Seewölfe - Piraten der Weltmeere 587. Burt Frederick

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Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 587
Автор произведения Burt Frederick
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783966880015



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Papagei, der auf seiner linken Schulter thronte, beugte sich vor, so weit er konnte, ohne hinunterzufallen. Er drehte den runden Kopf in Schrägstellung und beäugte die Nasentätigkeit des Profosen.

      „Na, riechst du was, Sir John?“ wiederholte Carberry, ließ die Augen geschlossen und schnupperte weiter.

      Die auf dem Hauptdeck beschäftigten Arwenacks grinsten und wechselten vielsagende Blicke. Ferris Tucker, der eine Lafette aufgebockt hatte und eine beschädigte Rolle auswechselte, tippte sich an die Stirn.

      „Das riecht nach England, Sir John“, sagte Carberry wie im väterlichen Gespräch mit einem Kind, dem er die Lösung eines kleinen Rätsels offenbarte. „Nach England riecht das, mein Alter!“

      „Papageien können überhaupt nicht riechen“, sagte der Schiffszimmermann überzeugt.

      Die Männer an Deck mußten an sich halten.

      Carberry riß die Augen schlagartig auf und starrte den rothaarigen Hünen an, als hätte dieser behauptet, zwei und zwei seien fünf. „Woher willst du das wissen, he?“

      Ferris wandte sich von der Lafette ab und richtete sich zu voller Größe auf. „Dafür brauche ich nur meine Augen, du Blindfisch. Papageien haben einen Schnabel und keinen Rüssel.“

      Der Profos polterte augenblicklich los: „Willst du behaupten, daß ich einen Rüssel habe?“

      „Affenarsch!“ schrie Sir John. „Verlauste Kakerlake!“

      „Nenn es, wie du willst“, entgegnete Ferris aufgebracht. „Jedenfalls kannst du einem den Nerv töten.“ Er äffte Carberrys Stimme nach: „Das riecht nach England, Sir John!“

      Die Arwenacks lachten schallend.

      „Tut es auch!“ erwiderte Carberry dröhnend. „Für so was habt ihr Blödiane eben kein Gespür!“

      „Kein Gespür!“ schrie Sir John und wiegte sich aufgeregt von einer Seite auf die andere. Ein rollendes Krächzen folgte: „Hol durch die Lose, Sir!“

      Old Donegal Daniel O’Flynn, der neben Ferris Tuckers Lafette an der Verschanzung lehnte, verschaffte sich Gehör, indem er mit seinem Holzbein aufstampfte.

      „Wenn die Gentlemen mal eine Sekunde zuhören wollen!“ rief er mit einer Stimme, die wie eine rostige Eisenraspel klang. „Ich denke, wir können den Sachverhalt schnell klären – egal, wie gut ein Papagei riechen kann. Wenn wir nämlich auf dem Boden der Tatsachen bleiben, ist die Geschichte verdammt einfach. Jeder der Gentlemen wird mir bestätigen, daß wir Südwestwind haben und mit unserem Schiffchen ziemlich genau auf Nordkurs segeln. Und da oben im Norden liegt England! Wie, bitte sehr, soll es nach England riechen, wenn der Wind nahezu aus der entgegengesetzten Richtung weht?“

      Carberry sah den Alten an und blinzelte verdutzt.

      „England riechst du eben auf tausend Meilen gegen den Wind“, sagte er nach kurzem Überlegen und grinste. „Stell dir bloß mal sämtliche gepuderten Ladys und Gents auf einem Haufen vor. Stell dir ihre Schlösser und Landsitze vor, aus denen sie ausziehen, weil’s vor Gestank nicht mehr auszuhalten ist. Stell dir die Straßen von London vor, in denen es stinkt, daß den Leuten schwindlig wird, wenn sie sich nicht die Nasen zuhalten. England ist eine einzige große Stinkdrüse.“

      „Was willst du dann überhaupt da?“ fauchte der alte O’Flynn.

      „Nur mal nachsehen, ob Plymmie seinen Saftladen renoviert hat“, erwiderte der Profos feixend. „Als wir letztes Mal das letzte Faß Bier bei ihm leerten, sah’s ziemlich übel aus in der ‚Bloody Mary‘.“

      Die Männer grinsten. Sie bemerkten, wie Plymmie, die Wolfshündin, den Kopf hob und die Ohren spitzte.

      „Du bist nicht gemeint, Lady“, sagte Hasard junior und kraulte ihr die Ohren.

