Seewölfe - Piraten der Weltmeere 323. Roy Palmer

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Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 323
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954397204



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Er hätte sie nur am Fluß zu tränken brauchen, dazu braucht er doch keine Fähre.“

      Von Saxingen grinste. „Dann führt er sie wohl zum Schlachthof. Oder sie sollen auf irgendein Schiff.“

      „Es liegt kein größeres Schiff im Hafen“, sagte von Kreye mit einem neuerlichen, diesmal argwöhnischen Blick zu der Fähre.

      Die Fähre legte an, der Mann schwang sich in den Sattel eines Pferdes, ritt von Bord und führte die drei anderen Tiere mit sich fort. Er erreichte die Hafenpier, hielt an und begann, auf die See hinauszusehen, als erwarte er ein Schiff.

      Von Saxingen lachte hämisch. „Der Bursche gefällt mir, der hat Humor. Wenn er glaubt, da kommt ein Schiff, hat er sich wohl getäuscht. Es wird ja gleich dunkel, da tut sich nichts mehr. Und wir haben uns ja auch schon die Augen nach einer Galeone aus dem Kopf geglotzt, nicht wahr?“

      „Vielleicht weiß er mehr als wir“, gab von Kreye zu bedenken. „Vielleicht gehört er sogar zu ihnen.“

      „Zu wem?“ Das viele Bier zeigte nun doch einige Wirkung, mit von Saxingens Begriffsvermögen war es nicht mehr weit her.

      „Zu den englischen Hurensöhnen und ihrem Teufelskapitän“, erwiderte Bruno von Kreye. „Oder aber zu der von Manteuffel-Bande.“

      „Warum ist er dann hier und nicht auf seinem Schiff?“ fragte von Saxingen. Ungeniert gab er einen heftigen Rülpser von sich.

      „Ihn selbst können wir das nicht fragen“, erwiderte Bruno von Kreye. „Laß uns zu dem Fährmann gehen, vielleicht weiß der uns was zu erzählen.“

      „Meinetwegen“, brummte von Saxingen. „Aber so kommen wir doch nicht weiter, das sag ich dir gleich.“

      Ohne von dem Mann mit den vier Pferden bemerkt zu werden, gingen sie zur Wipper hinunter und traten zu dem Fährmann, der sich gerade anschickte, sich am Heck seines Fahrzeugs niederzulassen und ein Schläfchen zu halten.

      „Auf ein Wort, Mann“, sagte Bruno von Kreye. „Ich hätte gern eine Auskunft von dir.“

      „Das Übersetzen kostet einen halben Pfennig“, sagte der Fährmann. Ohne Hast schritt er auf die beiden Männer zu und musterte sie. Von weitem betrachtet, erweckten sie wegen ihrer teuren Kleidung den Eindruck hochwohlgeborener Persönlichkeiten, vor denen man sich zu verneigen hatte. Doch aus der Nähe stellte sich die Lage anders dar. Der Fährmann sah einen ferkelgesichtigen jungen Kerl und einen etwas älteren Mann mit vierschrötigem, unfreundlichem Gesicht vor sich. Seine Menschenkenntnis und Erfahrung sagten ihm, daß sie nichts Gutes im Schilde führen konnten. Vorsicht war geboten.

      „Wir wollen nicht rüber“, sagte Erich von Saxingen unwirsch. „Wir wollen was anderes. Wer ist der Kerl mit den Pferden?“

      „Der seltsame Mann, der eben den Fluß überquert hat“, fügte Bruno von Kreye hinzu, als müsse er noch etwas präzisieren. „Wer mag das sein?“

      „Tja“, sagte der Fährmann. „Wer mag das wohl sein?“

      Von Kreye zeigte ihm eine Silbermünze. Der Mann betrachtete sie interessiert, wurde aber erst richtig auskunftsbereit, als sie in seiner Hand verschwand.

      „Ich habe seine Sprache nicht verstanden“, sagte er. „Aber eins habe ich doch mitgekriegt – er ist ein Engländer. Er scheint, wenn ich seine Gesten richtig deute, auf der Pier auf zwei Schiffe zu warten.“

      Die beiden Junker tauschten einen Blick. Was von Kreye bereits vermutet hatte, schien sich zu bestätigen – der Mann mit den vier Pferden gehörte zur Crew der Seewölfe. Sie kannten ihn nicht, denn er war in der Bucht von Narwa nicht mit an Land gegangen und hatte das Gut der von Saxingens nicht aufgesucht.

      Sie wußten also nicht, daß er Gary Andrews hieß, daß er mitten in der Nacht von Bord der „Isabella“ gestürzt und in der See verschwunden war. Nach einem haarsträubenden Abenteuer, das ihn um ein Haar das Leben gekostet hätte, und nach einem beschwerlichen Ritt hatte er es nun endlich geschafft, Rügenwalde zu erreichen.

