Seewölfe Paket 20. Roy Palmer

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Название Seewölfe Paket 20
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954397792



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ruhig visierte der Stör an. Seine Gedanken waren bei Gotlinde, deren Leben er jetzt retten half. Und seine Gedanken waren auch bei Thorfin, dem er nur dann wieder unter die Augen treten würde, wenn er sein Teil geleistet hatte, um das Mißgeschick an Bord des Schwarzen Seglers auszubügeln.

      Gelang ihm das nicht, würde er den Tod finden. Dies war dann in anderer Form das Gottesurteil, zu dem er sich schon auf der Schlangen-Insel entschlossen hatte.

      Er krümmte den Zeigefinger. Der Flint schlug auf den Reibstahl, das Zündkraut zischte. In dem Sekundenbruchteil bis zum Zünden der Ladung zitterte der schwere Pistolenlauf in den Fäusten des Störs um keinen Deut.

      Krachend entlud sich die Waffe. Das Mündungsfeuer stieß yardlang aus dem Lauf.

      Den vordersten der Kerle schleuderte das großkalibrige Blei gegen seine Kumpane. Der Mann schrie nicht einmal, der Einschuß in die linke Brusthälfte tötete ihn, noch bevor er zu Boden sank.

      Die beiden anderen wichen zurück und befreiten sich aus dem Wirrwarr.

      Der. Stör ließ die Pistole fallen und stürmte voran. Im Laufen zog er das Entermesser.

      Beide Spanier hatten Pistolen. Beinahe gleichzeitig rissen sie die Waffen hoch.

      Reflexartig duckte sich der Stör und wollte Haken schlagen.

      Zu spät.

      Grellrot stießen die Mündungsblitze auf ihn zu.

      Ein sengender Schmerz stach durch seinen rechten Oberarm.

      Die zweite Kugel ging fehl. Geistesgegenwärtig gelang es ihm, das Entermesser mit der Linken zu packen, bevor es ihm aus der kraftlosen Rechten fiel.

      Inzwischen hatten auch die beiden Spanier ihre leergeschossenen Pistolen weggeworfen. Der eine zog einen Degen, der andere einen Cutlass. Bis auf vier, fünf Schritte vom Ufer entfernt waren sie mittlerweile zurückgewichen.

      Der Stör dachte nicht daran, seinen Ansturm zu bremsen. Jetzt war er bereit, sein Leben wegzuwerfen – wenn er dadurch nur Gotlindes Leben retten konnte.

      Abermals stieß er sein Angriffsgebrüll aus, als er mit Todesverachtung auf die Kerle losging. Daß sie nicht zu unterschätzen waren, wußte er. Als ehemalige Soldaten der spanischen Armee waren sie immerhin ausgebildete Kämpfer. Vielleicht waren sie ihm sogar ebenbürtig.

      Wie leblos schlenkerte sein blutender rechter Arm, als er den vordersten der beiden Gegner erreichte. Sein erster Hieb zischte ins Leere, doch gerade noch rechtzeitig schaffte er es, das Entermesser wieder hochzureißen. Klirrend prallte die Degenklinge auf den blanken Stahl des Cutlass’.

      Aus den Augenwinkeln heraus sah der Stör den zweiten Kerl von rechts herannahen. Die breite Klinge seines Entermessers schimmerte im trüben Tageslicht. Jetzt wurde es brenzlig. Teuflisch. Nur noch Sekunden, dann hatte er es mit beiden Spaniern gleichzeitig zu tun.

      Abermals schaffte er es, den Kerl mit dem Degen ein Stück von sich wegzutreiben. Doch schon war der andere im Begriff, sich auf ihn zu stürzen.

      Im selben Moment peitschte es hell.

      Mit ungläubigem Staunen sah der Stör, wie der Mann mit dem Entermesser in sich zusammensank – als sei sein Lebensfaden jäh abgeschnitten worden. Erst im nächsten Atemzug bemerkte er den alten O’Flynn, der drüben auf der „Empress“ die rauchende Muskete sinken ließ.

      Der Moment der Ablenkung gab dem überlebenden Spanier Oberwasser. Mit einem Wutschrei stürzte er sich auf den Nordmann.

      Der Stör reagierte einen winzigen Moment zu spät, als die Degenklinge niedersauste. Die Ausweichbewegung gelang ihm fast noch, aber er konnte nicht verhindern, daß ihn der Hieb am Kopf streifte. Greller Schmerz durchzuckte ihn, und Schleier wallten vor seinen Augen auf.

      Doch die wilde Verzweiflung verlieh ihm ungeahnte Kraft und Entschlossenheit.

      In das Zurückweichen des Spaniers drang er mit einem blitzartigen Satz vor. Der Mann brachte seine Parade nicht schnell genug zustande.

