. Wenn es jetzt noch ein Zurück gab, dann war der Augenblick gekommen, die endgültige Entscheidung zu treffen.

      Doch es gab keinen Widerruf, kein Zögern, dies alles war viel zu verlokkend und zu verheißungsvoll, um auch nur einen Aufschub zu dulden. Hasard dachte nicht im Traum daran, die Expedition zum Roten Meer wegen der Widrigkeiten, die sich ihm bieten konnten, zu unterlassen – genausogut hätte Ashmun ihm vorschlagen können, die „Isabella VIII.“ gleich hier, im Hafen von Kairo, zu versenken.

      Natürlich hatte Ali Abdel Rasul, das Schlitzohr, mit einkalkuliert, daß der Seewolf seinen einmal gefaßten Entschluß nicht revidieren würde, sonst hätte er wohl kaum gewagt, etwas Derartiges zu Hasard zu sagen.

      Plötzlich lachte der Seewolf. „Selbstverständlich treten wir die Reise an. Mein lieber Ashmun, es wäre doch gelacht, wenn die ganze Sache nicht schiefgehen würde, was? Wir haben schon ganz andere Sachen unternommen, uns kann so schnell nichts abschrecken.“

      Er blickte in die Runde, und seine Männer nickten bekräftigend. Was war denn diese Erkundungsfahrt schon im Gegensatz zu all den Raids, die sie im Verlauf der Jahre durchgeführt hatten, im Vergleich zu den Gefechten zur See und an Land, den Schlachten gegen Spanier und Portugiesen, den Unbilden der Natur, den Wagnissen und Abenteuern auf ihrer zweimaligen Weltumsegelung und dem Höllendonner beim Kampf gegen die Armada schließlich? Beim Henker, sie hatten da so viel erlebt, daß die Fahrt durch den Kanal der Pharaonen zum Bittersee schon eher eine Vergnügungsreise war.

      Eben dies war der Irrtum, in dem sie sich alle befanden. Wie groß die Täuschung war, der sie erlagen, sollten sie erst feststellen, als es zu spät war.

      „Ich habe aber doch noch eine Frage an Sie“, sagte Hasard zu Othman Mustafa Ashmun, den er trotz allem immer noch nicht als Ali Abdel Rasul entlarvt hatte. „Wo sollen wir unsere Schätze ausladen, die unglaublichen Reichtümer, die rechtmäßig den Ägyptern zustehen?“

      „Ich werde sie den richtigen Stellen zuleiten, um diese Kunstschätze dem Land zu erhalten“, sagte Ashmun-Rasul. „Das kann jedoch nicht hier geschehen, nicht unter den Augen der Öffentlichkeit. Wir werden das, was im Bauch Ihres Schiffes liegt, im ersten Fort der Türken abladen, das wir beim Durchfahren des Kanals antreffen.“

      Hasard wies auf das Fort, dessen Kanonen genau auf die „Isabella“ gerichtet zu sein schienen. „Warum nicht gleich hier, bei Ihren Landsleuten?“

      „Die hier?“ Ashmun-Rasul gelang ein Lachen. „Die sind viel zu bestechlich, und sie würden sich nicht mit dem ägyptischen Eigentum begnügen, sondern viel lieber gleich alles nehmen.“

      „Mit anderen Worten, was sie einmal in die Klauen kriegen, das verschwindet spurlos?“

      Ashmun-Rasul lachte wieder. „So ist es, und das dürfen wir nicht riskieren.“

      Hasard wandte sich seinen Männern zu. „Das scheint mir einleuchtend zu sein, findet ihr nicht auch?“

      „Schon“, erwiderte Ben Brighton. „Und im übrigen kann es uns ja egal sein, wo wir das Zeug abladen, hier oder erst später im Kanal.“

      „Die Hauptsache ist, daß der Kanal nicht zu flach ist und wir gleich auf die erste Sandbank brummen, vollgeladen, wie wir sind“, sagte Ferris Tucker. „Aber das merken wir ja, wenn’s soweit ist.“

      „Du Stint“, sagte Big Old Shane mit grollender Stimme. „Mir wäre es ganz recht, wenn Hasard dich als Lotgast auf die Galion schicken würde, dann wären wir dich und deine dämlichen Sprüche nämlich erst mal für einige Zeit los.“

      „Das läßt sich regeln“, sagte der Seewolf und grinste.

      Ferris kratzte sich