Seewölfe - Piraten der Weltmeere 46. Burt Frederick

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Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 46
Автор произведения Burt Frederick
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954393633



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des alten Killigrew die Stimme des Schiffskochs täuschend echt imitierte. Sullivan konnte indessen jenes tiefe Mißtrauen nicht überwinden, das in ihm wurzelte, seit er begriffen hatte, zu welchen Raffinessen Sir John fähig war.

      Deshalb ließ sich der Bootsmann der „War Song“ nicht so ohne weiteres überzeugen. Aus einer plötzlichen Eingebung heraus schloß er eine Frage ab.

      „He, Sharkey! Sag mir, wie deine Frau heißt!“

      Einen Moment blieb es still. Rufus, Canter und Walker nickten anerkennend. Sie hatten begriffen, daß Sullivan diesmal nicht im Traum daran dachte, dem alten Killigrew auf den Leim zu gehen.

      Aus der Vorpiek erscholl ein Lachen.

      „Soll das ein Witz sein, Bootsmann? Du weißt verdammt genau, daß ich nicht verheiratet bin.“

      Sullivan wußte nicht sofort eine Antwort.

      „Hm ...“

      Plötzlich tippte David Walker ihm auf die Schulter. Sullivan drehte sich um. Er war drauf und dran, aufzugeben, denn er kam nicht darauf, daß der Mann in der Vorpiek genau wußte, daß Sharkey unverheiratet gewesen war. Schließlich fuhren Sir Johns und Sullivans Leute seit Plymouth zusammen auf der „War Song“, und sie hatten des öfteren Gelegenheit gehabt, sich über persönliche Dinge zu unterhalten.

      „Mir fällt da was ein“, flüsterte David Walker. „Ich habe heute morgen mit Sharkey geredet. Und zwar über den alten Halunken und sein feines Söhnchen. Er müßte also noch genau wissen, was er gesagt hat.“

      „Gut“, gab Sullivan ebenso leise zurück. „Dann frag ihn.“

      „Hör mal, Sharkey, alter Junge!“ rief Walker. „Erinnerst du dich, über was wir heute morgen gesprochen haben? Weißt du noch, wie du Sir John genannt hast?“

      Wieder blieb es sekundenlang still.

      Sullivan, Canter und Rufus blickten Walker fragend an.

      „Der größte Hurenbock von Cornwall“, flüsterte Walker augenzwinkernd. „So hat Sharkey ihn genannt.“

      Die Antwort aus der Vorpiek ließ diesmal länger auf sich warten.

      „Ich – ich habe gesagt“, stotterte der angebliche Koch schließlich, „daß – daß Sir John ein feiner Kerl sei.“

      Die Erkenntnis traf Sullivan und seine Begleiter wie ein Faustschlag.

      „Los jetzt!“ rief der Bootsmann zischend, und im nächsten Moment stürmte er auch schon auf das offene Schott zu.

      Canter, Rufus und Walker folgten ihm mit nur zwei Schritten Abstand.

      Sullivan schnellte mit einem Sprung voraus und hechtete flach in den Mittelgang zwischen den angeketteten Gefangenen.

      Ein lästerlicher Fluch scholl ihm entgegen.

      „Verdammter Bastard!“ brüllte Sir John.

      Er feuerte seine Pistole in dem Moment ab, als Sullivan vor dem gußeisernen Suppenkübel in die Waagerechte ging.

      Die drei Gefährten des Bootsmannes reagierten schnell genug und wichen blitzartig von dem offenen Schott zurück.

      Die Kugel richtete keinen Schaden an.

      Noch im Nachhall des donnernden Schusses schnellte Sullivan wieder hoch, sprang über den Kübel und sah die schattenhaften Umrisse Sir Johns im dunkleren Teil der Vorpiek.

      Der alte Killigrew stieß einen Wutschrei aus und schleuderte dem Bootsmann die leergeschossene Pistole entgegen.

      Sullivan spürte, wie die Waffe haarscharf an seinem rechten Ohr vorbeizischte, und das stachelte seinen Zorn nur noch mehr an. Hinter sich hörte er die polternden Schritte von Canter, Rufus und Walker. Sie würden die Gefangenen unter Kontrolle halten, kein Zweifel. Wahrscheinlich hatten sie auch ihre Pistolen klar, um die Lage mit dem nötigen Nachdruck in Ordnung zu bringen. Sullivan konnte sich also ausschließlich auf den alten und den jungen Killigrew konzentrieren.

      Und hol’s der Teufel, das hatten die beiden Strolche mehr als verdient.

