Seewölfe - Piraten der Weltmeere 272. Davis J. Harbord

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Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 272
Автор произведения Davis J. Harbord
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954396696



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keinen Respekt entgegen. Sagen Sie, was Sie wollen, und dann verschwinden Sie wieder!“

      Die sieben spanischen Fischer hatten Augen und Mund offen. Der Corporal, offenbar ein alter Haudegen, denn er hatte Säbelnarben im Gesicht, grinste in seinen Schnauzbart und senkte den Kopf, um die Planken zu studieren.

      Der Teniente schnappte nach Luft und hatte Sprachstörungen, denn er brachte nur ächzende Laute heraus, die unverständlich waren.

      „Wie bitte?“ fragte Hasard.

      „Was – was haben Sie geladen?“ Jetzt hatte der Teniente Zuckungen im Gesicht und um den Mund, den er nach jedem Wort nach rechts zog, wobei auch sein Kopf folgte.

      „Das geht Sie doch wohl einen Dreck an“, erwiderte Hasard unwirsch. „Und hören Sie auf, Fratzen zu schneiden. Oder sind Sie krank?“

      „Nein!“ schrie der Teniente und zuckte weiter. „Be-bevor ich Sie pas – passieren lasse, ha-haben Sie die Hälfte Ihrer La-Ladung an-an die Festung Ca-Cadiz ab-abzuführen. Da-das ist eine O-o-o-order d-des Königs!“

      Hasard besah sich den Stotterer und sagte trocken: „Na, dann führen Sie mal ab, mein Guter. Ich wüßte nur nicht, was, denn ich habe nichts geladen. Falls ich aber doch was geladen hätte, müßte ich Sie sehr höflich auffordern, mir erst einmal diese Order des Königs zu zeigen. Ich kann nämlich zufällig lesen. Na, wo ist die Order?“

      Der Teniente war hochrot gewesen. Jetzt wurde er sehr blaß.

      „Co-colonel de-de Cano h-hat die Order“, stotterte er.

      Hasard schüttelte den Kopf und sagte tadelnd: „Bräuche sind das hier.“ Dann bohrte er weiter und fügte hinzu: „Gilt diese Order des Königs für alle spanischen Hafenstädte?“

      „Na-natürlich!“

      „Seit wann besteht die Order denn?“

      „Seit-seit zwei Jahren.“

      Hasard zog die Augenbrauen hoch.

      „Merkwürdig, merkwürdig“, sagte er und bluffte: „Wir haben vor etwa einer Woche Valencia verlassen, da war aber von dieser zwei Jahre alten Order nichts bekannt. Auch nicht in den Häfen, die wir auf der Reise hierher anliefen. Was sagen Sie jetzt, mein Guter?“ Hasard grinste voller Ironie. „Sie wollen doch nicht behaupten, daß eine Order unseres Königs über zwei Jahre braucht, bis sie in allen unseren Häfen bekannt geworden ist, wie?“

      Der Adamsapfel des Teniente stieg auf und nieder, sein Zucken hatte sich eher noch verstärkt, und um eine Antwort war er auch verlegen.

      Darum fuhr er jetzt den alten Morella an: „Wo – wo ist Ihr Schiff, Kerl?“

      „Abgesoffen“, sagte der Alte gallig. Er deutete auf Hasard. „Der Señor war so freundlich, uns an Bord zu nehmen.“

      „Sie – Sie wollen uns Ihren Fang unterschlagen!“ fauchte der Teniente. „Wo – wo haben Sie ihn versteckt? Heraus mit der Sprache, Kerl! Oder ich lasse Sie auspeitschen!“

      Hasard schob sich dicht vor den Teniente und sagte eisig: „Der Fang ist mit dem Zweimaster Señor Morellas untergegangen, dafür sind meine Männer und ich Zeugen. Er und seine Leute sind knapp dem Tode entgangen, haben ihr Schiff verloren, und da reden Sie von Unterschlagen und Verstecken. Eine Order, die angeblich vom König erlassen ist und seit zwei Jahren in Kraft sein soll, können Sie nicht vorweisen. Aber einen alten Fischer anbrüllen und mit der Peitsche drohen, das können Sie! Das Schicksal dieser Männer, die ihr Schiff und damit ihre Existenzgrundlage verloren haben, interessiert Sie einen Dreck! Wissen Sie, was ich glaube? Daß Ihr Colonel eine Raubsteuer erhebt, die er in seine eigene Tasche stopft. Und Sie mischen kräftig mit. Oder können Sie mir das Gegenteil beweisen? Dann tun Sie das. Ich schätze, daß ich da lange warten kann. Und jetzt verschwinden Sie von meinem Schiff, ich kann Ihre Zuckungen nicht mehr mit ansehen. Bestellen Sie Ihrem Colonel, daß ihm Señor Morella nicht einen Fischschwanz mehr abliefern kann – ohne Schiff kein Fang, nicht wahr? Aber vielleicht ist Ihr Colonel ein Mann mit Herz und sorgt dafür, daß Señor Morella und seiner Mannschaft ein neues Schiff zur Verfügung gestellt wird. Das würde mich freuen und davon überzeugen, was für ein honoriger Mensch Ihr Colonel ist.“ Hasard deutete zum Backbordschanzkleid: „Bitte sehr, Señor Unbekannt oder ohne Namen. Sie haben uns lange genug aufgehalten!“

