Seewölfe - Piraten der Weltmeere 331. Roy Palmer

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Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 331
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954397280



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Er wandte sich nach vorn, legte den Kopf in den Nacken und schrie zu Luke Morgan hinauf: „Luke! Signalisiere Arne, Siri-Tong und den anderen! Ich will keine Konfrontation mit den Spaniern!“

      „Aye, Sir!“ Luke nahm die Signalfahnen zur Hand und begann mit der Arbeit. Wenig später wurde von den Schiffen im Gefolge der „Isabella“ das Zeichen gegeben, daß die Nachricht aufgenommen und verstanden worden war.

      „Abwarten“, sagte Arne von Manteuffel auf der „Wappen von Kolberg“ zu Oliver O’Brien, der seine Grundkenntnisse der deutschen Sprache von Tag zu Tag auffrischte und fast keine Verständigungsschwierigkeiten mehr hatte.

      O’Brien nickte denn auch und sagte: „Kein Kampf? Das ist nur vernünftig.“

      „Wir sollen keine Angriffsabsichten zeigen“, teilte Siri-Tong auf dem Achterdeck von „Roter Drache“ ihrem Steuermann Barba mit. „Hasard hat recht, bei den Dons gibt es bestimmt kaum etwas zu holen. Ein Gefecht, bei dem auch wir ganz schön gerupft werden würden, lohnt nicht.“

      Barbas bärtiges Gesicht verzog sich leicht. „Aber wir wollen hoffen, daß die Kerle ihren Kurs ändern. Die sind imstande und segeln stur weiter auf Kollisionskurs. Und was tun wir? Weichen wir denen etwa aus? Zur Hölle, die Blöße würde ich mir nicht geben.“

      Ähnlich dachte auch Thorfin Njal auf dem Schwarzen Segler. Er war versucht, sich nachdenklich an seinem Kupferhelm zu kratzen, doch als er Gotlindes drohenden, zurechtweisenden Blick bemerkte, ließ er die Hand rasch wieder sinken.

      Jean Ribault, die Männer der Ramsgate-Werft und die Mitglieder von Siri-Tongs Crew an Bord der „Le Vengeur III.“ beobachteten schweigend den näher rückenden spanischen Verband. Ein feines Lächeln spielte um Ribaults Lippen.

      Auf der „Tortuga“ tauschten Jerry Reeves und Hesekiel Ramsgate einen Blick, und der alte Mann sagte: „Das kann noch dicken Ärger für uns geben. Wenn die Dons der Hafer sticht oder es sie sonst irgendwo juckt, eröffnen sie vielleicht das Feuer auf uns.“

      „Ohne Grund?“ fragte Reeves.

      „Die brauchen keinen Grund. Sie hassen uns Engländer wie die Pest.“

      Reeves blickte zu dem Konvoi der Spanier, der jetzt mit dem bloßen Auge zu erkennen war. „Ja, das stimmt. Aber aus Vorfällen wie dem in der Bretagne müssen sie doch irgendwie ihre Lehre ziehen. Sie werden nicht mehr lange die Vormachtstellung auf See halten können.“

      „Eben darum sind sie ja so wütend auf uns“, sagte der Alte, und Reeves hatte der Logik, die seine Worte enthielten, nichts entgegenzusetzen.

      Die Spannung an Bord der sechs Schiffe wuchs. Niemand wußte wirklich, wie sich die Spanier verhalten würden.

      Der spanische Verband bestand aus fünf dickbauchigen Handelsgaleonen von jeweils etwa dreihundert Tonnen. Den Geleitschutz bildeten drei Kriegsgaleonen und vier Karavellen. Das Flaggschiff war die „Vencedor“ – übersetzt „Sieger“ –, eine prunkvolle 450-Tonnen-Galeone mit insgesamt zwanzig 25-Pfündern, sechs 17-Pfündern und vier Drehbassen. Die beiden anderen Kriegsgaleonen von etwa vierhundert Tonnen hießen „Confianza“ und „San Mateo“. Diese Schiffe waren mit jeweils achtzehn 25-Pfündern, vier 17-Pfündern und vier Drehbassen armiert.

      Auf dem Achterdeck der „Vencedor“ herrschte nicht weniger Spannung als an Bord der „Isabella“. Generalkapitän Ramón Firuso de Fernández und sein Erster Offizier Jorge Aurelio Gozálbez beobachteten den englischen Verband durch ihre Spektive. Ihre Mienen waren verkniffen. Sie versuchten, so viele Einzelheiten wie möglich zu erkennen, um, was die Nationalität der sechs Schiffe betraf, keinem Irrtum zu erliegen.

      Ramón Firuso de Fernández war ein Mann, der mit einigen Komplexen behaftet war. Er litt unter seiner geringen Körpergröße, seiner Untersetztheit und einem unverkennbaren Hang zur Leibesfülle. Auf jede entsprechende Anspielung pflegte er sehr heftig zu reagieren. Dabei war er von seiner äußeren Erscheinung her keineswegs schwammig, sondern durchaus beweglich und behende.

