Seewölfe - Piraten der Weltmeere 75. Kelly Kevin

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Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 75
Автор произведения Kelly Kevin
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954393923



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und stürzte.

      Wie eine Katze rollte er herum, wollte wieder hochschnellen und begriff, daß es zu spät war. Hasards Schatten fiel über ihn, auch die anderen Männer stürmten heran. Mit einem schluchzenden Laut ließ sich der Junge zurückfallen und hob schützend die Arme vor das Gesicht, als fürchte er, geschlagen zu werden.

      „Gracia! Gracia! No matar! Por favor …“

      Die helle Stimme überschlug sich. Zitternd blieb der Junge liegen, jeder Muskel und jede Sehne seines mageren Körpers war so krampfhaft angespannt vor Furcht, daß sie deutlich unter der Haut hervortrat.

      „No matar!“ wiederholte er wimmernd. „Nicht töten …“ Helles Entsetzen flackerte in den aufgerissenen Augen, als der Seewolf sich über ihn beugte und nach seiner Schulter griff.

      „Tranquilo …“ Ohne darüber nachzudenken, verfiel Hasard ins Spanische, da auch der Junge diese Sprache gesprochen hatte. „Ruhig, Muchacho …“

      Er versuchte, dem Kerlchen auf die Beine zu helfen, doch die hagere Gestalt krallte sich förmlich in den Boden. Kopfschüttelnd wandte sich der Seewolf Ben Brighton zu. „Ganz schön fertig, der Kleine! Er muß irgendeinen Schock abgekriegt haben.“

      „Sieht ganz so aus. Ich denke …“

      Der Junge ließ die Hände sinken, die er vor das Gericht geschlagen hatte.

      Er zitterte immer noch, als er sich halb herumwälzte. Seine Lider zogen sich so weit auseinander, daß das Weiß der Augäpfel schimmerte.

      „Ihr – ihr seid gar keine Spanier?“ stammelte er, jetzt auf Englisch.

      „Ha!“ schrie Ed Carberry. „Sehe ich vielleicht wie ein gottverdammter Don aus, was, wie? Wenn du mich beleidigen willst, ziehe ich dir die Haut in Streifen …“

      „Jetzt halt mal die Luft an, Ed!“ sagte Hasard. „Wir sind Engländer“, wandte er sich an den Jungen. „Du hast nichts von uns zu befürchten. Wir haben die Rauchzeichen gesehen und glaubten, daß vielleicht jemand Hilfe braucht.“

      Der Junge schluckte.

      Jetzt endlich ließ er sich von Hasard aufhelfen, aber besonders sicher stand er nicht auf den Beinen. Scheu wanderte sein Blick von einem zum anderen und blieb schließlich an dem großen, schwarzhaarigen Mann mit den eisblauen Augen hängen.

      „Warst du es, der die Rauchzeichen gegeben hat?“ fragte Hasard.

      Das Kerlchen nickte. „Ja, das war ich. Aber dann – dann konnte ich das Schiff deutlicher sehen und dachte, es sei ein Spanier. Ich kenne die Dons. Lieber will ich sterben, als denen noch einmal in die Hände zu fallen …“ Seine Stimme versagte, und wie ein Krampf lief es über seine Schultern. „Ich heiße Bill“, fügte er leise hinzu.

      Hasard lächelte, als er seinen Namen nannte. Die Augen des Jungen wurden groß.

      „Sie – Sie sind der Seewolf?“ flüsterte er.

      „Du kennst mich?“

      „Jeder in der Karibik kennt Sie, Sir!“ Das war zwar übertrieben, aber immerhin traf es für jeden zu, der in der Karibik Schiffsplanken unter den Füßen hatte. Für einen Moment leuchtete der Blick des Jungen auf, doch dann verdüsterte sich sein Gesicht wieder. „Wir sind auch Engländer“, sagte er heiser. „Wir hatten schon die Hoffnung aufgegeben, jemals wieder auf Landsleute zu treffen.“

      Hasard horchte auf.

      „Wir?“ echote er gedehnt. „Ihr seid mehrere?“

      „Nur mein Vater und ich. Er ist krank. Seit wir von der spanischen Galeone geflüchtet sind, hat er sich nicht mehr erholt. Ich weiß nicht, was mit ihm los ist, ich …“

      Bills Stimme erstickte. Tränen schossen ihm in die Augen – Tränen, die er nicht zurückhalten konnte, obwohl er verzweifelt versuchte, sich zusammenzunehmen. Hasard ahnte, daß sich hier eine Tragödie abgespielt haben mußte. Auch die anderen schwiegen betroffen. Nicht einmal dem rauhbeinigen Carberry wäre es eingefallen, einen seiner berüchtigten Sprüche vom Stapel zu lassen.