      All dies war den beiden unbekannt. Sie wußten nur das eine – daß sie sich von jetzt an noch vorsichtiger verhalten mußten.

      Sie schärften dem Fährmann ein, daß er kein Wort von dem, was sie gesprochen hatten, verlauten lassen dürfe, dann verschwanden sie in dem fahlen Dämmerlicht, das sich über Rügenwalde und seinen Hafen gesenkt hatte.

      Nicht weit von der Pier entfernt, auf der Gary Andrews stand und wartete, wählten sie ihren Beobachtungsposten hinter einer Jolle aus, die kieloben neben einem Geräteschuppen lag und offensichtlich frisch gepönt und kalfatert werden sollte. Hier gingen sie in Deckung. Erich von Saxingen war inzwischen wieder stocknüchtern.

      Im letzten verblassenden Büchsenlicht erspähten sie wenig später die beiden Schiffe, die sich dem Hafen näherten.

      „Mich laust der Affe“, sagte Bruno von Kreye. „Der eine Kahn ist doch tatsächlich die Galeone dieses Killigrew.“

      „Ich hole die Waffen“, zischte Erich von Saxingen. Mit diesen Worten war er auch schon in der Dunkelheit verschwunden.

      Mit gemischten Gefühlen verfolgte Bruno von Kreye, wie die beiden Segler in den Hafen einliefen. Deutlich genug waren immer noch die hohen Masten, die langen Rahruten und die flachen Aufbauten der „Isabella“ zu erkennen, aber auch die Umrisse des zweiten Schiffes. Es handelte sich um eine etwas kleinere Dreimast-Galeone. Von Kreye glaubte seinen Augen nicht zu trauen, als er auf dem Achterdeck die Gestalten zweier Menschen entdeckte, die ihm sehr wohl bekannt waren. Unwillkürlich hielt er den Atem an.

      Erich von Saxingen kehrte zu ihm zurück und kauerte sich neben ihn. Er hatte die Musketen mitgebracht, die sie an den Sätteln ihrer Pferde befestigt hatten.

      „Die Pferde habe ich auch vom Hof der Schenke geholt“, raunte er seinem Begleiter zu. „Ich habe sie drüben, in der Nähe der Hafenmeisterei, angebunden.“

      „Gut“, sagte von Kreye gedämpft. „Sieh mal, wer da auf dem Achterdeck der kleineren Galeone steht.“

      Von Saxingen spähte aus schmalen Augen über den Bootsrumpf.

      „Hol's der Henker“, murmelte er entgeistert. „Das sind ja – Arne von Manteuffel und die Freiin von Lankwitz. Hölle, jetzt wird mir einiges klar. Und auch der Kerl bei den vier Pferden ist mir nicht ganz fremd, wenn ich's mir recht überlege. Haben wir den nicht doch bei der Crew von dem Bastard Killigrew gesehen, als wir ihnen in der Bucht von Narwa begegneten?“

      „Mag sein“, flüsterte von Kreye. „Aber das ist jetzt doch egal, oder?“

      „Allerdings. Wichtiger ist, wo Hugo steckt.“

      „Das kriegen wir heraus“, zischte von Kreye. „Warte nur ab.“

      An Bord der „Isabella“ brach der Jubel los.

      „Gary – Gary!“ schrie jemand, und die anderen Männer stimmten mit ein. Auch an Bord der zweiten Galeone – der „Wappen von Kolberg“ – wurde gejohlt und gebrüllt, und aus den Häusern am Hafen stürzten die Menschen, weil sie glaubten, irgendein völlig verrückt gewordener Gegner habe sich in den Kopf gesetzt, Rügenwaldermünde anzugreifen.

      Sehr schnell legten die Schiffe an, und die Männer bildeten Spalier, als der hagere, übernächtigte, schmutzstarrende Mann aus dem Sattel seines Pferdes glitt, über die Stelling der „Isabella“ marschierte und sich bei seinem Kapitän zurück an Bord meldete.

      Hasard nahm Gary in die Arme. Er mußte es tun, denn Gary wurde jetzt von der Erschöpfung übermannt und sank zusammen. Was er erlebt hatte, war doch ein bißchen zu viel für ihn gewesen. Aber der Jubel wollte kein Ende nehmen. Hasard trug Gary zum Vorschiff, um ihn im Krankenraum unterzubringen. Keiner zweifelte daran, daß es nicht lange dauern würde, bis er sich erholt hatte und wieder auf den Beinen war. Sie hatten ihn schon für tot gehalten, und aus diesem Grund war die Überraschung, ihn in Rügenwalde anzutreffen, doppelt groß.

      Die beiden Junker