Seewölfe - Piraten der Weltmeere 270. Fred McMason

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Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 270
Автор произведения Fred McMason
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954396672



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ausgelaufen“, stellte er fest. „Von diesen zwölf Schiffen kehrt ein ganzes und ein halbes zurück. Dieser Punkt muß einmal erleuchtet werden. Zehn Schiffe sind demnach verloren. Jetzt zu Punkt zwei: Der verfluchte Engländer segelt auf einer Tartane und hat mein Schiff wahrscheinlich an die Spanier verschachert. Daß die zusammenhalten, das ist mir übrigens ganz neu. Punkt drei: Du bist wie ein ahnungsloser Trottel in die Falle gelaufen und hast die Leute und die Schiffe verloren. Und du jämmerlicher Versager willst mein Stellvertreter sein?“

      „Herr!“ flehte Selim.

      „Halt die Schnauze!“ brüllte Uluch Ali. „Jetzt werden wir Punkt vier erleuchten. Du willst mir also erzählen, daß man dir eine Zauberflasche an Bord geworfen hast, du verlogener Schakal. Und aus dieser Flasche schoß ein Blitz, was? Ein Blitz! Vielleicht hat dieser Killigrew im Gewitter ein paar Blitze eingefangen und sie in eine Flasche gesteckt. Du hast versagt, du jämmerlicher Kerl, und jetzt willst du mir Lügen auftischen. Ihr seid alle feiges Gesindel. Ihr kneift aus, sobald ihr nur den Bartschatten eines dieser Kerle seht. Aber du bist zum letztenmal in deinem Leben ausgekniffen, Selim Shanoun. Ich hielt dich immer für einen großen und gnadenlosen Kämpfer. Dabei hast du Angst vor einer Tartane. Wenn die Kerle dich wenigstens noch umgelegt hätten, dann hätte ich dir verziehen, und meine Gnade wäre dir gewiß gewesen. Aber du kehrst mit leeren Händen und vollen Hosen zurück. Schande über dich, Selim Shanoun. Du bist nicht wert, daß dich die Sonne bescheint, du lausiger Köter. Ich will dein Gewinsel erst gar nicht hören!“ brüllte Ali. „Die Tatsachen haben mir alles bewiesen. Du hast keinen einzigen Gefangenen an Bord. Du hast nur einen abgesägten Mast und zehn andere Schiffe verloren. Du wirst jetzt sterben, Selim Shanoun, vor den Augen aller hier wirst du wie ein Feigling sterben.“

      „Das ist ungerecht!“ brüllte Selim, der sich erlauben konnte, bei Uluch Ali einen anderen Ton anzuschlagen als die anderen. „Du hast mich nur angehört, und du glaubst mir nicht. Ich aber habe dir die Wahrheit gesagt. Wir liefen in eine Falle, und ich habe das Recht, mich zu verteidigen.“

      „Du hast keinerlei Rechte mehr, du hast sie alle verwirkt.“

      Ali drehte sich um und winkte herrisch die Männer heran, die noch zitternd auf ihrem Posten ausgeharrt hatten.

      „Packt ihn!“ rief Ali.

      Vier Männer stürzten sich auf Selim und rissen ihm die Arme auf den Rükken. Dann winkte Ali seinen Henker zu sich. Diesmal war selbst der Schlagmann bleich, als er gehorsam Aufstellung nahm.

      „Er wird um Haupteslänge verkürzt“, befahl Ali voller Wut. „Hier, jetzt gleich, und vor aller Augen. Jeder soll zusehen, wie ich mit Dummköpfen, Feiglingen und Versagern umspringe. Dieser Anblick wird den Eifer und die Kampfeslust bei den anderen wecken. Es wird ihnen deutlich vor Augen geführt, daß man lieber stirbt, als sich von einem Christenhund besiegen zu lassen. Und schon gar nicht verschwindet man einfach.“

      Selim Shanoun kriegte wegen dieser Ungerechtigkeit Haß in die Augen. Er wußte, daß Ali nicht mehr umzustimmen war, denn was der beschloß, war anschließend auch gleich erledigt.

      Natürlich hatte er Angst um sein Leben, aber er war hart im Nehmen, und so schluckte er diese Angst hinunter.

      Dann sah er Uluch Ali fest an und sagte deutlich und laut: „Du verwindest diese Niederlagen nicht, Uluch Ali. Aber du solltest im Namen Allahs gerecht bleiben. Auch dir persönlich hat dieser Engländer schon schwere Wunden zugefügt, und du hast ihn trotzdem nicht gekriegt. Er hat dich mit dem Degen oder dem Säbel besiegt. Du hast jeden Kampf gegen ihn verloren, und dich hat niemand deswegen geköpft. Ich bin Selim Shanoun, und ich hatte keine Furcht vor dem Seewolf.“

      Uluch Ali lachte verächtlich.

