Seewölfe - Piraten der Weltmeere 147. Kelly Kevin

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Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 147
Автор произведения Kelly Kevin
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954394715



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noch an der Spitze geritten war, übte sich jetzt in vornehmer Zurückhaltung. Und das bewies deutlicher als alles andere, daß die Spanier sehr genau wußten, was sie dort oben auf der Mesa erwartete.

      „Halleluja“, sagte Ed Carberry ergriffen.

      El Vasco sagte etwas auf Eskuara. Der Seewolf verstand es nicht. Aber er hätte geschworen, daß es ein ganz besonders lästerlicher Fluch war.

      Der spanische Offizier, der das Unternehmen leitete, trug den schönen Namen José Maria Antonio Felipe y Gomez de Madre-Castillo.

      Er war klein und dürr und häßlich. Niemand, der ihn sah, hätte einen hervorragenden Offizier Seiner Allerkatholischsten Majestät in ihm vermutet. Und eben deshalb mußte er immer etwas besser sein als alle anderen. Vor allem, wenn es galt, seine Leute anzutreiben und tollkühne Pläne zu entwerfen. Tollkühne Pläne, bei denen dann meist andere den Kopf hinhalten mußten, die vielleicht selbst der Ansicht waren, daß bisweilen Vorsicht der bessere Teil der Tapferkeit sei.

      Selbst den Kopf hinhalten, das konnte José Maria Antonio Felipe nicht. Er hätte riskiert, daß seine kunstvolle Lockenperücke verrutschte. Und die üppigen weißen Rüschen an seinen Ärmeln waren im Kampf auch eher hinderlich. Aber dafür wirkten sie sehr eindrucksvoll, wenn er – so wie jetzt – mit großer Geste die Arme schwenkte.

      „Eine Kanone dort auf die Felsen! Eine dort – und eine da drüben! Adelante, adelante!“

      Sein Teniente verbarg seine wahren Gedanken hinter einer gußeisernen Miene und trieb die Männer an, die wiederum die Maultiere antrieben.

      José Maria und so weiter spähte zu dem Plateau hinüber. Sein endloser Name gelangte nur zu Ehren, wenn er bei einer Festlichkeit vom Zeremonienmeister angekündigt wurde. Seine Offiziere und Soldaten nannten ihn „Comandante“, jedenfalls wenn er in der Nähe war. Sonst hatten sie einen anderen Namen für ihn. „Pigmeo ferreo“, nannten sie ihn dann, den „eisernen Zwerg“. Aber nur, wenn sie ganz sicher waren, daß er es nicht hören konnte.

      Jetzt zog der „eiserne Zwerg“ ungeduldig die Brauen zusammen, weil ihm seine Leute die Kanonen nicht schnell genug in Stellung brachten.

      Dabei schufteten die Männer wie die Wilden, schleppten Kugeln und Kartuschen, brüllten auf die störrischen Maultiere ein und stemmten sich selbst in die Speichen der Karrenräder. Genau genommen war es ein Unding, die schweren Geschütze dort oben zwischen die Felsen schaffen zu wollen. Aber wie gesagt: der „eiserne Zwerg“ war sehr begabt darin, seine Leute zu Höchstleistungen anzuspornen.

      Ein siegessicheres Lächeln spielte um seine dünnen Lippen.

      Er kannte diese Mesa. Er wußte, daß die Rebellen nicht entwischen konnten. Im ungünstigsten Fall konnte man sie schlicht und einfach aushungern, aber der „eiserne Zwerg“ war überzeugt davon, daß es ihm schon vorher gelingen würde, sie aus ihren Schlupfwinkeln zu treiben.

      Das war dann das Ende des baskischen Widerstandes.

      Und ihm, José Maria Antonio Felipe y Gomez de Madre-Castillo, würde ein Vertreter Seiner Allerkatholischsten Majestät einen neuen Orden an die Brust heften.

      Der zwergenhafte Comandante lächelte, straffte die schmalen Schultern und drehte sich im Sattel, um seinen Leuten den Strick, die Garotte oder das Erschießungs-Kommando anzudrohen, wenn sie sich nicht endlich beeilten.

      „Comandante Pigmeo! Der eiserne Zwerg! Ich kenne ihn, diesen spanischen Leuteschinder!“

      El Vascos Augen glühten, seine Nasenflügel vibrierten. Genau wie die anderen beobachtete er die Soldaten, die mühselig die drei Kanonen in Stellung zu bringen suchten. Wenn sie es geschafft hatten, konnten sie den größten Teil des Plateaus beschießen. Aber es gab Deckungen genug, die für die schweren Eisenkugeln unerreichbar waren, und irgendein Ziel sahen die Spanier von ihren Plätzen aus auch nicht.

