Seewölfe Paket 20. Roy Palmer

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Название Seewölfe Paket 20
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954397792



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Er war sicher, damit eins der Schotten zum Achterdeck sprengen zu können. Die Aktion sollte am Abend stattfinden – wenn der Großteil der Gegner, wie er inständig hoffte, eingeschlafen war.

      Gomez Rascón beriet erneut mit seinen Männern. Sie hatten sich um das Pult in der Kapitänskammer gruppiert, und Solares entfachte eine Öllampe, die an einem Eisenhaken von einem der Deckenbalken baumelte. Es wurde dunkel.

      „Wir können uns zwei Tage halten“, sagte Rascón mit ernster Miene. „Wenn die Kerle vorn mehr Ausdauer und Zähigkeit beweisen als wir, sitzen wir letzten Endes doch am kürzeren Hebel. Ich glaube, auch bei Alentejo, der wie wir im Schlamassel steckt, schleicht sich diese Überlegung allmählich ein. Wir haben ja beobachten können, wie er sich mit seinen Leuten ins Achterdeck zurückgezogen hat.“

      „Aber er scheint verletzt zu sein“, sagte Elcevira. „Ich habe ihn zusammenbrechen sehen.“

      „Hoffen wir, daß es keine schlimme Blessur ist“, sagte Rascón. „Ich hoffe, wir finden noch die Möglichkeit, uns untereinander zu verständigen. Aber zurück zu unserem direkten Problem. Die Kerle können uns aushungern, wenn sie wollen. Vor allem der Trinkwassermangel ist bei uns schlimm.“

      „Sie vergessen, daß wir geringe Vorrats- und Trinkwassermengen, auch etwas Wein, in der Achterdeckspantry haben, Señor“, gab Solares zu bedenken. „Und so ist es auch auf der ‚Almeria‘.“

      „Natürlich weiß ich das“, sagte Rascón beinah ärgerlich. „Aber das muß doch sowieso rationiert werden. Und es reicht, wie ich ausgerechnet habe, allenfalls für zwei Tage.“

      „Ja“, sagte der Schiffszimmermann. „Im Vordeck hingegen sind die Hunde am Saufen und Prassen und plündern die Vorräte.“ Er schwieg, und sie lauschten den Geräuschen, die aus dem Vorkastell drangen: Lachen und Grölen, Singen und Brüllen.

      „Denen geht es besser als uns“, sagte Solares. „Aber das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Je mehr sie trinken, desto unachtsamer werden sie.“

      Damit hatte er recht. Beide Parteien belagerten sich gegenseitig, Vordeck und Achterdeck waren gewissermaßen sich feindlich gegenüberliegende Kastelle – wobei waffenmäßig aber der Vorteil beim Achterdeck lag.

      Ein Musketenschuß krachte auf dem Achterdeck, gleichzeitig war von der Back ein Aufschrei zu vernehmen. Rascón und seine Männer fuhren hoch und stürmten nach oben. Rascón war als erster am Schott und öffnete es vorsichtig einen Spaltbreit.

      „Señor Capitán!“ rief einer der Wachtposten von der Querbalustrade. „Bleiben Sie lieber, wo Sie sind! Die Kerle sind unberechenbar!“

      „Was ist geschehen?“ fragte Rascón.

      „Einer von ihnen hat seinen Kopf zu vorwitzig rausgestreckt – aus dem Backbordschott der Back“, entgegnete der Posten. „Da habe ich auf ihn geschossen. Ich habe ihn auch erwischt, weiß aber nicht, ob er tot ist.“

      „Ich hoffe es“, sagte Solares hinter Rascóns Rücken. „Denn diese Hunde haben nichts anderes als den Tod verdient.“

      „Ja“, pflichtete Rascón ihm bei. „Und wir behalten die hinhaltende Taktik bei. Vielleicht gelingt es uns doch, die Kerle auf diese Weise zu zermürben.“ Er hatte wieder etwas Hoffnung geschöpft. Wer der Stärkere war, hatten sie den Meuterern wieder einmal bewiesen. Und möglich war, daß nach diesem unerwarteten Zwischenfall drüben, im Vordeck, die Moral der Bande etwas nachließ.

      In der Tat – Fierro hatte die Ersatzrah vorbereiten lassen und wartete nur noch darauf, daß es vollends dunkel wurde. Doch jetzt dies: Das Krachen des Schusses und der Aufschrei des Mannes fielen zusammen, und dann stolperte der Mann zu ihnen ins Logis. Er hielt beide Hände vors Gesicht gepreßt. Das Blut lief ihm an den Wangen hinunter und quoll zwischen seinen Fingern hervor. Fierro, Vitaliano, Rosaria und die anderen stießen vor Wut und Entsetzen heftige Flüche aus.

