Seewölfe - Piraten der Weltmeere 98. Kelly Kevin

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Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 98
Автор произведения Kelly Kevin
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954394227



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großen, hageren Mann mit einem schmalen Raubvogelgesicht, in dem die dunklen Augen fanatisch glühten. Der Bursche sah ganz so aus, als werde er eine regelrechte Treibjagd auf seine Landsleute veranstalten. Wenn Carlos Ingarra diesem Kerl in die Hände fiel, hatte er nichts mehr zu lachen.

      „Und was tun wir inzwischen?“ fragte Dan O’Flynn begierig. „Zuschauen oder mitspielen?“

      „Mitspielen?“ fragte Carberry. „Dir hat wohl die Sonne zu lange auf deinen blöden Schädel geschienen. Sollen wir die verdammten Dons vielleicht daran hindern, sich gegenseitig abzumurksen?“

      „Nein! Beim Abmurksen mithelfen“, sagte Dan.

      „Gegen eine dreifache Übermacht?“ fragte Ben Brighton mit hochgezogenen Brauen. „Und dann auch noch ohne jede Notwendigkeit?“

      „Als ob wir zum erstenmal gegen eine Übermacht …“

      „Wenn sie uns entdecken, brauchen sie nur noch unsere Boote zu Kleinholz zu verarbeiten und können in aller Ruhe die ‚Isabella‘ kapern. Wir müssen entweder heimlich verschwinden oder abwarten, bis die Spanier abziehen – geht das nicht in deinen Schädel?“

      „Wobei es im Augenblick ziemlich ausgeschlossen sein dürfte, heimlich zu verschwinden“, setzte Hasard hinzu.

      „Und was, zum Teufel, tun wir dann?“

      Der Seewolf lächelte leicht. Dans Hitzköpfigkeit hatte während der Gefangenschaft bei den Meuterern offenbar nicht den leisesten Dämpfer erhalten.

      „Ob du’s glaubst oder nicht, wir verstecken uns“, sagte der Seewolf trocken. „Und zwar in der Höhle über dem Lager der Spanier. Dort können wir uns dann immer noch überlegen, was wir unternehmen.“

      2.

      Der schwarze Segler hatte auch den zweiten knüppelharten Sturm ohne größere Schäden überstanden.

      Nach Meinung Thorfin Njals und der Roten Korsarin war er dabei allerdings so weit nach Westen geraten, daß er die beiden geheimnisvollen Inseln längst passiert haben mußte. In der pechschwarzen Sturmnacht hatten sie kaum die Hand vor Augen sehen können, aber sie waren überzeugt, daß die Inseln achteraus geblieben waren und sie sie jetzt im Osten suchen mußten. Mit halbem Wind segelte das schwarze Schiff südwärts.

      Im Ausguck beobachtete Hilo die Kimm für den Fall, daß sich noch einmal die verlotterte spanische Galeone mit dem Namen „Maria Mercedes“ zeigen sollte.

      Der Wikinger grinste, als er über die Kuhl zum Achterkastell stampfte. Er war von Anfang an in dieses Schiff vernarrt gewesen, und es befriedigte ihn immer wieder von neuem, zu sehen, wie ausgezeichnet es sich bewährte. Nicht umsonst hatten es die Chinesen „Eiliger Drache über den Wassern“ genannt. Der schwarze Segler war schnell und stark, und er würde sie sicher in jenes geheimnisvolle Land bringen, das Siri-Tongs Heimat war und das den Seewolf mit geradezu magischer Anziehungskraft lockte.

      Thorfin Njal klopfte an die Tür der Kapitänskammer, bevor er eintrat.

      Siri-Tong hob den Kopf und lächelte flüchtig. Ihre dunklen Mandelaugen waren zusammengekniffen. Im Licht der blakenden Öllampe saß sie über eine Karte gebeugt, eine ganz bestimmte, vom Alter vergilbte Karte, die sie sonst nicht benutzten, da sie mehr Schnörkel und Verzierungen aufwies als genaue Angaben.

      Jetzt tippte Siri-Tong auf eine bestimmte Stelle. Verhaltene Erregung lag auf ihren Zügen. „Schau dir das an, Thorfin!“

      Der Winkinger runzelte die Stirn, schloß die Tür hinter sich und beugte sich über den Tisch.

      Siri-Tongs Finger zeigte auf eine der beiden Inseln, die sie bereits auf den anderen Karten entdeckt hatten. Aber hier auf dem vergilbten Pergament war die Insel nicht einfach als Punkt in der endlosen Weite des Meeres eingetragen. Eine kleine, kunstvoll ausgeführte Zeichnung markierte ihre Lage. Eine Zeichnung, die die Linien von Buchten und Landzungen zeigte – und daraus hervorwachsend ein halbes Dutzend eigentümlich unproportioniert wirkender menschlicher Figuren, von denen nur Köpfe und Oberkörper abgebildet waren.