      „Nun heul mal nicht gleich“, knurrte er gutmütig. „Wird schon wieder werden. Wir sehen uns mal an, was da los ist, oder?“

      Hasard nickte nur und legte dem schluchzenden Jungen beruhigend die Hand auf die Schulter. Bill schluckte und fuhr sich über das nasse Gesicht.

      „Es ist nicht weit“, sagte er. „Dort drüben zwischen den Büschen und dem Palmenhain.“

      Er ging voran. Hastig, ab und zu stolperte er. Das Zucken der schmalen Schultern verriet, daß er immer noch gegen die Tränen kämpfte.

      Schweigend folgten ihm der Seewolf und seine Männer. Der Wald schob sich an dieser Stelle wie ein dunkler Keil auf den Strand zu, und sie mußten einen Streifen Dickicht durchqueren. Bill wandte sich um, als er ein paar Schlingpflanzen auseinanderbog und einen schmalen Pfad einschlug.

      „Ein Schweinesteig“, erklärte er. „Es gibt Wildschweine hier. Und Früchte in Hülle und Fülle. Es ist auch ein Dorf in der Nähe.“

      „Und wie verhalten sich die Eingeborenen zu euch?“

      „Sie sind freundlich. Aber wir haben nicht gewagt, bei ihnen unterzuschlüpfen. Die Dons gehen manchmal auf Jamaica an Land und durchstreifen die Dörfer.“

      Die Dons!

      Hasard dachte an seine eigenen Erlebnisse mit den Spanieren, die wie eine Gottesgeißel über die Eingeborenen der neuen Welt hergefallen waren, ganze Völkerschaften versklavt hatten und blutigen Terror verbreiteten.

      Englische Freibeuter, ausgestattet mit Kaperbriefen der Königin, hatten ihnen im Laufe der Zeit erheblichen Schaden zugefügt. Wo immer die Spanier hier in der Karibik eines Engländers habhaft wurden, nahmen sie blutige Rache, und Hasard konnte die Furcht des mageren schwarzhaarigen Jungen durchaus verstehen.

      Inzwischen hatten sie den Waldstreifen hinter sich. Das Dickicht wurde lichter, grüngoldene Sonnenflecken tanzten über den Boden. Auch hier schien die Luft zu kochen. Das Rauschen und Murmeln eines kleinen Bachlaufs erklang, Myriaden von Insekten summten. Die Wipfel eines Palmenhains wiegten sich sacht im Wind.

      Die Hütte im Schatten zwischen den schlanken Stämmen war erst auf den zweiten Blick zu sehen.

      Eine primitive Hütte. Fensterlos, gedeckt mit einem geflochtenen Dach aus Palmblättern. Zum Schutz gegen Schlangen ruhte sie auf einem einfachen Pfahlgerüst. Im Innern der Behausung mußte die Hitze unerträglich sein, denn der Bewohner kauerte halb, halb lag er vor der Hütte auf dem Boden.

      Beim Geräusch der Schritte hatte er versucht, sich aufzurichten – jetzt sank er kraftlos gegen den Holzbalken zurück.

      Sein Atem rasselte. Ein dichter grauer Vollbart bedeckte den unteren Teil des ausgezehrten Gesichts, die tief eingesunkenen Augen waren rot und entzündet. Flatternd hob sich seine Hand zu einer Geste, als er den schwarzhaarigen Jungen erkannte. Bill lief mit einem erstickten Laut auf den alten Mann zu und sank neben ihm auf die Knie.

      „Vater! Ich habe Hilfe gebracht. Es sind Engländer, Vater! Es ist der Seewolf!“

      Der alte Mann hob den Blick.

      Einen unendlich müden Blick, erschöpft und wie ausgebrannt. Er sah Ben Brighton an, den blonden Dan O‘Flynn, den eisenharten Profos mit seinem zernarbten Gesicht, schließlich den Seewolf. Fast eine volle Minute schien der Alte zu brauchen, um den Anblick der vier Männer in sich aufzunehmen, und dann war es, als würden seine leeren Augen noch einmal von einem letzten Aufflacker des schon ersterbenden Lebensfunkens erhellt.

      „Der Seewolf“, flüsterte er. „Engländer – dem Himmel sei Dank.“

      Seine Lider schlossen sich, als hätten die Worte den letzten Rest seiner Kraft verbraucht. Der Junge neben ihm schluchzte leise, und Hasard fühlte, wie sich etwas in ihm verkrampfte, als er Bills fragendem Blick begegnete.

      Auch die anderen schwiegen erschüttert.

      Denn