Seewölfe Paket 27. Roy Palmer

Читать онлайн.
Название Seewölfe Paket 27
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954399956



Скачать книгу

noch mal! Wir quatschen dauernd aneinander vorbei!“ brauste der Kutscher auf. „Ich meine doch Fallen für die Ratten.“

      „Ratten gehen in Fallen“, sagte Mac, worüber sich der Kutscher schon wieder aufregte. Der Kerl pennte heute offenbar im Stehen und kapierte überhaupt nichts.

      Zur Probe öffnete der Kutscher ein paar Fässer. Er fand Schmalz, Zwieback, Oliven und gedörrtes Obst. In einem anderen Faß waren getrocknete Kastanien eingelagert.

      „O je“, nölte Mac weiter. „Kastanien und Oliven! Das ist vielleicht was und so. Bestimmt haben die noch Hundefett und Seegurken an Bord.“

      „Für dich ganz sicher gebratene Gänsebrüstchen und geräucherte Heringe. Du mußt nur genau suchen.“

      Der Kutscher ließ den verbiesterten Mac Pellew stehen und ging nach oben an Deck. Mac hatte heute seinen schlechten Tag, aber nach dem, was sie hinter sich hatten, war das kein Wunder. Er nahm ihm seine Nörgelei jedenfalls nicht weiter übel.

      Auf der Kuhl traf er auf einen Seewolf, der ein sorgenvolles Gesicht hatte und wie abwesend in den undurchsichtigen Dunst starrte, der sie von allen Seiten umgab. Neben ihm standen Don Juan, Dan, der Profos, Ben und noch ein paar andere. Und alle sahen betreten drein.

      Der Kutscher räusperte sich verhalten.

      „Proviant haben wir für mindestens vierzehn Tage“, berichtete er. „Er wird aber länger reichen. Das ist nur eine erste und oberflächliche Schätzung. Kann sein, daß wir vier Wochen damit langen. Wie es mit Trinkwasser aussieht, weiß ich noch nicht, Sir.“

      „Da steht genügend in Fässern in der Vorpiek“, sagte Hasard. „Das sieht soweit ganz gut aus, bis auf den Kompaß.“

      „Keinen gefunden, Sir?“

      „Nein, obwohl wir alles durchsucht haben. Es ist wie verhext: Auf diesem Schiff befand sich nur ein einziger Kompaß, und ausgerechnet der mußte zertrümmert werden.“

      „Dann müssen wir uns nach der Sonne richten“, sagte der Kutscher kleinlaut.

      „Dann laß sie doch mal scheinen“, blaffte ihn der Profos an. „Oder siehst du sie etwa?“

      „Wenn sie einmal nicht scheint, dann bedeutet das ja auch nicht, daß sie bis in die nächste Ewigkeit verschwunden ist“, knurrte der Kutscher zurück. „Aber das geht ja wieder mal nicht in deinen hirnverbeulten Transack hinein, den du über den Augen hast.“

      „Hört auf, verdammt noch mal“, fuhr Hasard dazwischen. „Wir haben eine schwerwiegende Entscheidung zu treffen. Ihr könnt euren Disput später fortsetzen. Jetzt reden wir über etwas anderes, und zwar darüber, ob wir die Reise ins Ungewisse fortsetzen oder nicht.“

      Langes Schweigen herrschte nach seinen Worten.

      „Wir wollen doch nach China“, sagte Ben ruhig. „Wie es den Anschein hat, sind wir auf dem Weg dorthin. Natürlich geschah das alles reichlich überstürzt, aber das brachten die Umstände mit sich. Jetzt haben wir ein Schiff und auch genügend Proviant und Wasser.“

      „Aber keinen Kompaß“, warf Dan ein. „Weißt du, was das heißt, ohne Kompaß quer durch den Pazifischen Ozean zu segeln?“

      Ben Brighton, sonst eher bedächtig und immer lange überlegend, war diesmal voller Eifer und Tatendrang.

      „Wir waren schon einmal hier“, entgegnete er. „Dabei sind wir auf so viele Inseln gestoßen, daß wir auch diesmal wieder welche finden werden und unsere Vorräte ergänzen können. Was die Kursbestimmung betrifft, gebe ich dem Kutscher recht. Wir orientieren uns tagsüber nach der Sonne und nachts nach den Sternen, wie es schon viele vor uns getan haben. Wenn wir zurücksegeln, sind wir jedenfalls nicht besser dran, im Gegenteil, dann haben wir die Dons auf dem Hals, und das ganze Theater beginnt von vorn.“

      „Klar“, sagte Carberry. „Ben hat recht. Wenn wir zurückkehren, erreichen wir nichts. In Panama können wir uns nicht blicken lassen, und der andere Rückweg ist ebenfalls versperrt. Wir würden mitten in das Chaos segeln. Außerdem wüßte ich wirklich nicht, was wir den anderen im Stützpunkt erzählen sollen. Die würden uns für nicht mehr normal halten.“

      Hasard hörte schweigend zu und ließ sie eine Weile diskutieren, bis sie sich wieder einmal die Köpfe heiß geredet hatten.