      „Hmm“, brummte der Wikinger.

      „Für was hältst du es?“ fragte Siri-Tong. „Vielleicht für Steinfiguren?“

      „Möglich. Auf was willst du hinaus?“

      „Steinfiguren, Thorfin! Wenn die Zeichnungen auch nur halbwegs der Wirklichkeit entsprechen, müssen es sehr große Figuren sein. Steinerne Riesen! Erinnerst du dich nicht an das, was uns Hasard über das Abenteuer auf Jamaica erzählt hat?“

      Der Wikinger erinnerte sich vor allem an den Bericht über den Kampf mit der spanischen Galeone, an den Capitan Raffael Virgil, der vor den Augen der Seewölfe tot zusammengebrochen war, Opfer eines geheimnisvollen Zaubers. Aber auch von der Schatzkarte hatte Hasard erzählt, von jener geheimnisvollen Insel, auf der der Vater des Schiffsjungen Bill vor Jahren eine Kiste mit Gold und Edelsteinen vergraben hatte.

      Thorfin Njal runzelte die Stirn. „Du meinst, das könnte diese merkwürdige ‚Insel der Steinernen Riesen‘ sein?“

      „Warum nicht? Die Chinesen haben die Dinger ja nicht umsonst eingezeichnet. Auf der zweiten Insel gibt es allem Anschein nach nur nackte Felsen.“

      Der Wikinger kratzte ausgiebig an seinem Kupferhelm. Ein paar Sekunden starrte er auf die Karte, dann nickte er.

      „Stimmt“, sagte er. „Und wenn das da wirklich diese Steinernen Riesen sein sollen, dann wissen wir jetzt wenigstens, wo wir die ‚Isabella‘ suchen müssen.“

      Siri-Tong nickte nur.

      Genau das war es. Solange unter Umständen beide Schiffe auf der Suche nach dem jeweils anderen im Pazifik herumkreuzten, konnte es lange dauern, bis sie wieder aufeinander stießen. Aber wenn Sturm und Abdrift sie tatsächlich in die Nähe der „Insel der Steinernen Riesen“ verschlagen hatte, würde nichts die Seewölfe daran hindern, dort vor Anker zu gehen und nach Bills Schatz zu suchen.

      „Versuchen wir’s“, sagte die Rote Korsarin ruhig. „Wenn die Karten auch nur halbwegs stimmen, müßten wir die Insel eigentlich bis morgen gefunden haben.“

      Kanonendonner!

      Zwei der drei spanischen Galeonen umsegelten die Insel und schossen systematisch auf alles, was sich bewegte. Immer wieder donnerten Steinschläge nieder, polterten größere Felsbrocken, die sich gelöst hatten. Morgen bei Tageslicht würde man die Insel Sala-y-Gomez vermutlich nicht wiedererkennen.

      „Hoffentlich lassen die unsere Boote heil“, brummte Ed Carberry, während er sich vorsichtig um eine scharfkantige Felsennase herumschob.

      „Diese Idioten scheinen die ganze Insel in Stücke schießen zu wollen“, sagte Matt Davies pessimistisch. „Verdammt noch mal, haben die denn gar keine Angst, ihre eigenen Leute zu treffen?“

      „Wahrscheinlich wissen sie, daß ihre eigenen Leute hier auf der Nordseite am Strand bleiben, bis das Geballer aufhört. Ich denke …“

      Ben Brighton kam nicht mehr dazu, den anderen zu erklären, was er dachte. Zufällig war sein Blick nach rechts über das verlassene Lager der Meuterer gewandert, jetzt ließ sein leiser Warnruf auch Hasard, Big Old Shane und Ferris Tucker die Köpfe wenden.

      Ein Spanier raste über den freien Platz zwischen den Hütten.

      Er stolperte, fing sich wieder und hetzte weiter, als sei der Teufel selber hinter ihm her. Sein Blick hing an einer Stelle auf halber Höhe des Hangs. Ganz offensichtlich plante er, sich in die Höhle hinter dem zerzausten Rankenvorhang zu retten – doch dieses Versteck hatten die Seewölfe schon für sich reserviert.

      „Batuti schickt Spanier schlafen“, gab der riesige Gambia-Neger bekannt.

      Dabei bückte er sich bereits, hob einen handlichen Stein auf, holte aus und zielte.

      Der Stein wirbelte durch die Luft.

      Präzise traf er den Kopf des Spaniers.