Seewölfe - Piraten der Weltmeere 235. Roy Palmer

Читать онлайн.
Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 235
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954395712



Скачать книгу

Kinder ließ nach. Ruhe trat ein. Bald würde das Prasseln und Knistern der Flammen alle anderen Laute übertönen.

      Es war gut, daß niemand vor den Männern an Bord der Schiffe ausplaudern konnte, welche dunklen Aktivitäten im „Hofe des Herkules“ abgewickelt worden waren. Menschen- und Rauschgifthandel – beides war im Königreich Marokko, das unter dem direkten Einfluß von Spanien-Portugal stand, ein todeswürdiges Verbrechen.

      Die Berber, die vieles, aber nicht alles wußten, würden schweigen, desgleichen die entflohenen Eunuchen und die Dienerschaft. Dalida, die Abu Al-Hassans Lieblingsfrau gewesen war, war wie Mechmed durch Abu eng ins Vertrauen gezogen worden, doch auch sie würde natürlich kein Sterbenswörtchen von sich geben, so daß man den Spaniern gegenüber folgende Version der Ereignisse schildern konnte:

      Fremde Seeräuber waren aufgetaucht und hatten den Palast in einem tollkühnen Raid besetzt. Sie hatten getötet, wer sich ihnen in den Weg stellte, hatten an sich gerissen, was sie in die Finger kriegten, und waren dann wieder mit ihrer großen Galeone abgesegelt – nicht ohne vorher ihr zerstörerisches Werk durch einige Ladungen Schwarzpulver zu beenden.

      Alles das würde sehr glaubhaft klingen, und es hatte ja auch einen großen Wahrheitsgehalt.

      Dennoch war es für Mechmed und seine Berber ratsam, die nähere Umgebung von Melilla zu verlassen. Der Wesir von Melilla, der spanische Gouverneur und die anderen Obrigkeiten mochten Nachforschungen anstellen und in den Trümmern des Anwesens graben lassen. Dann kam ein Teil der Dinge, die verborgen bleiben sollten, doch ans Tageslicht, denn das Rauschgift konnte sich nicht völlig aufgelöst haben.

      Dalida war neben Mechmed getreten. Er sprach, ohne erneut den Kopf zu wenden.

      „Wir werden uns an den Giaurs rächen. Weißt du, wer sie sind?“

      „Nein. Ich glaube aber, es sind Engländer.“

      „Das ist wenigstens etwas. Die Spanier haben einen großen Haß auf die Engländer.“ Er deutete auf die Schiffe. „Sie werden uns helfen, die Hunde zu hetzen. Wir werden sie stellen und töten. Ich weiß, in welche Richtung sie segeln.“

      „Nach Norden?“

      „Ja. Willst du uns begleiten, Dalida?“

      Sie zögerte nicht mit ihrer Antwort. „Ich folge dir, Mechmed, aber nicht als deine Untergebene. Wir haben dasselbe Ziel, aber jeder von uns behält seine Eigenständigkeit.“

      „Gut. Einverstanden“, sagte er, obwohl ihm ihre Worte erheblich gegen den Strich gingen. In seinen Augen war eine Frau ein minderwertiges Wesen, ganz gleich, woher sie stammte und wie groß ihre Klugheit war. Eine Frau hatte jedem Mann gegenüber demütig zu sein und durfte nur etwas sagen, wenn sie von ihm gefragt wurde. Eine Frau sollte stets drei Schritte hinter dem Mann bleiben, der sie begleitete, und wenn er auf einem Pferd saß, hatte sie zu Fuß zu gehen.

      Dalida warf Mechmed einen verächtlichen Seitenblick zu. Sie kannte genau seine Gedanken und seine Einstellung, die sich nicht von den Ansichten eines Abu Al-Hassan und jedes anderen x-beliebigen Mohammedaners unterschied. Doch sie hatte die charakterliche Stärke, sich dem zu widersetzen. Sie würde sich keinem Mann mehr unterwerfen. Ein neuer Weg lag vor ihr, eine neue Zukunft.

      „Auch ich suche nach Vergeltung“, sagte sie leise. „Ich werde Abus Tod sühnen und besonders dem einen dieser Kerle heimzahlen, was er uns allen angetan hat. Dieses Scheusal hat mich erniedrigt und beschimpft. Ich werde ihm die Gurgel durchschneiden.“

      Voll Widerwillen dachte sie an die Szene zurück, die sie noch bildhaft vor Augen hatte: Sie, nackt bis auf ihre Armreifen und ihre Halskette, ihm gegenüber, der sich nicht von ihr hatte täuschen und einwickeln lassen. Er hatte sie geohrfeigt und von sich gestoßen, ein Riese von Mann mit narbigem Gesicht und gewaltigem Kinn.

      Die „Isabella VIII.“ hatte die Küste von Marokko achteraus gelassen und segelte mit raumem Wind auf Kurs Nordosten. Das Feuer war hinter ihrem Heck immer kleiner geworden und jetzt als winziger Punkt in der Finsternis verschwunden.