      Sir John versuchte, sich trotz seiner Ketten zur Wehr zu setzen. Mit beiden Füßen trat er nach dem Bootsmann, der wie ein Ungewitter auf ihn losging.

      Aber Sullivan ließ sich nicht beirren. Wie eine Eiche im Wind trotzte er der verzweifelten Gegenwehr des alten Killigrew und verpaßte ihm mit seinen harten Fäusten den Denkzettel, den er wieder einmal so dringend brauchte.

      Die Niederlage und die Prügel, die er erst vor wenigen Tagen bezogen hatte, schien Sir John schon wieder vergessen zu haben. Sullivan gelangte zu der Überzeugung, daß der alte Halunke immer von neuem und regelmäßig mit der Nase ins Fett gestoßen werden mußte, damit er endlich begriff, daß er nicht unbesiegbar war.

      Sir John Killigrew schrie unter den Fausthieben des stämmigen Bootsmannes, der ihn schon einmal so sehr gedemütigt hatte. In den Schreien Sir Johns paarten sich ohnmächtige Wut und unendliche Verzweiflung.

      Neben ihm kauerte Simon Llewellyn angstschlotternd unter seinen Ketten. Sein Ferkelgesicht bebte, er verfolgte das Geschehen mit weit aufgerissenen Augen.

      Sullivan hörte nicht eher auf, bis der alte Killigrew unter seinen Hieben erschlaffte. Das heisere Geschrei Sir Johns versiegte, als ihn die Bewußtlosigkeit wegraffte.

      „Nein, nein!“ schrie Simon Llewellyn. „Hau ab, du verdammter Hurenbock! Du wirst es nicht wagen, dich an mir zu vergreifen! Ich schwöre dir, du wirst dafür büßen! Ich werde dafür sorgen, daß du zur Rechenschaft gezogen ...“

      Seine Worte gingen in einem Gurgeln unter, als Sullivan sich vorbeugte, ihn am Kragen packte und zu sich heranzog, so weit es die Ketten erlaubten.

      „Selbst wenn dir noch mehr nette Worte einfallen“, sagte der Bootsmann mit gespielter Freundlichkeit, „behalt sie besser für dich. Ich bin ein verständnisloser Mensch, Söhnchen. Allerdings nur, wenn es sich um Leute von deiner dreckigen Sorte handelt.“

      Simon Llewellyn ächzte, zappelte und wand sich, aber es gelang ihm nicht, auch nur den Versuch einer Gegenwehr zu unternehmen. Den Bärenkräften des stämmigen Sullivan hatte er nicht das Geringste entgegenzusetzen.

      Sullivan stieß ihn von sich weg, daß er mit dem Rücken auf die Planken krachte. Und bevor Simon Llewellyn sich aufrappeln konnte, beförderte er ihn mit einem einzigen gutgezielten Hieb ins finsterste Traumland.

      Mit einem letzten Seufzer sank der Ferkelgesichtige in sich zusammen und rührte sich nicht mehr.

      Sullivan drehte sich angewidert um und wischte sich die Hände an der Lederweste ab.

      Canter, Rufus und Walker standen im Mittelgang und hielten die Angeketteten mit den Pistolen in Schach.

      „Besser, ihr seid vernünftig“, sagte Sullivan und nickte. „Es würde euch sonst nicht anders ergehen als diesen beiden Halunken, die eure Anführer sind.“

      Keiner der Gefangenen gab eine Antwort. Sie senkten die Köpfe, als der Bootsmann herausfordernd in die Runde blickte.

      Sullivan sah den toten Koch im Halbdunkel, und seine Kehle schnürte sich zusammen. Himmel, er hatte eine Menge Tote gesehen in seinem Leben. Aber was sie Sharkey angetan hatten, das war einfach grauenhaft.

      Im ersten Moment verspürte Sullivan den Drang, die Kerle allesamt kielholen zu lassen – und zwar so lange, bis sie damit herausrückten, wer Sharkey totgeschlagen und wer Hornblow erschossen hatte.

      Aber der Bootsmann entschloß sich, darauf zu verzichten. Es würde zuviel Zeit dabei draufgehen. Gewiß, er hatte zwei seiner besten Männer verloren, und die Stammcrew war damit auf elf Mann zusammengeschmolzen. Aber Hornblow und Sharkey wurden durch eine Vergeltungsmaßnahme nicht wieder lebendig. Deshalb war es wichtiger, die Suche nach der „Isabella“ umgehend fortzusetzen. Wer wußte denn, welche Horden von habgierigem Pöbel bereits auf der Spur des Beuteschiffes waren?

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