Seewölfe - Piraten der Weltmeere 481. Burt Frederick

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Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 481
Автор произведения Burt Frederick
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954398898



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daß sein Kopf in der Öffnung über dem Panzer hin und her wippte. Er sah dabei aus wie eine leblose Gliederpuppe, denn der Genuese legte in der Tat unglaubliche Kräfte an den Tag.

      „Nein!“ schrie er. „Es gibt keine Vernunft! Wo, in aller Welt, gibt es denn noch Vernunft? Weshalb soll dann ausgerechnet ich vernünftig sein? Ich will es nicht! Ich kann es nicht! Menschen sterben, und wir hören tatenlos zu, ergötzen uns daran! Wo bleibt da die Vernunft?“

      Auch der Capitán und die Offiziere auf dem Achterdeck waren mittlerweile aufmerksam geworden.

      Sangioveses Geschrei übertönte das Rauschen des Wasserfalls und das Gebrüll der in der Höhle Eingeschlossenen.

      „Decksältester!“ brüllte Capitán Gaspar de Mello. „Sorgen Sie für Ruhe, verdammt noch mal!“

      „Jawohl, Capitán!“ rief der Decksälteste zurück, ein gutmütig aussehender, stämmig gebauter Mann. Seinen Rang in der Schiffsmannschaft hatte er dadurch erworben, daß er schnell und wirkungsvoll zuschlagen konnte, wenn es angebracht war. Kein Hitzkopf, der schneller mit den Fäusten war als mit dem Mund. Nein, für den Rang des Decksältesten brauchte eine Schiffsführung einen besonnenen Mann, der zudem noch das Vertrauen der gesamten Crew genießen mußte.

      In diesem Fall verhielt es sich so. Alle auf der Kuhl nickten zustimmend, als sie den Befehl des Kapitäns vernahmen. Sangiovese mußte durchgedreht sein. Vielleicht hatte ihm die Sonne das Hirn unter dem Helm zum Kochen gebracht, und das Ergebnis war dieses krause Zeug, das ihm aus dem Mund sprudelte.

      „Zum letzten Mal, Mario“, sagte Enrique Carrizo. „Nimm die Hände weg. Oder du lernst mich von einer Seite kennen …“

      „Du?“ unterbrach ihn Sangiovese schrill. „Ausgerechnet du? Du, der du behauptet hast, mein Freund zu sein – du willst mir sagen, was ich zu tun und zu lassen habe? Du, der du genauso niederträchtig und menschenverachtend bist wie alle anderen?“

      „Mario, um Himmels willen!“ brüllte Carrizo und versuchte abermals die klammernden Hände von seinem Brustpanzer loszureißen. „Hör endlich auf mit dem Blödsinn! Warum, zum Teufel, hast du dann das Geschütz gezündet? Warum hast du nicht den Befehl verweigert, wenn dir so viel an den ach so bedauernswerten Kerlen da oben liegt? He, warum hast du das nicht getan?“

      Sangioveses Blick wurde plötzlich starr. Seine ganze Haltung verkrampfte sich. Die Augen schienen ihm aus den Höhlen quellen zu wollen.

      Carrizo mühte sich vergebens ab. Er hatte den Eindruck, daß Marios Klammerfäuste aus Eisen waren. Es schien fast so, als müßte man ihm die Knochen brechen, wenn man sie überhaupt lösen wollte.

      „Sangiovese“, sagte der Decksälteste ruhig. Er war hinter die Männer bei der Culverine getreten. „Nimm Vernunft an. Bewahre Ruhe und belästige deinen Kameraden nicht.“

      Auch der Teniente, dem die Seesoldaten unmittelbar unterstanden, hatte sich genähert. In Belange der Borddisziplin, soweit sie nicht militärische Aspekte betrafen, wollte er sich jedoch nicht unbedingt einmischen.

      Der Genuese stand steif wie ein Brett.

      Carrizos Zorn war in Besorgnis umgeschlagen. Es hatte den Anschein, als würde seinem Amigo gleich der Schädel platzen. Da schien irgend etwas im Inneren seines Kopfes zu sein, das sich ausdehnte und mit aller Macht gegen die Augen und die Adern drückte. Denn sie traten hervor, als würden sie die gebräunte Haut des schlanken Mannes sprengen.

      „Sangiovese“, wiederholte der Decksälteste, energischer jetzt. „Ich fordere dich zum letztenmal auf, meinen Befehl zu befolgen. Bei Nichtgehorsam muß ich Gewalt anw…“

      Die letzten Silben blieben ihm im Hals stecken.

