Seewölfe - Piraten der Weltmeere 515. Burt Frederick

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Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 515
Автор произведения Burt Frederick
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954399239



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schon vor drei Wochen beim Bordschuster angemeldet. Aber mir scheint, daß wir im gesamten Verband nur einen von der Sorte haben. Klar, daß der seine Arbeit nicht schafft. Und mit der anderen Ausrüstung ist es auch nicht zum besten bestellt. Unsere Kleidung …“

      „Schluß!“ fuhr ihn der Corporal schneidend an. „Ich will das nicht gehört haben. Klar? Weißt du, was dir sonst passieren könnte?“

      Quaile schüttelte den Kopf und sah ihn mit großen Augen fragend an.

      „Nein, Sir. Warum? Ich habe doch nur gesagt, wie es ist. Davon ist doch nichts erlogen.“

      „Was verstehst du schon!“ rief Mahoney schnaubend. „Dein Gerede ist aufmüpfig, verstanden? Damit könntest du andere zur Meuterei anstiften. Hüte dich, verdammter Narr! Wenn ich das Admiral Hawkins melde, läßt er dich gleich an die Rah hängen. So was ist normalerweise ein Fall für das Kriegsgericht. Begriffen?“

      Rufus Quaile schluckte trocken hinunter. Ja, er hatte begriffen. Für ihn, den kleinen Seesoldaten, gab es kein Recht, die Dinge beim Namen zu nennen. Wenn er mit halbzerrissenen Stiefeln und schlechtsitzender Kleidung in den Kampf ziehen sollte, dann mußte er das eben als gottgegeben hinnehmen. Ebenso auch die Tatsache, daß er Kanonenfutter war. Die werten Admirale hockten gemütlich auf ihrem alten Hintern und beobachteten mit dem Spektiv, wie sich das primitive Fußvolk auf Befehl die Köpfe einschlagen ließ.

      Und Schweinehunde wie Mahoney durften außerdem noch ungestraft ihre sämtlichen Launen an dem kleinen Seesoldaten auslassen. Es war ein unwürdiges Leben. Es war genauso unwürdig wie damals in Glenmarren. Gäbe es nicht die grenzenlose Freiheit auf See, wäre dieses Leben für Rufus Quaile schon lange nicht mehr zu ertragen gewesen. Nichts hatte ihn jemals in seinem Leben so sehr beeindruckt wie die endlose Weite des Meeres.

      Stets war er bereit gewesen, auf See zum Wachdienst eingeteilt zu werden. Bei Nacht fast allein an Deck zu sein und Zwiesprache mit den Sternen und der Unendlichkeit zu halten, das gab ihm ein Gefühl überschwenglichen Glücks.

      Vielleicht lag es daran, so hatte er oft überlegt, daß Glenmarren in einem Tal lag und er dort immer nur die Berghänge und ein Stück vom Himmel gesehen hatte. Auf See hatte er gelernt, wie riesengroß diese Welt sein mußte.

      Neuerdings aber, in dieser sogenannten Neuen Welt, bereitete ihm der Dienst kaum noch Freude. Die Schikanen Mahoneys wurden immer schlimmer.

      „Ja, ich habe begriffen“, sagte Rufus Quaile leise und rappelte sich auf. Er zog die Muskete aus dem Sand und beeilte sich, zu den anderen zu gelangen. Dabei klang die lose Stiefelsohle, als ob jemand im Schrittrhythmus in die Hände klatschte.

      Drei Tage waren vergangen, seit Hasard junior den englischen Verband erspäht hatte. Der Beobachtungsposten auf dem Vulkanfelsen war inzwischen allen Männern der „Empress of Sea“ wohlvertraut. Denn Dan O’Flynn hatte angeordnet, den Verband der Admirale Hawkins und Drake Tag und Nacht im Auge zu behalten.

      Es war der Vormittag des 3. November 1595, als Dan O’Flynn gemeinsam mit Edwin Carberry auf den Felsen kletterte, um Sven Nyberg und Nils Larsen abzulösen.

      „Keine besonderen Vorkommnisse“, meldete Nyberg und unterdrückte ein Gähnen. „Sie haben wieder ein bißchen Landemanöver geübt, und jetzt fangen sie wieder mal an, Trinkwasser zu bunkern. Langweiliger geht’s kaum noch.“

      „Verzieht euch an Bord“, sagte Ed Carberry mit verhaltenem Grollen. „Mac Pellew hat die Kakerlaken aus dem Mehl gezupft und zum Frühstück ein paar feine Pfannkuchen gebacken.“

      „Ohne frische Eier?“ entgegnete Larsen mißtrauisch. „Soll das ein Witz sein, oder schmeckt’s tatsächlich?“

      „Kein Witz“, sagte Dan O’Flynn lächelnd. „Was eine erfahrene Kombüsenratte ist, die zaubert auch aus den einfachsten Mitteln einen Leckerbissen.“

      „Nur Bornholmer Räucherheringe nicht“, sagte Ed Carberry augenzwinkernd. „Da ist sogar der große Mac mit seinem Latein am Ende.“

      Die beiden Dänen wechselten einen Blick. Natürlich war ihnen klar, daß sich hier wieder mal ein Scherz auf ihre Kosten anbahnte. Die Bornholmer – und damit meinte man vor allem die goldgelb geräucherten Heringe, weniger die Bewohner der Insel – waren so etwas wie ein Nationalheiligtum. Etwas, dessen man sich überall auf der Welt rühmen konnte, sofern man ein Däne war. Ja, was die Bornholmer anbelangte, war man einfach über alle Sticheleien erhaben.