      „Niemand folgt uns, Sir!“ rief Philip junior, der immer noch mit seinem Bruder auf dem Ausguckposten im Großmars hockte. „Wir sind in Sicherheit!“

      Hasard, der bei Ben Brighton und den beiden O’Flynns auf dem Achterdeck stand, ließ es dabei bewenden und korrigierte seine Söhne nicht. Sie waren sehr stolz darauf, vor der nordafrikanischen Küste rechtzeitig genug die Bagalla Abu Al-Hassans bemerkt zu haben. Tatsächlich hatte ihre Wachsamkeit mit zum Gelingen des ganzen Planes beigetragen, denn wenn Mechmed und seine Kumpane schon eher zum Palast gelangt wären, hätte der Rückzug der Seewölfe sicherlich nicht so reibungslos geklappt.

      Jetzt aber überschätzten sie ihren scharfen Blick. Bei den derzeitigen Sichtverhältnissen – der Mond streute sein fahles Licht über der See aus – konnten sie allenfalls zwei, drei Kabellängen weit spähen und folglich nur das erkennen, was sich in unmittelbarer Nähe der „Isabella“ zeigte.

      Philips ausgesprochen optimistische Meldung konnte sich als falsch erweisen, denn es war gut möglich, daß auf die Entfernung von ein oder zwei Meilen beispielsweise die Bagalla als Fühlunghalter im Kielwasser der Galeone lief – vorläufig unsichtbar für Hasard und seine Männer.

      Mechmed würde keine Schwierigkeiten haben, der „Isabella“ zu folgen. Es bedurfte keines Scharfsinns, um sich auszurechnen, daß ihr Kurs nach Norden oder Nordosten führte, fort von der marokkanischen Küste und hinüber nach Europa, wobei es wahrscheinlich war, daß eine Mannschaft englischer Korsaren – bei allem Schneid, den sie hatte – die spanische Südküste um jeden Preis mied.

      Vor dem Wind segelnd, würde Mechmed mit der Bagalla auch nicht so weit zurückfallen, daß er die „Isabella“ beim ersten Tageslicht bereits aus den Augen verlor. Im Gegenteil, vielleicht holte er sogar auf. Und vielleicht wagte er jetzt, da sein Haß auf den Gegner riesengroß war, sogar einen Überraschungsangriff auf das Schiff. Eine solche Aktion hatte er drüben, bei Melilla, noch gescheut, da die Bagalla nur ein Geschütz hatte und der „Isabella“ in einem Seegefecht geradezu erbärmlich unterlegen war.

      Was er jedoch versuchen konnte, war ein rasches Entermanöver. Männer hatte Mechmed genug, und an Entschlossenheit mangelte es der Meute gewiß nicht. Je länger Hasard darüber nachsann, desto wahrscheinlicher erschien ihm, daß die Berber sich noch während der Nacht an die „Isabella“ heranpirschen würden.

      Hasard wandte sich zu Ben, Old O’Flynn und Dan O’Flynn um. „Ben, wir setzen jeden Fetzen Tuch, meinetwegen auch dein letztes Hemd.“

      „Aye, Sir.“

      „Wir bleiben auch weiterhin gefechtsbereit und halten die Augen offen. Ich möchte jeden weiteren Kampf nach Möglichkeit vermeiden. Ihr wißt schon, was ich meine, nicht wahr?“

      „Ja“, brummte der alte O’Flynn stellvertretend für alle drei. „Aber sie sollen nur aufkreuzen, diese Himmelhunde. Wenn sie uns auch nur ihren Bugspriet zeigen, rasieren wir ihn ihnen gleich weg. Diese Narren bilden sich doch wohl nicht ein, daß sie es noch mal mit uns aufnehmen können, was? Denen gerben wir das Fell, aber ganz gehörig.“

      „Langsam, Dad“, sagte sein Sohn. „Wenn du die Berber meinst – nun, die könnten immerhin Verstärkung aus Melilla erhalten haben. Schließlich haben wir im Harem und auf der Landzunge einen Feuerzauber veranstaltet, der es in sich hatte.“

      „Schon, schon.“ Der Alte sog scharf die Luft durch die Nase ein. „Aber womit wollen sie uns denn jagen? Mit noch mehr Bagallas? Mit Dhaus oder Feluken? Daß ich nicht lache.“

      „Melilla ist ein bedeutender Hafen, vergiß das nicht“, sagte der Seewolf. „Dort liegen auch die Spanier und Portugiesen. Sollten sie herauskriegen, daß wir es gewesen sind, die dem ehrenwerten Abu heute nacht einen Besuch abgestattet haben, werden sie ganz versessen darauf sein, uns nachzustellen.“

      Überrascht hob Old O’Flynn die Augenbrauen. „Richtig! Mann, daran hab ich noch gar nicht gedacht. Soll ich dir was sagen?“ Er senkte ein wenig die Stimme, damit die „Ladys“, die unten im Achterkastell saßen, ihn nicht verstehen konnten.