Homilien über den Brief an die Hebräer. Johannes Chrysostomos

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Название Homilien über den Brief an die Hebräer
Автор произведения Johannes Chrysostomos
Жанр Документальная литература
Серия Die Schriften der Kirchenväter
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783849660178



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sein Dasein durch sich selbst, und wiederum weiß ich nicht, wie ich mir Das denken soll. Es gibt nun aber auch Dinge, die wir nicht ausdrücken können; so z. B. erkennt der Verstand Etwas, wofür ihm jedoch der Ausdruck versagt ist. Und damit du dich überzeugest, daß hierin auch Paulus noch schwach ist und seine Ausdrucksweise der Vollendung entbehrt, und damit du selber erbebest und dich nicht weiteren Grübeleien hingibst, so merke auf! Nachdem er ihn Sohn genannt und als Schöpfer hingestellt hat, was fügt er hinzu? „Welcher, da er der Abglanz feiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens ist.“ Das aber müssen wir mit frommem Sinne aufnehmen und alles Unstatthafte davon ausscheiden. „Abglanz der Herrlichkeit,“ sagt er. Siehe nun, wie er selbst Das versteht, und darum faß’ es auch du so, nämlich: daß er (der Sohn) aus ihm sei, daß er leidensunfähiger Natur, daß er nicht weniger noch geringer sei. Denn es gibt Manche, welche dem Ausdrucke „Abglanz“ eine abgeschmackte Bedeutung beilegen. Abglanz, sagen sie, hat in sich selber keinen Bestand, sondern hat den Grund seines Daseins nur in einem Anderen. Fasse also die Sache nicht so auf und leide nicht an der Krankheit des Marcellus und des Photinus. Gleich bietet dir Paulus das Mittel, daß du nicht jener Sinnesauffassung verfallest und dich nicht von jener verderblichen Krankheit erfassen lassest. Was sagt er weiter? „Und das Ebenbild seines Wesens.“ Durch diesen Zusatz zeigt er, daß, wie der Vater in sich selbst ist und besteht und zu seinem Sein und Bestehen keines Anderen bedarf, so der Sohn ein Gleiches besitze. Mit diesen Worten will er hier zeigen, daß keine Wesensverschiedenheit zwischen ihnen bestehe, daß das Ebenbild neben dem Urbilde Selbstbestand habe und selbstwesenhaft sei. Nachdem er oben gesagt hat, daß Gott durch ihn Alles erschaffen hat, spricht er ihm hier die Selbstherrschaft zu. Denn was fügt er bei? „Da er durch das Wort Alles trägt;“ damit wir daraus nicht nur die Ebenbildlichkeit der Wesenheit entnehmen, sondern auch die Selbstmacht, womit er Alles regiert. Sieh’ also, wie er Das dem Sohne zueignet, was dem Vater eigenthümlich zugehört! Darum sagt er auch nicht einfach: „Da er Alles trägt,“ noch auch: „durch seine Kraft,“ sondern: „durch das Wort seiner Kraft.“ Denn wie wir ihn früher allmählig sich erheben und wieder herabsteigen sahen, so steigt er auch jetzt stufenweise hinauf und wieder herab, indem er spricht: „Durch den er auch die Welt gemacht hat.“ Siehe, wie er auch hier zwei Wege einschlägt! Er will uns nämlich von den Neuerungen des Sabellius und Arius, von denen der Eine den Unterschied der Person aufhebt, der Andere die eine Natur in eine Ungleichheit zertrennt, ferne halten und widerlegt alle Beide vortrefflich. Wie macht er Das? Fortwährend bespricht er Eins und Dasselbe, damit man nicht glaube, er habe keinen Daseinsursprung, noch auch, er sei verschiedener Natur mit Gott dem Vater. Und staune nicht über diese Rede, mein Lieber! Denn wenn nach einer solchen Beweisführung dennoch Manche behauptet haben, er sei anderer Natur, und ihm einen anderen Vater gegeben haben, mit dem er im Streite stehe: was würden Diese von ihm erst ausgesagt haben, wenn Paulus Dieß alles nicht mitgetheilt hätte? Wenn er nun gezwungen ist, zu heilen, dann ist er auch genöthigt, Niedriges auszusagen, wie er z. B. sich ausdrückte: „Den er zum Erben des All gesetzt,“ und: „Durch den er die Welt gemacht hat.“ Und damit er andererseits nicht verletze, so erhebt er ihn, nachdem er Niedriges von ihm ausgesagt hatte, wieder auf die Stufe der höchsten Würde und zeigt, daß er mit dem Vater gleichgeehrt und zwar so gleichgeehrt sei, daß Viele der Ansicht waren, er sei der Vater selbst. Betrachte aber seine große Klugheit. Vorerst beweist er, und zwar mit Schärfe und Gründlichkeit, daß er Sohn Gottes und von Diesem keineswegs verschiedener Natur sei; und nachdem Dieß gezeigt worden, spricht er in der Folge jegliches Hohe, was er nur immer will. Und da er, weil er Großes von ihm ausgesagt hat, Viele zu jener Ansicht veranlaßte, so stellt er zuerst Niedriges hin und steigt dann mit Sicherheit zu jeglicher Hohe empor. Nachdem er gesagt hat: „Welchen er zum Erben des All gesetzt,“ und daß er durch ihn die Welt gemacht hat, fügt er hinzu: „Da er durch das Wort seiner Kraft Alles trägt;“ denn wer mit dem bloßen Worte Alles regiert, wird auch Niemandes bedürfen, um Alles zu Stande zu bringen.

       II.