      „Da gibt’s einen männlichen Plymmie in Plymouth“, erklärte sein Bruder Philip. „Ein zweibeiniges Exemplar. Nathaniel Plymson mit vollem Namen. Der arme Kerl ist der Inhaber der Schenke ‚Bloody Mary‘, und wenn er wüßte, daß die Crew des Seewolfs auf Heimatkurs liegt, würde er seine Bude wahrscheinlich mit Brettern verrammeln und für ein paar Tage zu Verwandten aufs Land fahren. Da er es aber nicht weiß, wird er in Kauf nehmen müssen, daß sich die Arwenacks zu einem gemütlichen Beisammensein in seinem geschätzten Haus einfinden.“

      „Und es bis auf den letzten Nagel auseinandernehmen“, fügte Hasard junior lachend hinzu.

      Die Männer stimmten mit ein. Der Gedanke an den fetten Plymson war wirklich erbaulich. Sein Bierkeller mußte um diese Jahreszeit, im März, schön kühl sein. Einen guten Gerstensaft zapfte er wahrhaftig, und die Gemütlichkeit kannte bei ihm meistens keine Grenzen.

      „Sieht so aus“, sagte Ferris Tucker, nachdem sich alles wieder beruhigt hatte, „als sei hier die Viehzeugbelehrungsstunde angebrochen. Vielleicht übernimmt jemand die dankenswerte Aufgabe, Arwenack zu erklären, daß es in England keine Bananen gibt?“

      Arwenack, der Schimpanse, keckerte durchdringend und schlug sich mit den flachen Händen auf den Brustkasten, daß es dröhnte.

      „Das weiß er längst“, sagte Carberry. „Schließlich ist er nicht zum erstenmal in England.“

      Wieder hatte der Profos die Lacher auf seiner Seite.

      Einer endlosen Fortsetzung des Wortgeplänkels hätte nichts im Weg gestanden, wenn es nicht in diesem Augenblick von Bill mit durchdringender Stimme unterbrochen worden wäre.

      „Mastspitzen Steuerbord voraus!“

      Alle Blicke wandten sich in die angegebene Richtung. Auf dem Achterdeck hoben der Seewolf, Ben Brighton, Dan O’Flynn und Don Juan de Alcazar die Spektive.

      „Ein Zweimaster“, sagte Dan, der Mann mit den schärfsten Augen in der Crew.

      Es dauerte eine halbe Stunde, bis der Seewolf und seine Gefährten weitere Einzelheiten erkennen konnten.

      Der Zweimaster, der mit halbem Wind segelte, hatte zunächst auf Kurs Ostsüdost gelegen. Es war eine Karavelle, die die rot-weiß-gelb gestreifte spanische Flagge im Masttopp führte. Beim Sichten der Schebecke hatte der Spanier angeluvt und lag jetzt auf Südost. Er suchte die Begegnung und fühlte sich offenbar stark in der Nähe der heimischen Gewässer.

      „Keine weiteren Schiffe zu sehen“, sagte Dan, nachdem er die Kimm gründlich abgesucht hatte.

      Jeder der Männer wußte, daß es an dieser Feststellung keinen Zweifel gab.

      Die Fluten des Atlantik rollten eisengrau. Das Licht der Vormittagssonne verstärkte den Eindruck der Endlosigkeit. In dieser Weite, in der die Naturgewalt die alleinige Herrschaft ausübte, hatten die Menschen auf zwei vergleichweise winzigen Seglern nichts Besseres zu tun, als wie Kampfhähne aufeinander loszugehen und im blutigen Detail jenen Streit auszutragen, den ihre Königshäuser noch immer nicht beigelegt hatten.

      Doch die Arwenacks würden nicht die Angreifer sein.

      Philip Hasard Killigrew ließ Flagge zeigen und befahl Gefechtsbereitschaft. Im Topp des Großmastes wehte das schwarze Tuch mit den gekreuzten goldenen Säbeln aus. Unter der Flagge des Bundes der Korsaren entfalteten die Männer auf den Decks rege Betriebsamkeit. Während unter Aufsicht von Al Conroy die Culverinen und Drehbassen geladen wurden, beeilte sich Ferris Tucker, die aufgebockte Lafette in Ordnung zu bringen.

      Die gewohnte Prozedur wurde im Handumdrehen bewältigt – Ausstreuen von Sand auf den Decksplanken, Bereitstellen von Pützen mit Löschwasser und Vorbereiten der Eisenbecken mit glühender Kohle zum Zünden der Lunten.

      Die Söhne des Seewolfs übernahmen es abschließend, das Viehzeug – so Carberrys liebevolle Bezeichnung für Wolfshündin, Schimpansen und Papagei – unter Deck zu bringen.

      Mittlerweile zeichneten sich Einzelheiten deutlicher ab.

      „Merkwürdig“, sagte der Seewolf, ohne das Spektiv abzusetzen. „Die Karavelle ist einwandfrei spanischer Bauart. Aber die Burschen