Seewölfe - Piraten der Weltmeere 598. Burt Frederick

Читать онлайн.
Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 598
Автор произведения Burt Frederick
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783966880121



Скачать книгу

Schotte gehorchte ihrer Aufforderung erstaunlich bereitwillig, und Stenmark wußte nichts Besseres, als ihm zu folgen. Das Geschehen erschien ihm immer rätselhafter.

      „Ich schicke meinen Sohn zu Esther“, sagte die Frau und führte die beiden Männer in die Küche, wo sie die Laterne an einen Deckenhaken hängte. Sie zeigte zu dem Tisch und den Stühlen auf dem kalten Steinfußboden. „Wartet hier und rührt euch nicht vom Fleck.“

      Sie streifte den Schweden mit einem forschenden Blick, ehe sie sich abwandte. Offenbar hatte sie genau mitgekriegt, was sich abgespielt hatte. Natürlich hatte sie nicht eingreifen können – eine Frau gegen vier üble Schlagetots.

      Aber wenn sie es gehört hatte, mußten auch die anderen Nachbarn etwas mitgekriegt haben.

       2.

      „Mein Freund, ich danke dir“, sagte der Schotte, indem er den Kopf in beide Hände stützte und sein Gegenüber aus halbgeschlossenen Augen ansah.

      „Ich will keinen Dank“, entgegnete Stenmark. „Eine Erklärung wäre mir lieber. Übrigens haben wir einander noch nicht vorgestellt.“ Er nannte seinen Namen und fügte hinzu, daß er zur Crew des Kapitäns Killigrew gehöre, dessen Schebecke an der Towerpier liege.

      „Bist kein Englishman, was?“ sagte der Schotte. Er zog die Brauen hoch, ohne den schweren Kopf aus den Händen zu nehmen. „Das macht dich noch sympathischer. Bist ein richtiger Nordmann, stimmt’s?“

      Stenmark nickte. „Und du?“

      „Oh, entschuldige!“ Betroffenheit spiegelte sich in der Miene des Rotblonden. Er ließ die blutverkrusteten Hände auf die Tischplatte fallen und hob den Kopf. „Ich heiße Rufus Halpine.“

      „Nicht MacHalpine?“

      „Auf den Arm nehmen kann ich mich selber.“

      „Glaube ich. Wer ist Esther?“

      „Ein Engel in Menschengestalt, wenn du mich fragst. Aber …“ Er unterbrach sich und zögerte.

      „Aber was?“

      „Es gibt eine Menge Leute, die sie eher für eine Hexe halten.“

      Stenmark runzelte die Stirn. „Ich halte dir zugute, daß du noch nicht ganz an Deck bist. Sonst würdest du nicht solange in Rätseln sprechen.“

      Halpine grinste schief und verlegen. „Nimm’s nicht krumm, Mister Stenmark. Habe meine vier Sinne nicht ganz beisammen. Oder wieviel gibt’s davon?“

      „Schon möglich, daß dir einer fehlt.“

      Der Schotte schlug auf den Tisch, daß es krachte. Er wollte lachen, verzog aber im selben Moment schmerzerfüllt das Gesicht und hielt sich die schmerzende Faust. „Du bist richtig, Nordmann, goldrichtig.“ Er schnaufte wie nach einer unendlichen Mühe. „Ich kann dir sagen, wenn du nicht aufgekreuzt wärst, säße ich jetzt in irgendeinem stinkenden Loch, hinter einer verriegelten Tür, und würde nur noch jammern. Die Schweinehunde hätten mich garantiert halb totgeschlagen, ehe sie mich verschleppt hätten.“

      Stenmark nickte. Er sah ein, daß sein Gegenüber keine zusammenhängende Schilderung zustande brachte. Er würde abwarten müssen, bis die Frau zurückkehrte. Vielleicht erfuhr er dann, warum vier ausgewachsene Kerle auf einen wehrlosen Betrunkenen losgegangen waren. Sie hatten zweifellos nicht vorgehabt, ihn auszurauben. Denn nach einem lohnenden Objekt sah er nun wahrhaftig nicht aus.

      Stenmark ging zur Pumpe, die sich neben einem steinernen Trog befand. Er füllte zwei Mucks mit Wasser und trug sie zum Tisch.

      „Wie wäre es, wenn du dich ein bißchen säubern würdest?“ sagte er. „Könnte ja sein, daß es deinen Wunden guttut, nicht wahr?“

      Rufus Halpine trank einen Schluck Wasser, verzog angewidert das Gesicht und schob den Becher von sich.