      „Himmel!“ rief Nils Larsen und verdrehte verzückt die Augen. „Ein Königreich würde ich geben – für einen einzigen Bornholmer!“

      „Na und?“ entgegnete Ed. „Läßt sich das denn nicht einrichten? Bei nächster Gelegenheit fangen wir ein paar Karibik-Makrelen, dann bringen wir den Räucherofen wieder in Gang, und der Kutscher und Mac Pellew werden in Gemeinschaftsarbeit die schönsten Bornholmer zaubern, die ihr euch vorstellen könnt.“

      Die Dänen verzogen entsetzt das Gesicht.

      „Makrelen sind keine Heringe“, sagte Sven Nyberg empört. „Und die Karibische See ist nicht die Ostsee.“

      „Da sehe ich keinen großen Unterschied.“ Carberry zog die Schultern hoch.

      „Wie solltest du auch“, erwiderte Larsen bissig. „Wer keinen richtigen Geschmackssinn hat, merkt so was ja auch nicht. Sven hat natürlich völlig recht. Erstens haben wir hier keine Ostseeheringe, und Makrelen sind kein Ersatz. Zweitens hängt’s von vielen anderen Dingen ab. Das fängt mit dem Salzgehalt des Wassers an, und das hört auf mit dem besonderen Klima von Bornholm, wo sie die Heringe nach dem Räuchern in der frischen Luft aufhängen.“

      Dan O’Flynn räusperte sich energisch.

      „Ich schlage vor, daß die Gentlemen ihre Diskussion an Bord fortsetzen. Du, Mister Carberry, kannst dich dann später immer noch daran beteiligen.“

      Die Dänen zogen los. Dan O’Flynn genoß als derzeitiger Kapitän der „Empress of Sea“ allen Respekt. In mancherlei Hinsicht war der Dienst mit ihm sogar angenehmer als mit dem bisweilen verbohrten Old Donegal. Wegen Beinbruchs auf der „Isabella“ zurückbleiben zu müssen war dem alten Zausel wohl nur dadurch verlockend erschienen, bald zu seiner geliebten Mary, geborene Snugglemouse, zurückkehren zu können, zumal Mary „etwas Kleines“ erwartete.

      Dan O’Flynn und Ed Carberry richteten sich auf dem rauhen Vulkanfelsen häuslich ein und beobachteten jene weite Bucht, in der sich am 30. Oktober Entscheidendes entwickelt hatte.

      Noch immer lagen die 27 Schiffe vor Anker. Ihre Bucht befand sich etwa eine Meile östlich der Ankerbucht der „Empress of Sea“. Die gerissenen alten Knaben, die den Verband führten, hatten natürlich genau gewußt, daß man hier, an der Südküste von Guadeloupe, verhältnismäßig ungestört war und sich in aller Ruhe auf das vorbereiten konnte, was man plante.

      Eben diese Vorbereitungen zogen die Gentlemen Hawkins und Drake denn wohl auch seelenruhig in die Länge. Oder war es etwa Unschlüssigkeit? Bedauerlich, daß man auf die Entfernung nicht hören konnte, was an Bord des Flaggschiffs und der fünf anderen großen Kriegsschiffe gesprochen wurde.

      „Da tut sich etwas“, sagte Dan O’Flynn unvermittelt.

      „Wo?“ Ed Carberry sah ihn fragend von der Seite an.

      Dan, der die schärfsten Augen aller Arwenacks hatte, brachte es glatt fertig, eine Kakerlake zu erspähen, die auf dem Kombüsenschott des Flaggschiffs herumkrabbelte.

      „Auf dem Achterdeck bei Hawkins“, erwiderte Dan. „Die Gentlemen versammeln sich. Würde mich nicht wundern, wenn der Admiral gleich höchstpersönlich erscheint.“

      Carberry spähte hinunter, nickte und schwieg einen Moment.

      „Und auf der ‚Defiance‘ fieren sie ein Beiboot ab!“ rief er unvermittelt. „Scheint wohl so, als ob da ein Admiral den anderen besucht, was, wie?“

      „Richtig“, sagte Dan. „Da ist Sir John. Er wird von zwei jungen Offizieren gestützt. Siehst du ihn?“

      „Klar.“