      „Ich sehe nichts mehr!“ schrie der Kerl. „Helft mir, ich sehe nichts mehr!“

      „Wie ist das passiert?“ fragte Fierro ärgerlich. „Hölle, könnt ihr Idioten denn nicht aufpassen?“

      Der Kerl, der hinter dem Verwundeten hereinstürzte, stieß aufgeregt hervor: „Pedro hat keine Schuld! Er hat nur nachsehen wollen, was sich auf dem Achterdeck tut, da haben sie ihm das Ding verpaßt!“

      „Trotzdem ist er ein Idiot“, sagte Fierro verächtlich.

      „Dir wäre das nicht passiert, oder?“ fragte Rosaria.

      „Mir bestimmt nicht“, erwiderte Fierro und leerte seinen Becher, ohne sich groß um den Verletzten zu kümmern.

      Vitaliano war aufgestanden, zog Pedro in eine Ecke des Logis’ und sah sich die Blessur eingehend an.

      „Mein Gott“, stöhnte eine der Huren, die ihm dabei über die Schulter blickte.

      „Wasser her“, sagte Vitaliano schroff. „Und Rum. Beeilt euch. Wir können ihn doch nicht so weiterbluten lassen. Wer reißt sein Hemd in Fetzen, damit wir ihn verbinden können?“

      „In einem der Räume liegen saubere Tücher“, erwiderte Rosaria. „Die hole ich.“

      „Bin ich blind?“ stieß Pedro mit seltsam hoher Stimme hervor. „Ich sehe nichts mehr!“

      „Das rechte Auge ist hin“, entgegnete Vitaliano. „Aber das linke ist in Ordnung.“

      „Santa Maria, steh mir bei!“

      „Du bist nicht blind“, sagte Vitaliano. „Warte mal. Ich beweise dir, daß ich dich nicht anlüge.“ Er tunkte einen Lappen in die Muck voll Rum, die ihm eine der Huren reichte, dann begann er, mit dem scharfen Zeug das Gesicht des Kerls zu säubern, der prompt zu stöhnen und zu fluchen anfing, weil es höllisch brannte.

      „Siehst du mich jetzt?“ schrie Vitaliano ihn an. „Versuchs’ doch wenigstens!“

      „Ja! Ich kann dich erkennen!“

      „Also! Habe ich dich angeschwindelt?“

      „Nein, das hast du nicht!“ brüllte Pedro. „Du bist in Ordnung, Compagnero!“

      „Dann ist ja wieder alles in Butter“, sagte Fierro höhnisch. „Hölle, was haben wir doch für Helden in unserer Crew. Verdammt, mich haben sie früher, bei Cadiz, mal fast zu Brei geschossen, und ich habe trotzdem keinen Mucks von mir gegeben. Na, vielleicht können wir dich trotzdem gebrauchen, Pedro. Wenn der Kahn uns gehört, stecken wir dich in die Kombüse.“

      Vitaliano und Rosaria tauschten Blicke, die Fierro jedoch nicht registrierte. Auch die anderen Kerle und Huren begannen sich im stillen zu fragen, ob Fierro mit dieser Auffassung vom rechten Kameradschaftsgeist eigentlich der richtige Führer für sie war.

      Doch die Lage ließ keine weiteren Erwägungen zu. Fierro stürzte noch einen Becher Rum durch seine Kehle, dann sprang er auf.

      „Los!“ rief er. „Es ist genug gesoffen und palavert worden! Zeigen wir es den Hurensöhnen! Sturm! Wir erobern jetzt das Achterdeck!“

      Er verließ das Logis – leicht wankend, wie seine Kumpane feststellten. Er bückte sich nach der Ersatzspiere und hob sie auf. Stark war er, und Mut hatte er auch, das mußte man ihm lassen. Die Männer, die er für das Unternehmen ausgewählt hatte, schlossen sich ihm an und griffen ebenfalls nach der Rah. Vitaliano war unter ihnen, er stand unmittelbar hinter Fierro.

      In diesem Augenblick fragte sich Vitaliano, was geschehen würde, wenn er Fierro sein Messer zwischen die Rippen jagte. Dann war er der Anführer – und kaum einer würde etwas dagegen einzuwenden haben.

      Doch das war zu riskant. Ein innerer Streit war im Moment das letzte, was sie brauchen konnten. Vitaliano beschloß, sich auch weiterhin der Führungsrolle dieses Mannes zu beugen. Nur wenn Fierro eine Fehlentscheidung traf, würde er gegen ihn vorgehen.

      „Vorwärts“, sagte Fierro – und sie setzten sich in Bewegung.

      Sie drangen bis in den Laderaum