Seewölfe - Piraten der Weltmeere 122. Fred McMason

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Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 122
Автор произведения Fred McMason
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954394463



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verrecken lassen. Ihr seid durch tausend Höllen gegangen. Hilf ihm! Gib ihm etwas zu trinken!

      Virgil ließ sich auf die Knie fallen und starrte in das aufgedunsene dreckige Gesicht des Mannes.

      Helfen! Hatte das noch einen Sinn? Der Steuermann würde es doch nicht überleben. Weshalb sollte er den kostbaren Saft mit ihm teilen.

      „Grins nicht so!“ fuhr er ihn an, doch dann hatte die andere innere Stimme gesiegt.

      Mühsam, fluchend und schwitzend, schleppte er den Mann zu der Palme hin und drückte sein Gesicht an den Stamm, hielt ihn im Genick fest und drückte.

      Antonio hieb in wilder Gier die Zähne in den Stamm, seine Lippen preßten sich darauf, er stöhnte leise.

      Als Virgil ihn losließ, fiel er zurück in den Sand.

      Etwas später, die Sonne stand jetzt senkrecht am Himmel, brach das Messer ab.

      Virgil starrte es ungläubig an, lachte heiser und begann am ganzen Körper zu zittern.

      „Das darf nicht sein“, stammelte er, „Madonna, gib, daß es nicht wahr ist!“

      Ein kleiner scharfkantiger Stumpf ragte nur noch aus dem Heft.

      Zuerst wollte der spanische Seemann aufgeben, aber der Palmensaft hatte doch seine Lebensgeister geweckt und ihn ermuntert.

      Diablo, vielleicht geht es auch mit diesem Stumpf hier, überlegte er. Er brachte es nicht fertig, sich einfach hinzulegen und auf das Ende zu warten. Er wollte kämpfen, solange noch ein winziger Funke Leben in ihm war.

      Nachts wurde es unangenehm kühl. Tagsüber war die Hitze nicht zum Aushalten gewesen, doch jetzt kroch eisige Kälte durch Virgils Körper.

      Er hockte vor der Palme, wiegte seinen Oberkörper und stieß den Messerstumpf rhythmisch in das faserige Holz. Immer wieder hieb er zu, bis der Mond über dem Wasser stand und silbrige Muster auf die kleinen Wellen zeichnete.

      Ein paarmal schlief er vor Erschöpfung ein. Wenn er dann erwachte, rasten heiße und kalte Wellen durch seinen Körper. Fieber, dachte er, das Fieber hat mich gepackt, deshalb friere und schwitze ich abwechselnd, denn in diesen südlichen Breiten wurde es nachts gar nicht kalt.

      Als der Morgen über dem Meer heraufdämmerte, erwachte Virgil schweißgebadet. Alpträume hatten ihn geplagt. Wilde waren hinter ihm hergelaufen und hatten versucht, seinen Kopf abzuhacken, wie sie es bei den anderen getan hatten.

      Fieber schüttelte ihn. Er biß die Zähne aufeinander und fror erbärmlich.

      Dann sah er nach dem Steuermann, blickte in die grinsende Fratze, sah die offenen Augen, die blicklos in den Himmel starrten, und wußte, daß Antonio kein Wasser mehr brauchte.

      Der Steuermann war tot. Virgil befand sich jetzt allein auf einer winzigen Insel irgendwo in der Nähe der Insel Kalimantan.

      „Eine Toteninsel“, sagte er kichernd. Dann deutete er mit dem ausgestreckten Finger auf den toten Antonio.

      „Du hast dich davongeschlichen“, sagte er anklagend, „bist einfach abgehauen. So einfach hast du dir das gemacht!“

      Er befand sich in einem merkwürdigen Zustand zwischen Schlafen und Wachsein, einem Halbdämmer, das die Konturen der Insel verzerrte, das den Toten mitunter hoch in den Himmel zu heben schien. Manchmal stand auch die ganze Insel auf dem Kopf oder schwebte zwischen weit entfernten Wolken am Horizont dahin.

      Dann wankte er über die Insel, durchquerte sie, lief am Strand entlang und suchte erneut nach Wasser oder Tieren.

      Aber auf der kleinen Insel gab es keine Tiere. Kein Vogel war zu sehen, nichts regte sich zwischen den kleinen Pflanzen.

      Er war allein in einer unwirklichen Stille, allein mit Antonio, der sich so heimlich davongeschlichen hatte. Vielleicht bin ich der einzige Mensch auf der Welt, dachte er, wenn er einen lichten Augenblick hatte.

