Kalteiche. Ulrich Hefner

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Название Kalteiche
Автор произведения Ulrich Hefner
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839264423



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wie hießen unsere Kollegen, die hier bei Ihnen waren?«

      Mia Bröder öffnete die Schublade ihres Schreibtisches und kramte darin, ehe sie eine Visitenkarte hervorzog. »Kriminal­hauptkommissar Maier, Landeskriminalamt Hannover, Dezernat 3.« Sie reichte Lentje die Visitenkarte, die die Daten darauf in ihrem Block notierte. »Ich weiß ja, dass Sie nichts dafür können und nur Ihre Arbeit machen. Aber ich versuche hier ein Hotel zu führen und das alleine ist schon schwierig genug.«

      »Das war ein ganzes Paket mit Rauschgift?«, fragte Lentje.

      Mia Bröder nickte eifrig. »Ja, Ihr Kollege meinte, das kostet zwanzigtausend Euro, das Giftzeugs.«

      Lentje runzelte die Stirn. »Er hat Dörte nicht festgenommen?«

      »Sie musste mit aufs Festland, aber am Abend war sie wieder hier. Sie sagte, sie hätte nichts damit zu tun, aber das nehme ich ihr nicht ab. Die hat genau gewusst, was ihr sauberer Freund treibt. Ständig ist sie in neuen Klamotten herumgelaufen. Ich weiß, was so etwas kostet. Von dem Gehalt, das sie hier verdiente, konnte sie sich das nicht leisten. Um Gottes willen, nicht, dass wir schlecht bezahlen, aber das war lauter so Designerzeugs, da kostet alleine schon eine Jeans dreihundert Euro. Ich weiß das von meiner Tochter, die hat manchmal auch so komische Ideen. Sie sagt, das ist von Posen oder so ähnlich, irgendein wirrer Schneider, der es mit der Schere zu bunt treibt.«

      Olaf warf der Geschäftsführerin einen fragenden Blick zu. »Und dann ist Dörte abgereist?«

      Die Frau nickte. »Ja, das ist sie, sie hat geheult, aber das waren bestimmt nur Krokodilstränen. Haben Sie Eriksdorf schon gefasst?«

      Lentje schüttelte den Kopf. »Nein, leider nicht, ich dachte, Sie könnten uns weiterhelfen.«

      »Ich? Wieso ich? Na ja, wenn er hier in der Saison arbeitete, dann hat er hier gewohnt, im Gästehaus B, so wie alle Angestellten vom Festland, aber eigentlich kommt er aus Emden. Hat er Dörte etwas angetan?«

      Olaf winkte ab. »Das wissen wir noch nicht. Wann war er das letzte Mal hier?«

      »Vor vier Wochen, dann hatte er eine Woche Urlaub, da ist er nach Rotterdam gefahren und da haben ihn Ihre holländischen Kollegen erwischt, als er das Zeugs im Hafen kaufen wollte. Er ist geflüchtet, wurde uns gesagt.«

      »Und seitdem haben Sie ihn nicht mehr gesehen?«

      »Richtig.«

      »Gut, wenn er auftaucht …«

      »Ja, dann soll ich anrufen, das hat mir Ihr Kollege bereits gesagt.«

      Nachdem Lentje und Olaf das Zimmer der Geschäftsführerin verlassen hatte, ging Lentje noch einmal auf die junge Frau hinter dem Tresen zu und wartete, bis sie einen Kunden abgefertigt hatte. »Sie wissen über Dörte und Eriksdorf Bescheid?«

      »Dass sie zusammen waren, meinen Sie?«

      »Kannten Sie Dörte gut?«

      »Tja, was man so kennen nennt unter Kollegen. Weshalb fragen Sie?«

      »Dörte ist tot, sie wurde umgebracht, gestern im Haus ihrer Eltern.«

      Erschrocken schlug die junge Frau die Hände vor das Gesicht. »Das ist ja furchtbar, hat Gavin etwas damit zu tun?«

      »Das frage ich Sie.«

      Die junge Angestellte blickte zu Boden. Sie wirkte erschüttert. »Nein, das glaube ich nicht, Gavin ist … Ich … Dörte ist an allem schuld. Sie ist eine Hexe. Einmal hat sie gesagt, dass sie nicht ewig den Leuten hinterherräumen will, dass sie eines Tages diejenige sein wird, die sich von vorne bis hinten bedienen lässt. Sie hat Gavin nur ausgenutzt. Er war … Er hat … Er war ein anständiger Kerl.«

      »Was macht Sie so sicher?«

      »Ich … ich war … Sie … Dieses falsche Luder … Sie hat …«

      »Sie waren zuerst mit Gavin zusammen, richtig?«, fiel ihr Lentje ins Wort.

