Название | Seewölfe - Piraten der Weltmeere 30 |
---|---|
Автор произведения | Roy Palmer |
Жанр | Языкознание |
Серия | Seewölfe - Piraten der Weltmeere |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783954392728 |
Al war ein wenig blaß geworden. „Nein, Sir.“
„Noch etwas zu meckern, Mister Conroy?“
„Nein, Sir.“
Dan O’Flynn hockte auf seinem Ausguckposten im Großmars, schaute auf die Männer hinunter und schüttelte den Kopf. Sein einziger Zuhörer war Arwenack, der Schimpansenjunge. Der saß mit trübseliger Miene auf dem Rand der Segeltuchverkleidung und kratzte sich am Kopf.
„Ganz unter uns“, sagte Dan. „Ich frage mich langsam, ob Hasard noch richtig im Kopf ist. Entweder hat er sich in den Kopf gesetzt, uns alle langsam aber sicher weichzuklopfen. Oder er entwickelt sich zu einem bulligen Urviech wie sein Alter, Sir John. Das wäre schlimm, Arwenack.“ Dan legte den Kopf schief. „Oder aber er plant was ganz Bestimmtes, wozu er eine noch bessere und verläßlichere Mannschaft braucht. Die Crew war ja schon immer ein verwegener Haufen, aber jetzt will er sie offensichtlich in eine Kampfmaschine verwandeln, die absolut zuverlässig ist. Na, ich bin mal gespannt, was daraus wird.“
Arwenack nickte ernst, als hätte er wirklich verstanden.
Unten auf der Kuhl wandte sich der Seewolf an Ben Brighton. „Ben, ab morgen früh übernimmst du für vierundzwanzig Stunden Aufgaben und Verantwortung des Kapitäns an Bord dieses Schiffes, während ich mich ausschließlich als Beobachter im Hintergrund halte. Von jetzt an setze ich jeden Tag einen anderen Mann als Kapitän ein, damit jeder von euch Himmelhunden auch das lernt und vor allen Dingen ein unerschütterliches Selbstvertrauen kriegt.“
Ben Brighton und alle anderen blickten Hasard verdutzt an. Was war los? Redete der Seewolf im vollen Ernst? Oder sprach er mit zwei Zungen? Etwas unschlüssig fuhr sich Ben mit der Hand über das Kinn.
„Was ist?“ erkundigte sich Hasard. „Habe ich mich nicht deutlich genug ausgedrückt, Mister Brighton?“
„Doch, ehm – aye, aye, Sir!“ erwiderte Ben rasch.
2.
Erst in der vierten Woche der Fahrt ließ Philip Hasard Killigrew die sprichwörtliche Katze aus dem Sack. An diesem bedeutungsvollen Tag führte Ferris Tucker als „Kapitän“ das Oberkommando über die „Isabella“. Erst gegen Abend löste Hasard ihn ab und erteilte den Befehl, alle Männer sollten sich auf der Kuhl versammeln. Ferris Tucker entfernte sich ziemlich verlegen. Ganz geheuer war es ihm nicht gewesen, den Kapitän zu mimen. Gemeinsam mit Ben Brighton, Smoky und Karl von Hutten trommelte er die Crew zusammen. Hasard stand auf dem Quarterdeck, als sie sich am Großmast zusammendrängten und erwartungsvoll zu ihm aufschauten. Er blickte sie der Reihe nach an. Es waren 26 Mann, davon dreizehn Mitglieder der alten Stammcrew, seit auch Ed Carberry die „Golden Hind“ von Francis Drake verlassen hatte und zu dem Seewolf gestoßen war. Zwölf waren ehemalige Karibik-Piraten – mit Gordon Watts waren es dreizehn gewesen. Karl von Hutten, der sechsundzwanzigste, war eigentlich ein Außenseiter, jedoch nur seiner Herkunft nach. Er hatte sich binnen kürzester Zeit tadellos angepaßt und war wie alle anderen ein Mann, auf den Hasard nicht mehr verzichten mochte.
Hasard begann: „Ich glaube, ihr habt es verdient, eine Erklärung zu erhalten. Vorher möchte ich aber wissen, ob sich irgend jemand von euch schon mal präzise Gedanken darüber gemacht hat, warum wir uns auf Südkurs befinden.“
Karl von Hutten meldete sich zu Wort: „Meiner Meinung nach willst du das Schicksal herausfordern, Hasard. Angst habe ich nicht, wenn es darum geht, den verfluchten Philips eins zu verpassen. Nur will ich dir eins zu bedenken geben: Nach unserem Schlag gegen Panama muß bei den Spaniern nun wirklich allerhöchste Alarmstufe herrschen, ganz abgesehen davon, daß ja auch Francis Drake unablässig im Südmeer Beute gerissen hat. So wie ich die Spanier kenne – und ich kenne sie sehr gut –, lassen sie nichts unversucht, um uns zu fassen und zu vernichten. Vielleicht bist du so verwegen, durch die Magellanstraße nach England zurücksegeln zu wollen. Aber ich bin sicher, daß unser Gegner sie bereits abgeriegelt hat und auf uns lauert.“
„Mit anderen Worten“, rief Jean Ribault, „Karl ist der Ansicht, daß ein solcher Plan reiner Wahnsinn ist! Die Männer deiner alten Crew wissen im übrigen doch auch, was da unten für eine Hölle los war. Warum sollen wir unbedingt den Tod suchen?“
„Warum läßt du uns wie Fische am Haken zappeln?“ fragte Stenmark.