      Die mächtige Klinge des Entermessers traf ihn, bevor er den Degen hochreißen konnte.

      Minutenlang stand der Stör regungslos da und starrte auf die Toten, die zu seinen Füßen lagen. Ein zufriedenes Lächeln spielte um seine Lippen. Dann gewannen die Schmerzen die Oberhand.

      Bewußtlos sank er in das Ufergestrüpp.

      Er merkte nicht mehr, wie Arkana, Bob Grey und Martin Correa mit dem Beiboot heranpullten und an Land sprangen. Er erwachte auch nicht, als sie ihn vorsichtig aufhoben und ins Boot betteten. Nur dieses zufriedene Lächeln lag noch immer in seinem Gesicht.

      Eine halbe Stunde später hatten sie die Wunden des Störs versorgt und ihm Notverbände angelegt. Die Toten wurden in der Mitte der Bucht den Fluten übergeben. Batuti, Jack Finnegan, Bob Grey und Martin Correa kehrten mit dem Beiboot zur „Empress“ zurück, nachdem sie die Schaluppe angebohrt hatten. Der morsche Kahn sank, noch bevor die Männer auf enterten.

      Gemeinsam mit Arkana und Old Donegal hielten sie auf dem Mitteldeck der „Empress“ eine kurze Beratung ab. Nur der Stör nahm nicht daran teil, denn Arkana hatte ihn strikt angewiesen, sich nicht aus seiner Koje zu wagen. Vor allem die Kopfwunde setzte ihm zu. Wenn er inzwischen auch das Bewußtsein wiedererlangt hatte, so war er doch noch völlig benommen.

      Batuti klatschte tatendurstig die Handflächen gegeneinander.

      „Geht’s jetzt weiter mit der Wurzelsuche? Ich denke, wir haben genug Zeit verloren.“

      „Nicht zu knapp“, sagte Old Donegal knurrend. „An die zwei Stunden haben uns diese verdammten Mistkerle gekostet.“

      „Und Gotlinde muß es womöglich ausbaden“, fügte Jack Finnegan mit besorgter Miene hinzu.

      „Die Zeit holen wir wieder heraus“, entschied die Schlangenpriesterin. „Ich hatte zwar vor, einen größeren Vorrat an Heilwurzeln mitzunehmen. Aber das, was wir bis jetzt gesammelt haben, reicht auch schon eine Weile.“

      „So häufig wird es wohl kein Kindbettfieber auf der Schlangen-Insel geben“, sagte Martin Correa augenzwinkernd.

      Bob Grey hieb ihm auf die Schulter.

      „Einfaltspinsel! Die Wurzeln helfen auch bei allen anderen Krankheiten. Stimmt’s, Arkana?“

      Die Schlangenpriesterin schüttelte lächelnd den Kopf.

      „Du irrst dich, Bob. Diese Wurzeln sind schon seit Jahrhunderten bekannt. Es handelt sich um ein altes Heilrezept, das ausschließlich bei Fieber verwendet wird.“

      „Also schafft ihr jetzt eure Körbe an Bord“, sagte Old O’Flynn kurz und bündig, „und dann segeln wir dem Gehörnten das zweite Ohr ab.“

      Die Männer hatten nichts dagegen einzuwenden. Noch einmal benutzten sie das Beiboot, um sich an Land zu begeben. Als sie kurze Zeit später mit den Flechtkörben zurückkehrten, war die „Empress“ bereits seeklar.

      Gegen elf Uhr lösten sie die Leinen und hievten den Anker. Mit unverminderter Stärke tobte der Sturm aus Osten. Doch keiner der Männer an Bord des kleinen Dreimasters ließ sich davon beeindrucken. Unter Vollzeug jagte die „Empress“ nordwärts, bei halbem Wind über Backbordbug segelnd.

      Arkana begab sich gleich nach dem Ankeraufgehen in die kleine Pantry des Dreimasters. Sie hatte sich mit einem kleinen Vorrat an Wurzeln versorgt, die sie nun säubern, zerkleinern und zu einem Sud zusammenkochen würde. Auf diese Weise konnte sie die Dauer der Fahrt der Schlangen-Insel bestens nutzen. Beim Eintreffen würde die Medizin bereits gebrauchsfertig sein.

      Während der darauffolgenden Stunden auf der sturmgepeitschten See dachte keiner der Männer daran, sich auch nur einen Moment Ruhe zu gönnen. Alle waren von dem festen Willen beseelt, die Route in kürzester Zeit zurückzulegen, damit Gotlinde so schnell wie möglich geholfen werden konnte.

      Noch bei Dunkelheit, gegen zwei Uhr morgens, erreichte die „Empress of Sea“ die Schlangen-Insel. Und abermals hatten Old Donegal und