      Er stellte jedoch fest, daß niemand dabei war, der ernsthaft eine Rückkehr erwog. Bei vielen mochte das an der Abenteuerlust liegen, wieder in andere Länder zu segeln. Auch seine beiden Söhne, Hasard und Philip, hatte wieder einmal das Fernweh gepackt. Der fehlende Kompaß war für sie dabei das kleinere Übel.

      Er selbst überdachte die Lage jetzt ganz nüchtern. Vor ihnen lag ein endlos langer und völlig ungewisser Törn durch ein riesiges und unberechenbares Meer. Sie hatten zwar ein paar Seekarten, aber keinen Kompaß. Es war ohne weiteres möglich, daß sie aufgrund fehlender Navigationsinstrumente eine der zahlreichen Inseln verfehlten. Sie brauchten nur ein paar Meilen daran vorbeizusegeln. Fazit: Sie landeten im Nichts, verdursteten oder verhungerten. Kein Mensch würde jemals erfahren, was aus ihnen geworden war.

      Das war die eine Seite. Die andere war von Ben und Edwin Carberry bereits angesprochen worden.

      „Wir werden diese Entscheidung gemeinsam treffen, weil sie von sehr schwerwiegender Bedeutung ist“, sagte der Seewolf. „Dabei halten wir es so, daß jeder einen Teil der Verantwortung trägt, indem wir abstimmen. Ihr kennt das Für und Wider dieser Reise. Sollten wir in einen leeren Teil des Pazifiks vorstoßen und die Inseln verpassen, dann wird die ‚Santa Barbara‘ irgendwann einmal vielleicht aufgefunden werden, und an Bord werden dann nur Skelette sein. Was vorher allerdings passieren wird, mag sich jeder selbst ausmalen, denn auch diese Seite gilt es zu berücksichtigen.“

      „Hm, Knochenmänner“, sagte Carberry unbehaglich. „Bisher haben wir es immer geschafft. Hast du so große Bedenken, Sir?“

      „Ich stelle das nur zur Diskussion und zur Abstimmung, Ed. Jeder mag selbst entscheiden. Wir sollten nur nicht vor möglichen unangenehmen Tatsachen die Augen verschließen und so tun, als sei das alles ein unbedeutender Klacks.“

      „Es kann aber auch alles gut ausgehen, oder?“ fragte Carberry.

      „Selbstverständlich.“

      Hasard sah, wie es hinter den Stirnen arbeitete. Die meisten blickten aufs Meer hinaus, obwohl sie dort nichts sahen als dieses unselige Dämmerlicht, in dem sie auf einem unbekannten Kurs drifteten.

      „Gut, dann sollten wir abstimmen“, meinte Don Juan.

      Die Abstimmung brachte genau das Ergebnis, das der Seewolf auch erwartet hatte.

      „Wer ist dafür, daß wir die Reise fortsetzen?“ fragte er. „Wer zustimmt, der möge bitte die Hand heben.“

      Alle Hände hoben sich wie auf ein Kommando. Auch Mac Pellew, der wieder an Deck erschienen war, hob die Hand. Allerdings zog er dabei ein Gesicht, als stimme er seiner eigenen Beerdigung zu.

      „Gut, dann ist das also entschieden“, sagte Hasard. „Die Gegenprobe erübrigt sich, ich habe keine Hand unten gesehen. Wir segeln nach China, aber wir lassen uns vorläufig treiben, bis dieses Halbdämmer verschwunden ist. In der Zwischenzeit klaren wir dieses Schiffchen von vorn bis achtern auf und kümmern uns auch um die Geschütze. In der Segellast liegen zum Glück genügend Ersatzsegel. Wir werden die alten und morschen Dinger austauschen.“

      Will Thorne, der alte und immer bescheiden im Hintergrund bleibende Segelmacher, versprach, sich zusammen mit Roger Brighton, dem Takelmeister, darum zu kümmern. Will hatte sich erstaunlich schnell von seiner Fieberkrankheit erholt.

      Die anderen teilte der Profos zum Aufklaren ein. Es gab auf der „Santa Barbara“ noch etliches zu tun.

      An dem herrschenden Zustand änderte sich auch vorläufig nichts. Der Wind und die Drift schoben sie weiter ins Unbekannte. Es war ein eigenartiges Gefühl, nicht zu wissen, was vor ihnen lag. Sie waren wie Blinde, die das Licht suchen, um sich anhand eines winzigen Helligkeitsunterschiedes