Hasard grinste. Es war schon einige Zeit her, daß er nicht mehr in ihrer Gegenwart gelächelt hatte. Manch einem fiel der berühmte Stein vom Herzen. Zum ersten Mal, seitdem sie Culebra verlassen hatten, schien Hasard sich wieder in den alten Seewolf zurückzuverwandeln. Er hatte die Crew fester in der Hand, hatte alle Zweifel ausgeräumt, die ihn wochenlang bewegt hatten. „Erinnert ihr euch noch an die ‚Victoria‘?“ fragte er.
Plötzlich lachten die Männer. Sie stießen sich an, tauschten Blicke aus und rissen Witze über jenen Raid, in dem sie Mitte März vor Panama die Galeonen der Spanier gekapert und ausgeplündert hatten. Und ob sie sich an die „Victoria“ erinnerten! Sie hatten sie um eine stattliche Ladung Perlen erleichtert, den gesammelten Reichtum in den Frachträumen der „Isabella“ verstaut und dann weitere spanische Galeonen versenkt. Die wenigen Besatzungsmitglieder, die sich an Bord befunden hatten, hatten sie auf den Panama vorgelagerten Inseln ausgesetzt.
„Also“„ meinte Ben Brighton, „entweder bin ich ein bißchen schwer von Begriff, oder ich habe heute meinen schlechten Tag – jedenfalls hab ich immer noch nicht kapiert, auf was du hinauswillst.“
Hasard grinste immer noch, in seinen Augen tanzten plötzlich tausend Teufel. Er sah Dan O’Flynn an, aber in dem Gesicht des Bürschchens verriet noch keine Regung, daß er endlich verstanden hatte. Dabei hätte er der erste sein müssen, der begriff!
Hasard sagte gelassen: „Ich habe die ‚Victoria‘ von oben bis unten durchsucht, wie ihr wißt. Was euch nicht bekannt ist: In der Kapitänskammer stieß ich auf einen Mann, der gerade eine Truhe durchwühlte. Der Kapitän Juan Bravo de Madinga war ja nicht an Bord, sondern befand sich auf Landgang mit dem Hafenkommandanten und Konsorten. Ich knöpfte mir also den Eindringling vor. Erst wollte er nicht mit der Wahrheit rausrücken. Aber dann stellte sich heraus, daß er ein Spitzel des Vizekönigs von Peru war. Er hatte den Auftrag, de Madinga zu beschatten. De Madinga stand in dem Verdacht, seit ungefähr zwei Jahren von allen Schatzladungen, die er nach Panama bringen sollte, eine ganz gehörige Portion für sich abzuzweigen.“
„Also ein windiger Hund wie dieser Hafenkommandant de Roja und der Präfekt de Villanueva“, warf Jean Ribault ein. „Gibt es denn keinen Don, der nicht an Unterschlagungen und Betrug denkt? Die kennen keine Loyalität und gegenseitiges Vertrauen, sondern jeder denkt nur an seinen persönlichen Vorteil. Meiner Ansicht nach sind das glatte Dekadenzerscheinungen.“
„Was ist das Dekadenz?“ wollte Nils Larsen wissen.
„Verfall“, gab Karl von Hutten zurück.
„Der Spion heißt Sancho Ortiz“, fuhr Hasard fort. „Ich beutelte ihn ordentlich durch und klopfte noch aus ihm heraus, daß er bereits mehr in Erfahrung gebracht hatte, als er zugeben wollte. De Madinga hatte seine Privatschätze in einer kleinen Bucht südlich von Callao verborgen. Die ‚Victoria‘ hatte als Heimathafen ja Callao, wenn ihr euch erinnert. Das geheime Versteck hatte de Madinga auf einer Seekarte mit einem Kreuz bezeichnet.“
„Ha!“ stieß Dan mit einem Mal aus. „Jetzt geht mir ein ganzer Kerzenleuchter auf! Ich war ja dabei, als du diesen Ortiz aushorchtest, Hasard. Wir haben ihn zusammen mit den anderen Besatzungsmitgliedern auf der Insel Taboga ausgesetzt, wo er noch schmort, wenn ihn keiner gefunden hat.“
„Ich untersuchte die Truhe und fand eine braune Mappe aus Schweinsleder“, sagte Hasard. Er sah, wie sich die Augen der Männer weiteten, wie hier und dort Münder aufklappten. Geradezu genüßlich berichtete er weiter: „Darin