      „Das erledigen die lieben Engel“, sagte er und verdrehte die Augen. Es sollte schwärmerisch aussehen, ließ jedoch eher befürchten, daß er in eine Ohnmacht wegkippen würde.

      Stenmark schüttelte den Kopf und schenkte es sich, weitere Fragen zu stellen. Er brauchte jedoch nicht mehr lange zu warten.

      Schon am Klang der leichtfüßigen Schritte hörte er, daß es nicht die Frau war, die sie in die Küche geführt hatte.

      Im nächsten Moment glaubte er, seinen Augen nicht mehr trauen zu können.

      Die Tür wurde behutsam geöffnet – geradeso, als befürchteten die Eintretenden, jemanden durch allzu forsches Verhalten zu erschrecken.

      Zwei junge Frauen waren es – sehr jung und ungewöhnlich hübsch.

      Stenmark ertappte sich nach langen Sekunden dabei, daß er den Mund nicht wieder zugekriegt hatte. Doch er konnte den Blick nicht von ihnen wenden: Beide trugen einfache Umhänge, die so aussahen, als wären sie aus Sackleinen geschneidert. Die triste Kleidung erniedrigte sie dennoch nicht zu grauen Mäusen.

      „Los, kommt schon!“ sagte die eine energisch. „Ihr müßt hier weg!“ Sie war schwarzhaarig und so rassig, wie man sich eine Spanierin oder eine Italienerin vorstellte.

      Stenmark glaubte, Atemzüge lang die Glut ihres Blickes zu spüren. Doch ihr Interesse für ihn mochte Einbildung sein, Wunschdenken vielleicht.

      Rufus Halpine erhob sich willig und tappte wie ein honigtrunkener Bär auf die Frauen zu. Die andere, die ihm beim Arm nahm, hatte mittelblondes Haar und braune Augen. Auch sie war auf ihre Weise eine Schönheit, wirkte allerdings etwas kühler als ihre Gefährtin.

      „Und du?“ herrschte die Schwarzhaarige den Schweden an. „Brauchst du eine Extra-Einladung?“

      Schon in der Tür, wandte sich Halpine um und grinste bis zu den Ohrläppchen. „Mann, auf was wartest du, Mac? Wir kriegen ein trockenes Quartier für die Nacht, sie versorgen deine Schrammen und Beulen, und morgen gibt’s ein Frühstück – ein Frühstück, sage ich dir! Ein Frühstück …“

      Brabbelnd schwärmte er noch im Korridor von der Morgenmahlzeit, während ihn die Braunäugige schon energisch hinausschob.

      Stenmark wollte erklären, daß er eine trockene Unterkunft und alle anderen Vorzüge an Bord der Schebecke habe. Daß er keine mildtätige Hilfe brauchte. Daß er kein Säufer sei und nicht mit Rufus Halpine über einen Kamm geschoren werden wollte.

      Aber er sagte doch nichts davon. Seine Neugier war stärker. Er wollte nun endlich herausfinden, was es mit diesem merkwürdigen Geschehen auf sich hatte.

      Mit einem Lächeln reagierte er auf den Befehlston der Schwarzhaarigen. Und erneut mußte er staunen, als er sah, wie die Selbstsicherheit in ihrer Miene zerbröckelte.

      „Eine besondere Einladung von Ihnen würde mir sehr gut gefallen“, sagte er mit einer angedeuteten Verbeugung. „Aber in Anbetracht der Umstände verzichte ich diesmal noch darauf, Madam. Mein Name ist übrigens Stenmark. Es freut mich, Sie begleiten zu dürfen.“

      Die Reihe war an ihr, verdattert zu sein.

      „Ich bin Samantha Hogan“, erwiderte sie wie ungewollt und blinzelte verwirrt.

      Stenmark nickte ihr zu und ging an ihr vorbei. Er sah Halpine und die andere junge Frau am Ende des Korridors, zur jenseitigen Straße hin. Allem Anschein nach legten die beiden Helferinnen Wert darauf, daß die Frau, die die Männer in ihrem Haus aufgenommen hatte, nicht mit der Hilfsaktion in Verbindung gebracht werden konnte. Weder jene resolute Frau noch ihr Sohn, von dem sie gesprochen hatte, ließen sich blicken.

      Samantha Hogan und ihre Gefährtin führten die beiden Männer durch ein Labyrinth engster Gassen. Nicht einmal Pferdefuhrwerke hätten Platz gehabt. Stenmark erkannte, daß sie mit voller Absicht diese unauffällige Marschroute wählten. Sie wollten um keinen Preis auffallen.

      Es dauerte kaum mehr als zehn Minuten, dann erreichten sie eine breitere Gasse. Stenmark konnte das Straßenschild