      „Wer ist Selim Shanoun?“ fragte er höhnisch. „Nichts anderes als die feige Mißgeburt einer räudigen Ziege.“

      Zu einer Antwort kam Selim nicht mehr, denn die herrisch vorgereckte Hand des alten Piraten schnitt jedes seiner Worte ab. Die Kerle, die ihn im Griff hatten, zerrten ihn fort aufs Deck, wo der Schlagmann inzwischen Aufstellung genommen hatte.

      „Noch nicht“, sagte Ali. „Holt erst die anderen lausigen Kreaturen von den beiden Feluken hierher. Sie werden zusehen, wie ihr Befehlshaber geköpft wird. Anschließend verschwindet das ganze Gesindel auf einer meiner Galeeren.“

      Die Mannschaften wurden gleich darauf von Bord getrieben und mußten auf der Galeere Aufstellung nehmen. Den Piraten stand das Wasser bis zum Hals, als sie erfuhren, was Ali angeordnet hatte. Sie schwitzten Blut und Wasser.

      Der Kerl mit dem Zopf im Genick packte Selim an den Ohren und zog ihn in eine kniende Stellung.

      „Hast du noch etwas zu sagen, Selim Shanoun?“ fragte Ali höhnisch.

      Selim sprach auf die Planken, weil sein Schädel unbarmherzig festgehalten wurde.

      „Möge dein Todfeind dich besiegen“, sagte er laut, „Und möge es bald geschehen, Uluch Ali!“

      „Verfluchter Bastard!“ schrie Ali. Wütend gab er das Zeichen.

      Als Selims Kopf über die Planken rollte, hatte sich das Gesicht des alten Piraten wieder geglättet. Dann wandte er sich um.

      „So wird es jedem ergehen, der auskneift“, sagte er. „Und wenn er hundertmal mein Stellvertreter ist. Richtet euch danach.“

      2.

      Noch am selben Tag lief die Galeere aus, an Bord war Uluch Ali persönlich, der jetzt die letzte gnadenlose Jagd nach den Seewölfen einleitete.

      Unbarmherzig ließ er die Sklaven pullen. Immer wieder droschen die Aufseher zwischen die Ruderer, bis die ersten Männer erschöpft zusammenbrachen.

      Im nächsten Hafen wurden die Rudersklaven durch frische und unverbrauchte Männer ersetzt, bis diese auf dem Wege westwärts das gleiche Schicksal erlitten hatten. Auf jeder Fahrt von einem Hafen zum anderen gab es Tote an Bord.

      Dann, nach mehrmaligem Wechsel der Sklaven, erreichte Uluch Alis Galeere am dreiundzwanzigsten Juni den Hafen Oran.

      Es war unter menschenunwürdigen Umständen Tag und Nacht gepullt worden, und in Oran hingen wieder zwei Männer tot in den Ketten.

      Hier erfuhr Uluch Ali durch einen Vertrauten wieder etwas, das ihn an den Rand der Raserei trieb.

      Die Piratenkapitäne schickten, weil sie Uluchs Anwandlungen zur Genüge kannten, einen Mann als Sündenbock vor, der Ali Bericht erstatten mußte.

      Aber Uluch Ali durchschaute das Manöver und ließ die Kapitäne an Deck der Galeere antreten. Er war jetzt auf alles gefaßt, aber die Nachrichten brachten ihn vor Wut fast um.

      „Ich will alles hören!“ schrie er. „Alles, und keine Ausflüchte! Was ist mit dem Verband geschehen, der ausgelaufen ist? Ist die Sambuke aufgebracht worden? Oder das Flaggschiff?“

      „Nein, Erhabener“, sagte ein verängstigter Kapitän. „Die Sambuke wurde gesichtet und auch verfolgt. Als wir dicht dran waren, erschien ein spanischer Verband, eine spanische Kriegsflotte“, verbesserte sich der Kapitän. „Sie haben uns zusammengeschossen. Es hat sehr viel Tote gegeben, und der größte Teil der Schiffe wurde von der Kriegsflotte versenkt.“

      „Feluken, Galeassen und Galeeren?“ fragte Uluch Ali ruhig. „Und dieser Verband ist aufgerieben worden von den Spaniern?“

      Daß er noch seine Ruhe behielt, täuschte die Piratenkapitäne jedoch nicht darüber hinweg, daß es bald sehr schlimm werden würde.

      „Ein paar konnten entkommen, Erhabener.“

      „Das ist ja herrlich“, sagte Ali und zeigte beim Lachen seine Zähne. Aber er lachte so ähnlich wie ein Hai, der sich gleich auf die Beute stürzen würde, und dieses Grinsen ging den anderen durch und durch. Es war ein tödliches Grinsen.

      „Wir haben die Sambuke schon beschossen, Erhabener. Aber wir mußten die Engländer lebend einbringen, sonst hätten wir sie gekriegt. Das war unser Nachteil.“