      Trotz jeden Verzichts auf Gaumenfreuden gelang es ihm jedoch nicht, seinen Bauchansatz wegzuhungern. Seine Statur blieb so, wie sie war. Den einzigen Ausgleich führte er dadurch herbei, daß er den Bauch einzog. Das wiederum vergaß er in gewissen Situationen – ein Umstand, der ihn selbst am meisten ärgerte. Er hatte ein rundes, bartloses Gesicht und glattes schwarzes Haar. Eine Perücke trug er nicht.

      Gozálbez, sein Erster, war mittelgroß und breitschultrig, hatte dunkle Haare und ein schmales Dutzendgesicht mit Oberlippenbart. Er erwies sich in jeder Lage als ein völlig phantasieloser Mann, der seine Pflicht und sonst gar nichts tat. Jeden Befehl, den er von Don Ramón entgegennahm, führte er kritiklos und ohne großes Nachdenken aus. Das machte ihn bei der Crew nicht gerade beliebt, doch ihm war völlig gleichgültig, in welchem Licht ihn das „Decksvolk“ sah.

      „Kein Zweifel“, sagte der Generalkapitän, ohne das Spektiv sinken zu lassen. „Das sind Engländer. Das Schiff mit den schwarzen Segeln und das mit den roten Segeln führen zwar keine Flaggen, aber bei den anderen flattert der White Ensign im Großtopp oder im Besantopp. Wir haben den Feind vor uns, mein lieber Gozálbez, und wir sollten uns entsprechend verhalten.“

      „Die Engländer scheinen nicht auf einen Angriff erpicht zu sein, Señor!“

      De Fernández fuhr zu ihm herum und nahm das Rohr dabei ein Stück herunter. „Und? Was hat das Ihrer Meinung nach zu bedeuten? Nun? Daß sie uns wirklich kein Härchen krümmen wollen?“

      „Ich – das weiß ich allerdings nicht so genau“, entgegnete Gozálbez ausweichend. De Fernández war im Gesicht rötlich angelaufen, er schien in höchstem Maße erregt zu sein, und aus diesem Grund war Vorsicht geboten.

      Der Generalkapitän sog mit einem scharfen Geräusch Luft durch die Nase ein, seine Augen waren leicht geweitet.

      „Sie wissen es nicht?“ stieß er empört hervor. „Als ob Sie mit den verfluchten englischen Bastarden keine Erfahrung hätten! Ich will Ihr Gedächtnis ein wenig auffrischen! Denken Sie mal an die Niederlage der Armada zurück, an die Kämpfe vor Cádiz, an das, was uns diese Dreckskerle vor Frankreichs Küsten bieten – und an ihre Beutezüge in der Neuen Welt! Brauchen Sie noch mehr Gründe, um sagen zu können: Jeder Engländer gehört totgeschlagen oder aufgehängt? Wie?“

      „Natürlich hasse ich die Engländer“, beeilte sich Gozálbez zu versichern. „Sie sind ein Volk von Piraten und Schnapphähnen, von Galgenstricken und Lumpenhunden.“

      Das klang schon etwas besser in de Fernández’ Ohren.

      „Sehen Sie“, sagte er mit einem neuerlichen Blick zu dem allmählich näher rückenden Sechserverband. „Bei diesen Hunden weiß man nie, woran man ist. Sie sind die hinterhältigsten Halunken, die ich kenne, schlimmer noch als die Hugenotten oder die holländischen Ketzer. Por Dios, ich weiß gar nicht zu beschreiben, wie gefährlich und durchtrieben die sind.“

      „Wir müssen also mit allem rechnen, Señor?“

      „Ja. Auch damit, von ihnen einen Schuß vor den Bug zu erhalten, falls wir uns friedlich verhalten. Würden Sie sich eine solche Erniedrigung gefallen lassen?“

      „Selbstverständlich nicht“, erwiderte Gozálbez ohne Begeisterung.

      „Na also.“ Der Generalkapitän lächelte plötzlich auf bösartige, verschlagene Weise. „Unsere Devise muß lauten: Angriff ist die beste Verteidigung.“

      „Sie wollen das Feuer auf die Engländer eröffnen?“

      „Ja“, erklärte de Fernández. „Ist das so schwer zu begreifen? Wachen Sie endlich auf, Gozálbez. Sie träumen ja noch!“

      „Das Risiko, das wir eingehen, ist hoch“, gab der Erste zu bedenken.

      „Nein, denn wir befinden uns klar in der Überzahl“, sagte de Fernández. „Wir haben die doppelte Zahl an Schiffen. Wer immer die Hunde sind, wir erteilen ihnen eine Lektion, an die sie noch lange zurückdenken werden. Ich habe die Absicht, sie so zusammenzuschießen, daß sie nicht einmal mehr