      Der Teniente gehorchte, als hätte er Prügel erhalten. Der Corporal folgte ihm, und als er an Hasard vorbeiging, zwinkerte er ihm zu. Hasard zwinkerte zurück. Siehe da, auch unter den Dons gab es immer wieder Menschen, richtige Menschen, keine aufgeblasenen Hüpfer wie diese Tenientefiguren.

      Die Leinen wurden gelöst und das Wachboot abgestoßen. Hasard wartete, bis es Kurs auf die Anleger des Küstenforts nahm.

      „Das könnte Ärger geben“, brummte Big Old Shane neben ihm.

      „Vielleicht“, sagte Hasard.

      Sie nahmen die Segel aus dem Gei und steuerten auf die Flußmündung zu. Der alte Morella ging ans Ruder, weil er die Sandbänke und Untiefen in dieser Ecke so gut kannte wie seine eigene Hosentasche. Sein Ledergesicht hatte jetzt tausend und noch mehr Falten – denn er grinste.

      „O Madonna“, murmelte er, „das ist ein Feiertag, wie ich ihn mir immer gewünscht hatte.“

      Und seine Familien-Crew grinste breit, genau wie der Alte.

      „Feiertag?“ fragte Hasard. „Wieso?“

      „Weil Sie’s dem Mistkerl gegeben haben“, sagte der Alte, „und zwar mit Verstand! Wir hätten nie gewagt, die Order des Königs anzuzweifeln – wir können ja auch nicht lesen. Ah! Ich könnte Sie küssen, Señor Killigrew!“ Und der Alte schmatzte einen Kuß, einen Luftkuß in Richtung Hasards. „Diesem Scheißkerl de Rotta hat’s doch glatt das Maul verrissen.“ Und der Alte kicherte.

      „De Rotta?“ fragte Hasard verdutzt.

      „Ja, so heißt der Kerl.“ Der Alte nickte. „Hat noch ’n Bruder, auch Teniente, aber bei der Flotte und hier in Cadiz stationiert. Der ist noch schlimmer, obwohl er jünger ist. Vater ist Admiral. Mag ja sein, daß der was taugt, aber seine Söhne sind schlimmer als Dreck.“

      Du meine Güte, dachte Hasard erschüttert, da hast du einen wüsten Bock geschossen. Wenn dieser Marine-Teniente nach Cadiz zurückkehrte und seinem Armee-Bruder von seinen „Heldentaten“ berichtete, dann war kein „Feiertag“ mehr. Dann rappelte es, aber bevor es rappelte, mußten die Arwenacks zusehen, aus dieser Ecke zu verschwinden, und zwar „hopp-hopp“, wie sich der alte Carberry ausdrücken würde.

      Neben Hasard hatte Big Old Shane wohl den gleichen Gedankengang vollzogen.

      Er sagte nur knapp: „Ach du große Scheiße!“

      Hasard kratzte sich hinter dem Ohr. Das war genau auch seine Meinung, aber so drastisch wollte er das nun auch nicht ausdrücken.

      Aber er hielt es für richtig, den alten Morella und seine Familien-Crew darüber aufzuklären, was sich bei Kap Trafalgar zugetragen hatte. Die kamen aus dem Grinsen nicht mehr heraus.

      Da war also dieser verwegene Engländer, dieser Riese mit den eisblauen Augen und dem wilden Freibeutergesicht, das eine Narbe zierte, vor Cadiz aufgetaucht, hatte zwei Vorpostenschiffe zu den Fischen geschickt und eins lädiert, und diesen verdammten Marine-de-Rotta hatten sie alle zurechtgestutzt, wie es noch nie jemand gewagt hatte.

      Das war wirklich ein Feiertag.

      Hasards Bedenken wischten sie über Bord. Niemand würde die Tartane finden, auch wenn der Armeede-Rotta erklärte, die Tartane sei in die Mündung des Guadalete eingelaufen.

      So geschah es, daß die Tartane in einen Nebenarm des Guadalete bugsiert wurde, der ausschließlich von Sumpf und Schilf umgeben war. Und sie taten ein übriges, indem sie den Pfahlmast umlegten und das Oberdeck der Tartane unter gekappten Schilfgräsern versteckten. Wahrscheinlich hätte nicht einmal ein Vogel aus der Luft die Tartane entdeckt. Und der Zugang zu dem Nebenarm, der tatsächlich nur auf dem Wasserweg zu erreichen war,