Seewölfe - Piraten der Weltmeere 364. Roy Palmer

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Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 364
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954397617



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und in der ganzen Karibik stärken und die Vorherrschaft an sich reißen wollen, aber erreicht hatte sie das Gegenteil.

      Deprimiert war sie, aber sie zeigte es vor den anderen nicht. Dennoch wußte zumindest Caligula genau, wie ihr zumute war. Die Niederlage, die sie vor Tortuga erlitten hatte, war schlimm – schlimmer als alles, was sie bisher erlebt hatte.

      Ihre stolze Flotte, der Grundstock für einen künftigen Großverband möglicherweise, war zerschlagen. Die „Aguila“, die „Vascongadas“ und die „Buena Estrella“ existierten nicht mehr, ein Schiff war in die Luft geflogen, die beiden anderen hatte der Gegner versenkt. So war der Queen nur noch die „Caribian Queen“ geblieben, auf deren Decks jetzt die zerschundenen, verletzten Kerle hockten und ihre Blessuren leckten.

      Das Allerschlimmste aber war, daß die Gefolgsleute, die die Queen schon sicher auf ihrer Seite gewähnt hatte, ins gegnerische Lager übergelaufen waren. Anders ausgedrückt: Die Siedler von El Triunfo hatten keine Lust, für die Queen ihren Kopf hinzuhalten und sich für ihre hochgesteckten Ziele verheizen zu lassen – wenn sie auch vorher von ihr begeistert gewesen waren. Der reine Selbsterhaltungstrieb überwog, und Willem Tomdijk, der holländische Bürgermeister von El Triunfo, hatte wieder nahezu alle seine Männer hinter sich. El Triunfo war niedergebrannt, doch auf Tortuga, so schien es, hatten die Siedler vorläufig einen Platz gefunden, an dem sie sicher waren.

      Die Black Queen trachtete danach, all dies aus ihrem Gedächtnis zu verbannen. Aber sie konnte sich jetzt, als sie sich mit ihren Männern einen Weg durch das Dickicht des Dschungels bahnte, der unangenehmen Erinnerungen nicht erwehren. Zu frisch waren sie und zu groß die erlittene Schmach.

      Die Black Queen fühlte sich klein und häßlich, und doch hegte sie bereits die Zuversicht, daß das Schlimmste vorbei war. Sie hatte den Tiefpunkt erreicht, aber es würde wieder aufwärtsgehen.

      In ihre Gedanken verstrickt, schritt sie voran und legte sich Pläne zurecht, wie sie ihre Mannschaft stärken und einen neuen Schlag gegen den Seewolf durchführen konnte. Sie bemerkte nicht die beiden Augenpaare, die sie aus dem Busch beobachteten, und auch Caligula und den anderen entging es, daß sie von Nazario und Sarraux belauert wurden.

      Der Portugiese und der Bretone fanden Gelegenheit, ihren Kumpan im Wipfel der Zypresse durch Zeichen zu verständigen. Keine Gefahr schien von diesen fünf Fremden zu drohen. Die Nachricht wurde über Dodger und Amintore weitergeleitet – und in Punta Gorda atmeten die Kerle, die ihre Verteidigungspositionen längst bezogen hatten, auf. Mit einiger Gelassenheit blickte man dem Erscheinen der Queen und ihrer kleinen Schar entgegen.

       2.

      In der „Schildkröte“, der tief in den Felsen gehauenen, weitverzweigten Kneipengrotte von Tortuga, herrschte Hochstimmung. Es wurde gefeiert, daß „die Höhlenwände wackelten und die Balken sich bogen“, wie Carberry sich ausdrückte.

      Das Singen, Lachen und Grölen, das Kichern und Kreischen der Mädchen drangen bis zur Hafenbucht, wo die „Isabella IX.“, die „Le Vengeur III.“, der Schwarze Segler, die „Wappen von Kolberg“ und die „Tortuga“ ankerten. Nie hatte es ein größeres und ausgelasseneres Fest auf der Insel gegeben, und Diego, der Wirt, überschlug sich fast vor Beflissenheit. Eilfertig rannte er zwischen den Tischen und Bänken auf und ab und servierte Wein und Rum.

      Philip Hasard Killigrew, Jean Ribault, Siri-Tong, Thorfin Njal, Arne von Manteuffel und Jerry Reeves hockten mit Willem Tomdijk, Carlos Rivero und den Mädchen Manon, Julie, Cécile und Esther in einer Nische zusammen – ziemlich gedrängt, denn sehr viel Platz gab es nicht. Tomdijk, der von Esther und Julie flankiert wurde, konnte das nur recht sein. Treuherzig legte er den beiden die fleischigen Hände auf die Schultern.

      „Es ist nur richtig, daß ihr brave Siedlerfrauen werden wollt!“ rief er. „Und vielleicht kann ich auch noch Helferinnen in der Brauerei gebrauchen, die ich bauen werde!“

      „Aber wir werden doch nach Hispaniola übersiedeln, nicht wahr?“ fragte Cécile.