      „Die Munition wird ihnen ausgehen“, prophezeite einer der Basken.

      „Und uns werden die Vorräte ausgehen“, sagte Hasard trocken. „Sie können uns aushungern.“

      „Aber auf jeden Fall können sie nicht herauf.“

      „Genausowenig, wie wir hinunterkönnen, Mann!“

      Es war El Vasco, der das hervorstieß. Ohnmächtige Wut ließ seine Zähne aufeinanderknirschen. Hasard blickte ihn an und grinste matt.

      „Doch“, sagte er. „Wir können hinunter.“

      „Und wie sollen wir …“

      El Vasco stockte. In seinen dunklen, tiefliegenden Augen erschien ein wildes Funkeln. Al Conroy, der bis zum Rand der Felswand geschlichen war, um einen fachmännischen Blick auf die spanischen Kanonen zu werfen, boxte Carberry in die Rippen, und dessen Narbengesicht verzog sich triumphierend.

      „Die Zwillinge“, sagte er. „Sie haben die verdammte Schlucht einmal geschafft, sie werden sie auch ein zweites Mal schaffen. Und dann brauchen sie nur noch eine von den Strickleitern mitzunehmen, die wir an beiden Enden ordentlich belegen.“

      „Stimmt“, sagte Hasard. „Die Spanier kümmern sich offensichtlich nicht um die Schlucht, weil sie ihre Tücken kennen. Wir können also ohne große Schwierigkeiten von hier verschwinden. Aber ich fürchte, daß es damit nicht getan ist.“

      Die Männer sahen sich an.

      Al Conroy wiegte den Kopf. El Vasco fuhr mit allen fünf Fingern durch sein krauses, schon angegrautes Haar.

      „Die Spanier werden ziemlich schnell merken, daß sie ein leeres Plateau beschießen“, sagte er langsam. „Der ‚eiserne Zwerg‘ wird vor Wut schäumen und alles daransetzen, uns aufzustöbern.“

      „Und es wird ihm gelingen, zumindest unsere Spuren zu finden“, stellte Jan Joerdans fest. Der Geusenkapitän mit dem welligen hellbraunen Haar ließ den Blick schweifen. „Wir sind mehr als fünfzig Männer. Wir können nicht einfach nach Portugalete marschieren, ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen.“

      „Was wahrscheinlich bedeutet, daß die Spanier jedes Haus, jeden Schuppen und jeden Stall durchsuchen werden“, sagte El Vasco.

      „Und daß sich entschieden mehr Soldaten in Alarmbereitschaft befinden, als wir gerechnet haben“, setzte Friso Eyck hinzu. „Unser ganzer Plan steht und fällt mit der Möglichkeit, daß sich ein Stoßtrupp unbemerkt bis zur ‚Linterna Roja‘ durchschlagen kann. Und das geht nicht, wenn die ganze verdammte Stadt von spanischen Soldaten wimmelt.“

      Schweigen.

      Hasard hatte sich abgewandt und spähte aus schmalen Augen zu den Kanonen hinüber, von denen jetzt die erste zwischen den Felsen in Stellung gebracht wurde. Mit den beiden anderen mühten sich die Männer noch ab. Das Gros der Spanier hatte sich in drei Scharfschützen-Reihen auf der Ebene versammelt. Wahrscheinlich würde der kleine Comandante, den man hier den „eisernen Zwerg“ nannte, später einen Versuch unternehmen, die Felswand erklettern zu lassen. Unter dem Schutz von massivem Musketenfeuer auf den Rand des Plateaus und einer ebenso massiven Kanonade mochte das sogar gelingen. Wenn auch die armen Kerle, die von ihrem Vorgesetzten in dieses Abenteuer gehetzt wurden, bestimmt nicht zu beneiden waren.

      „Hast du vielleicht ’ne Idee, Sir?“ fragte Ed Carberry grollend.

      Hasard wandte sich um und grinste ihn an.

      „Sicher“, sagte er gelassen. „Wir müssen die Spanier schlagen, was sonst? Und zwar so vernichtend schlagen, daß keiner mehr nach Portugalete zurückfindet, um den Hafenkommandanten zu warnen. Das heißt, wir müssen sie absolut wasserdicht einkesseln und alles gefangennehmen, was sich ergibt.“

      Eine kurze Stille folgte seinen Worten.

      El Vasco und die baskischen Wächter glaubten, einen Scherz gehört zu haben. Nur daß Ed Carberry, Al Conroy und der Bootsmann Ben Brighton gar nicht so aussahen, als würden sie das als Scherz auffassen. Der Profos reckte mit einem zufriedenen Schnaufen die rahsegelbreiten Schultern. Ben Brightons ruhige graue Augen schienen die Stärke der Spanier abzuschätzen. Und selbst