      Sangiovese zerrte seinen spanischen Freund herum, so urplötzlich, daß Carrizo zu überrascht war, um sich wirksam zu wehren. Überdies waren die Kräfte des Genuesen wahrhaft verblüffend. Er trieb Carrizo gegen den Decksältesten, bevor auch dieser überhaupt reagieren konnte.

      Der Decksälteste taumelte unter dem Anprall zurück und ruderte mit den Armen, um das Gleichgewicht zu halten. Der Teniente, der ihm zu Hilfe eilen wollte, schlug mit ihm auf die Planken. Carrizo stürzte als dritter obendrauf, und ein Knäuel aus um sich schlagenden Armen und Beinen entstand.

      Sangiovese begann unterdessen, sich wie ein Kreisel zu drehen. Die Hände hatte er dabei flach auf den Brustpanzer gelegt.

      „Ihr Schweine!“ schrie er in schrillem Diskant. „Ihr seid alle Schweine! Menschenleben kümmern euch nicht! Ihr tötet und tötet und haltet euch in eurer Selbstherrlichkeit auch noch für gerecht! O mein Gott, wann wird auf dieser Welt endlich Frieden herrschen? Wann werdet ihr Schweine endlich begreifen, daß ihr es seid, die immer wieder den Tod und das Verderben unter die Menschheit bringen!“

      Capitán de Mello und die Offiziere standen mittlerweile an der Querbalustrade. Einen Moment waren auch sie von dem rätselhaften Verhalten des Genuesen in Fassungslosigkeit geraten.

      „Festnehmen!“ befahl de Mello jetzt schneidend, indem er eine Atempause des sich drehenden Mannes nutzte. „Alle verfügbaren Kräfte – nehmt den Mann fest!“

      De Mello hatte Sangioveses Zustand sehr richtig eingeschätzt. Sechs Mann, die von zwei benachbarten Geschützen losstürmten, reichten gerade aus, um ihn zu überwältigen. Nur mit äußerster Mühe konnten sie ihn halten, wie er sich in ihrem Griff wand und versuchte, mit den Stiefeln nach ihnen zu treten.

      Carrizo, der Decksälteste und der Teniente hatten sich inzwischen wieder aufgerappelt.

      Carrizo umrundete eilends den kleinen Pulk von Männern. Als er vor seinem Amigo stand, erschrak er. Schaum hing in Sangioveses Mundwinkeln, seine Augen waren gerötet und blutunterlaufen.

      „Mario“, hauchte er, „um Himmels willen, was ist mit dir?“

      Der Blick des Genuesen begann zu flackern. Es schien, als hätten ihn die besorgten Worte seines Freundes in die Wirklichkeit zurückgeholt. Einen Moment hatte es den Anschein, als wollte Sangiovese versuchen, sich zu räuspern, um ein vernünftiges Wort an den Spanier zu richten. Doch unvermittelt verdrehte er die Augen und sank kraftlos im harten Griff der Männer zusammen.

      „Der Feldscher soll sich um ihn kümmern!“ ordnete de Mello an. „Ich erwarte einen sofortigen Bericht.“

      „Jawohl, Capitán“, antwortete der Decksälteste und gab den Männern einen Wink, den Ohnmächtigen zum Vorschiff zu tragen.

      „Señor Carrizo, zu mir?“ rief der Kapitän.

      Der Spanier eilte zum Steuerbordniedergang, nahm Haltung an und salutierte.

      „Capitán?“

      „Wie ich verstanden habe, sind Sie mit Sangiovese befreundet. Haben Sie eine Erklärung für sein sonderbares Verhalten?“

      „Nein, Capitán. Es tut mir leid, aber ich kann es selbst nicht begreifen. So etwas hat sich Mario Sangiovese noch nie geleistet. Manchmal ist er ein bißchen still. Er redet sowieso nicht gern und ist eigentlich genau das Gegenteil von dem, wie er sich eben gebärdet hat.“

      „Er ist Italiener, nicht wahr?“

      „Ja, Capitán. Sein Vater ist ein Kaufmann aus Genua, der sich in Barcelona niedergelassen hat. Deshalb kam Mario in unser Land. Wir wurden gemeinsam Soldat. Manchmal glaube ich, daß er in seinem Herzen immer noch Italiener ist, obwohl er sich alle Mühe gibt, sich anzupassen.“

      „Hat er öfter Heimweh gehabt?“

      „Ich glaube schon, Capitán, wenn er es auch nicht ausgesprochen hat.“

      De Mello nickte.

      „Gut. Lassen Sie sich von Ihrem Teniente freistellen und kümmern Sie sich um Ihren Freund. Berichten Sie mir, sobald Sie etwas Ungewöhnliches an ihm bemerken.“

      Carrizo salutierte abermals.

      „Darf ich mir noch eine Frage erlauben, Capitán?“ sagte er vorsichtig.

      „Nur