      „Mit Sicherheit“, erwiderte Carlos Rivero. „Es wartet eine schöne Zeit auf uns, arbeitsreich, aber vielversprechend.“

      Manon warf ihm einen verheißungsvollen Blick zu. „Das glaube ich auch. Dann laßt uns auf die Zukunft anstoßen.“

      Sie hoben die Becher und Humpen und stießen über dem Zentrum des grob zusammengehauenen Tisches miteinander an. Hasard blickte immer wieder zu den Nachbarnischen und den anderen Tischen. Er konnte sich eines Lächelns nicht erwehren. Carberry war gerade dabei, zwei Mädchen Sir John vorzuführen. Matt Davies und Jeff Bowie zeigten stolz ihre Eisenhakenprothesen vor. Batuti ließ wie zufällig seine Oberarmmuskeln spielen. Keiner konnte es ihnen übelnehmen, daß sie wie aus dem Häuschen waren. Aber eine Enttäuschung mußte der Seewolf ihnen doch bereiten.

      „Der ist ja niedlich!“ stieß eins der Mädchen hervor.

      Sie hatte Sir John den Zeigefinger hingehalten und ihn rasch zurückgezogen, als er hineinzuhacken versuchte. Ärgerlich wetzte der Vogel seinen Schnabel an der Jacke, die sich über der mächtigen Profos-Schulter spannte.

      „Kann er auch sprechen?“ fragte ihre Nachbarin, eine entzückende Blondine mit prallen, strotzenden Brüsten, die aus ihrem. Ausschnitt hervorzuquellen drohten.

      „Affenärsche und Bilgenratten“, schnarrte Sir John. „Stinkstiefel, hart Backbord, verwanzte Prielwürmer.“

      „Voilà!“ stieß die Blondine aus. „Reizend! Aber ich verstehe nicht, was er sagt!“

      Carberry grinste. „Ich verstehe auch nicht, was du sagst“, erklärte er in einem grauenvollen Kauderwelsch aus Englisch, Spanisch und französischen Brocken. „Aber das schadet nichts. Wirklich nicht.“

      „Sieh mal“, sagte Matt Davies im selben Moment zu einer der „Ladys“. Demonstrativ hielt er seinen scharfgeschliffenen Eisenhaken hoch. „Damit rasiere ich mich jeden Morgen.“

      „Und was kannst du noch alles damit tun?“ fragte sie ihn.

      Er erklärte es ihr, so gut er konnte, und sie riß die Augen in ungläubigem Erstaunen auf.

      „Freunde!“ rief Willem Tomdijk und breitete die Arme aus. „Ich bin ja so froh, daß sich alles zum Guten gewendet hat! Ich will ehrlich sein: Als ich an Bord der ‚Caribian Queen‘ war, habe ich Angst gehabt – große Angst. Dieser Caligula hätte mir gern die Gurgel durchgeschnitten, und auch die Black Queen hat mich nur geduldet, weil sie wußte, welchen Einfluß ich auf unsere Leute habe! Aber das alles ist jetzt vorbei.“

      „Ja“, sagte der Seewolf. „Und für uns heißt es Abschied nehmen.“

      „Wie?“ Der Dicke glaubte, nicht richtig gehört zu haben. „Ist das dein Ernst? Das kann doch nicht wahr sein. Ich dachte, ihr würdet noch ein paar fröhliche Tage mit uns verbringen. Das kannst du uns nicht antun!“

      Auch Hasard fiel es schwer, die Insel wieder zu verlassen. Auch er war von Manons, Julies, Céciles und Esthers Reizen beeindruckt und fühlte ähnlich wie seine Männer. Aber er wußte, daß ihn die Pflicht rief. Die Pflicht – das war die Verantwortung über die Schlangen-Insel, über Arkana, Araua, Karl von Hutten, Ramsgate und die Schlangenkrieger und Kriegerinnen, die dort auf seine Rückkehr warteten. Auch Coral Island wollte bewacht werden.

      Die Vorsichtsmaßnahmen durften nicht vernachlässigt werden. Mit einem Angriff von See – beispielsweise durch die rachsüchtigen Spanier – war ständig zu rechnen. Er durfte sich keinesfalls darauf verlassen, daß die Schlangen-Insel ein geheimer, absolut sicherer Zufluchtsort war. Wie die Black Queen die Insel entdeckt hatte, so konnte es auch dem spanischen Feind gelingen, durch Zufall auf sie zu stoßen.

      Folglich drängte die Lage nach einem raschen Aufbruch – Hasard durfte keine Zeit mehr verlieren. Eindringlich sprach er auf die neuen Freunde ein und legte ihnen die Gründe dar, die für ein schnelles Verlassen von Tortuga sprachen.

      Carlos Rivero sagte: „Mir leuchtet das alles ein. Es wäre unklug