      Eine Träne kullerte über die Wange des Mädchens. »Ja«, sagte sie mit erstickter Stimme. »Sie hat ihn mir ausgespannt. Erst dann hat es mit den Drogen angefangen. Sie hat ihn dazu gebracht. Sie hat ihn bestimmt auch nach Holland geschickt, um Nachschub zu kaufen.«

      »Das wissen Sie oder das glauben Sie?«

      »Ich weiß es«, entgegnete die Angestellte bestimmt.

      »Dann wussten Sie auch von dem Drogenhandel?«

      »Nein, ich meine natürlich, ich weiß es, weil ich Gavin kenne.«

      »Haben Sie noch Kontakt zu ihm?«

      Das junge Mädchen schüttelte den Kopf. Irina stand auf dem Namensschild auf ihrer Jacke.

      »Könnte es sein, dass Gavin Dörte umgebracht hat?«

      »Auf keinen Fall!«, zischte Irina resolut.

      »Also gut«, entgegnete Lentje sanftmütig und reichte ihr eine Visitenkarte. »Zumindest steht er unter Verdacht. Und hier geht es nicht mehr um ein paar Gramm Rauschgift, sondern um Mord. Mit jedem Tag, an dem er auf der Flucht ist und sich vor der Polizei versteckt, wird es nur schlimmer. Sagen Sie ihm das, falls er sich zufällig bei Ihnen melden sollte. Er kann mich anrufen, egal ob Tag oder Nacht.«

      Ein Hotelgast kam auf das Empfangspult zu.

      Irina wischte sich die Tränen von der Wange. »Ich muss … arbeiten.«

      »Dann tun Sie das, und vergessen Sie nicht, er soll sich bei uns melden, bevor es für ihn zu spät ist.«

      Mit gespieltem Lächeln widmete sich Irina wieder dem Hotelgast, während Lentje zu ihrem Kollegen ging.

      »Was hältst du davon?«, fragte Olaf.

      »Stoff im Wert von zwanzigtausend Euro, das ist kein Pappenstiel. Das könnte durchaus ein Motiv für einen Mord sein.«

      »Ja, das glaube ich auch. Wir sollten mit diesem Maier vom LKA reden, bevor wir Trevisan informieren.«

      9

      Um sieben Uhr war er losgefahren. Es war ein trockener Tag und er war gut vorangekommen, bis ihn ein Unfall auf der A3 bei Rösrath ausgebremst hatte. Drei Lastwagen und ein Personenwagen waren ineinandergekracht, der Rettungshubschrauber war gelandet und die Strecke für beinahe zwei Stunden total gesperrt. Anschließend wurde der Verkehr einspurig an den Unfallfahrzeugen vorbeigeleitet. Ihn fröstelte, als er an dem vollkommen zerbeulten Wrack des Personenkraftwagens vorbeifuhr. Auf den ersten Blick war nicht mehr zu erkennen, um welche Marke es sich gehandelt hatte. Johannes Leußner bezweifelte, dass noch jemand lebend herausgekommen war.

      Beinahe vier Stunden verlor er durch den Stau und kurz vor der deutschen Grenze bei Basel ging es gerade so weiter. Sieben Kilometer Stau in Höhe von Neuenburg meldete der Sprecher im Radio. Gut, es war Freitag, das Wochenende in Sicht und der Verkehr nahm an diesem Tag erfahrungsgemäß zu, denn viele Menschen nutzten die freien Tage, um nach Hause zu fahren oder irgendwo auszuspannen. Es war kurz nach zehn Uhr in der Nacht, als er die Grenze passierte und seinen Laster auf einen Parkplatz kurz hinter Basel manövrierte. Über zwanzig Lastwagen parkten bereits dort, um das nächtliche Fahrverbot abzuwarten.

      Er packte seine Vesperbox aus und kramte aus dem Handschuhfach einen Umschlag hervor. Nachdem er sich seiner Schuhe entledigt hatte, zog er sich in die Schlafkabine zurück und nahm die Fotos aus dem Umschlag. Es waren Bilder seiner Yacht, die er im letzten Jahr gekauft hatte und mit der er im Frühjahr eine längere Tour über die Nordsee bis hoch nach Irland plante. Jenny war ein Kajütboot vom Typ Condor, hergestellt von der Rosenheimer Klepperwerft, das er zu einem günstigen Preis vom Yachtclub in Greetsiel erstanden hatte und dessen Renovierung er in den letzten Monaten seine gesamte Freizeit gewidmet hatte. Blau hatte er den schlanken Bootskörper gestrichen, blau und weiß, die Farben des Meeres.

      Obwohl er im tiefsten Binnenland, mitten zwischen Wäldern, Hügel und Tälern, aufgewachsen war, hatte es ihn schon seit frühester Kindheit ans Meer gezogen. Früher war es die Ostsee gewesen,