      Immer wieder irrte er umher, blickte sehnsüchtig zu den Kokosnüssen und kratzte mit dem abgebrochenen Messer weiter am Stamm der Palme.

      Am dritten Tag hatte er es immer noch nicht geschafft. Der Stamm war teilweise zerfetzt, aber er fiel nicht um, und er gab auch nur noch ein paar Tropfen von dem Saft her, der sein Leben rettete.

      Müde, mit knurrendem Magen erklomm er die kleine Erhebung der Insel und blickte sich aus glanzlosen Augen um.

      Wasser, wohin das Auge sah. Wasser, auf dem goldene Strahlen tanzten, das von silbrigen Wellen glitzerte, Wellen so klein wie krause Haare.

      Ein Schreck durchzuckte ihn plötzlich, als er das Schiff sah.

      Es lief mit vollen Segeln aus nördlicher Richtung genau auf die Insel zu. Es war ein Dreimaster, der eine mächtige Bugwelle vor sich herschob. Und die Segel waren so prall vom Wind gefüllt, daß die Masten sich unter dem Druck bogen.

      Es ging nur kein Wind, überlegte Virgil. Wie konnte das Schiff also so schnell segeln?

      Mit klopfendem Herzen lief er zum Strand hinunter und wartete. Doch als er einmal einen Blick auf Antonio warf und dann wieder zum Meer blickte, war das Schiff verschwunden.

      Er konnte es nicht glauben, suchte wieder den Hügel auf, sah nach allen Himmelsrichtungen. Nichts, es gab kein Schiff, es hatte nur in seiner Phantasie existiert, oder er war einem Trugbild zum Opfer gefallen.

      In der Nähe der Palme lag ein ekelhafter süßlicher Geruch in der Luft, der sich wie eine Wolke am Boden ausgebreitet hatte.

      Sein leerer Magen drehte sich um, es würgte ihn, und als er ein paar Schritte in Antonios Richtung ging, wußte er, woher der ekelhafte Geruch stammte. Die Sonne zersetzte Antonios Körper.

      Apathisch aß er von den Fasern des Palmenstammes, kaute sie und schlang sie hinunter. Danach ging er wieder an die Arbeit, aber der Geruch wurde immer unerträglicher.

      Er hielt es schließlich nicht mehr aus, so übel wurde ihm, aber er konnte diesen Platz auch nicht verlassen, denn nur hier hingen die halbreifen Kokosnüsse.

      Also mußte Antonio weg.

      Es kostete ihn außer Kraft auch Überwindung, den toten Steuermann an den Armen zu packen und ihn ins Wasser zu schleifen. Dabei hatte Antonio immer noch dieses höhnische Grinsen im Gesicht, als lache er ihn aus.

      Erst im Wasser wurde der Körper leichter. Virgil ging so weit mit ihm hinaus, bis er nicht mehr stehen konnte. Dann ließ er den Steuermann treiben, der auch gleich unterging.

      Jetzt konnte er seine mühevolle Arbeit fortsetzen, doch kaum hatte er den Strand erreicht, als er Getümmel im Wasser sah. Um die Stelle, an der Antonio versunken war, huschten Schatten hin und her.

      „Haie“, sagte er heiser. „Gott sei deiner armen Seele gnädig, Steuermann!“

      Bis zum Abend hatte er es immer noch nicht geschafft, die Palme zu fällen, und so gab er es für heute auf. Morgen würde der Stamm stürzen, er schwankte jetzt schon, wenn man an ihm rüttelte.

      Doch in dieser Nacht fand Virgil nur wenig Schlaf und warf sich alle Augenblicke unruhig hin und her. Er hatte Angst, denn er sah, wie der Steuermann wieder an den Strand zurückkehrte und dicht am Wasser liegenblieb. Ein Bein und der rechte Arm fehlten.

      Auch am nächsten Morgen lag er noch so da, und Virgil verfluchte ihn und die Haie, die es nicht geschafft hatten, ihn draußen zu behalten.

      Verbissen nahm er sich wieder den Stamm vor. Der Durst ließ ihn halb wahnsinnig werden, an den nagenden Hunger dachte er nicht mehr. Nur einen Schluck Wasser, einen winzigen nur, so betete er ständig vor sich hin.

      Gegen Mittag schrie er vor Freude laut auf. Im Stamm war ein hartes Knakken zu hören, die Palme neigte sich und stürzte dann in den Sand.

      Virgil fühlte sich wie neugeboren, als er zu dem großen Wedel rannte und wie ein Irrer, laut kreischend, grüne Kokosnüsse abriß. Er warf sie in die Luft, tanzte herum und lachte, riß immer wieder die Arme hoch und gebärdete sich wie toll.

      Mit