      Daß Dieß sich also verhalte, erkenne aus dem Verlaufe der Rede, worin er ihm die Selbstmacht zuschreibt und auch die Worte: „durch welchen“ beseitigt. Denn nachdem er durch diese Worte, was er wollte, erreicht hat, ist im Folgenden keine weitere Rede davon, sondern es heißt: „Du hast im Anfang, o Herr, die Erde gegründet, und die Werke deiner Hände sind die Himmel.“ Nirgends finden sich hier die Worte: „durch welchen“, noch daß er durch ihn die Welt gemacht hat. Wie aber? Ist sie denn von ihm nicht gemacht? Allerdings, aber nicht, wie du sprichst oder vermuthest, daß er nämlich als Werkzeug gedient, oder daß er sie nicht gemacht haben würde, falls ihm nicht der Vater die Hand gereicht hätte. Denn so wie jener Niemanden richtet, und geschrieben steht, daß er durch den Sohn richte, weil er diesen als Richter gezeugt hat, so heißt es auch, er erschaffe durch ihn die Welt, weil er ihn als Weltschöpfer gezeugt hat. Wenn nämlich er selbst den Grund des Daseins im Vater hat, um wie viel mehr die Dinge, die durch ihn geworden sind! Wenn er nun zeigen will, daß er vom Vater ist, so spricht er nothwendig Unerhabenes aus; will er aber Erhabenes melden, so greifen Das Marcellus und Sabellius gierig auf; allein die Abirrung Beider vermeidet die Kirche und hält den Mittelweg inne, indem sie weder bei dem Unerhabenen stehen bleibt, damit nicht Paulus von Samosata Boden gewinne, noch immer bei dem Hohen verweilt, sondern neuerdings dessen niedere Seite zeigt, damit Sabellius sich nicht wieder geltend mache. Er sagte: „Sohn“, und alsbald stützte sich Paulus von Samosata darauf mit der Behauptung, er sei ein Sohn wie die vielen anderen; allein der Apostel versetzt ihm einen gemessenen Schlag, indem er den Sohn einen „Erben“ nennt. Aber er (Paulus von Samosata) und Arius verharren in ihrer Unverschämtheit, indem Beide den Ausdruck: „Er hat ihn zum Erben gesetzt“ festhalten, woraus Jener den Beweis der Schwäche führen, Dieser aber seinen Kampf auch noch gegen das Folgende fortsetzen will. In den Worten: „Durch den er auch die Welt gemacht hat“ hat Paulus jenen schamlosen Samosatener ganz und gar zu Boden gestreckt; Arius aber scheint noch Kampfeskraft zu besitzen. Aber siehe, wie er auch Diesen durch die Worte: „Welcher, da er der Abglanz seiner Herrlichkeit ist,“ darniederwirft! Allein es rüsten sich wieder zum Anlauf Sabellius, Marcellus und Photinus; jedoch auch Diesen allen versetzt er einen einzigen Schlag, indem er spricht: „Und das Ebenbild seines Wesens, welcher durch das Wort feiner Kraft Alles trägt.“ Hier versetzt er auch wieder dem Marcion einen wenn auch nicht sehr kräftigen Streich, jedoch er trifft ihn; denn durch den ganzen Brief streitet er gegen sie. Allein wie ich schon gesagt habe, nennt er den Sohn den „Abglanz seiner Herrlichkeit“. Daß diese Bezeichnung eine zutreffende sei, erschließe aus den Worten Christi, die er von sich selber aussagt: „Ich bin das Licht der Welt.“14 Darum nannte er ihn aber „Abglanz“, um zu zeigen, daß er auch dort so genannt sei, und zwar offenbar als ein Licht vom Lichte. Aber nicht allein Das wird gezeigt, sondern daß er auch unsere Seelen erleuchtet hat. Durch den Ausdruck „Abglanz“ aber zeigt er die Gleichheit der Wesenheit mit dem Vater und sein nahes Verhältniß zu ihm. Betrachte, wie scharfsinnig Das ausgedrückt ist! Er nimmt eine Wesenheit und eine Person, um zwei Personen zur Vorstellung zu bringen, was er auch in Bezug auf die Erkenntniß des heiligen Geistes thut. Denn wie er sagt, daß nur eine Erkenntniß des Vaters und des heiligen Geistes sei, die thatsächlich nur eine und ohne alle Verschiedenheit ist: so hat er auch hier nur eine Bezeichnung gewählt, um zwei Wesenheiten zu zeigen. Ferner fügt er bei: „und Ebenbild;“ denn das Ebenbild ist ein anderes neben dem Urbilde, aber es ist nicht ganz und gar ein anderes, sondern nur neben dem Urbilde, da denn auch hier die Bezeichnung „Ebenbild“ nicht nur keine Verschiedenheit mit dem Urbilde, sondern vielmehr eine allseitige Ähnlichkeit zeigt. Da er ihn nun gar „Gestalt und Ebenbild“ nennt, was werden sie sagen? „Der Mensch ist ja auch ein Bild,“ heißt es.15 Wie aber? etwa so wie der Sohn? Keineswegs; denn ein Bild zeigt noch keine Wesensähnlichkeit. Und doch wird der Mensch nur insoferne ein Bild genannt, als er eine Ähnlichkeit mit ihm zeigt, wie sie im Menschen stattfinden kann. Denn was Gott im Himmel ist, Das ist der Mensch auf der Erde, nämlich in Bezug auf die Herrschaft; und wie dieser über Alles auf der Erde gebietet, so regiert Gott Alles im Himmel und auf der Erde. Übrigens wird der Mensch nicht Abbild, nicht Abglanz, nicht Gestalt genannt, was die Wesenheit oder auch die Wesensähnlichkeit anzeigt. Wie nun die Gestalt des Menschen nichts Anderes erkennen läßt als einen natürlichen Menschen, so zeigt