Briefe über den Yoga. Sri Aurobindo

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Название Briefe über den Yoga
Автор произведения Sri Aurobindo
Жанр Эзотерика
Серия
Издательство Эзотерика
Год выпуска 0
isbn 9783963870583



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      Meist ist es das äußere Bewusstsein, das sich im gewöhnlichen Leben ausdrückt, nämlich das äußere Mental, Vital und Physische. Es steht mit dem inneren Wesen, von wenigen abgesehen, in keiner engen Verbindung – im Verlauf Sadhana werden die beiden dann miteinander verbunden.

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      Sie [inneres Mental und inneres Vital] üben einen Einfluss aus, sie senden ihre Kräfte oder Anregungen, die das äußere Bewusstsein so gut es kann ausführt und die es manchmal auch nicht ausführt. Das Ausmaß ihrer Einwirkung auf das äußere Bewusstsein hängt davon ab, wieweit die Individualität ein inneres Leben besitzt. So leben zum Beispiel der Dichter, Musiker, Künstler und Denker sehr aus dem Inneren – geniale Menschen und solche, die einem Ideal gemäß zu leben versuchen. Doch gibt es viele Menschen, deren inneres Leben unbedeutend ist und die ganz und gar von den Kräften der Natur gelenkt werden.

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      In dem Maße wie wir von Leben zu Leben Erfahrungen sammeln, mentale oder vitale, entwickeln sich auch unser inneres Mental und inneres Vital – entsprechend dem Gebrauch, den wir von unseren Erfahrungen machen und entsprechend dem Maß, in dem wir sie für das Wachstum des Wesens anwenden.

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      Das äußere Wesen ist lediglich ein Mittel des Ausdrucks, es ist nicht das eigene Selbst. Man darf sich mit ihm nicht identifizieren, denn es drückt eine Persönlichkeit aus, die von der alten, unwissenden Natur geformt wurde. Nur wenn man sich nicht damit identifiziert, vermag man es zu ändern, um die wahre, innere Licht-Person auszudrücken.

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      Sie [äußeres Mental, äußeres Vital und äußerer Körper] sind zwar klein, doch trotz ihrer scheinbaren Bedeutungslosigkeit nicht unwichtig, denn sie sind notwendige Mittler zwischen der Seele und der äußeren Welt.

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      Das äußere Bewusstsein ist eingeschlossen in die Begrenzung des Körpers und in das wenige des körperbedingten persönlichen Mentals und Empfindens – es blickt allein nach außen, sieht nur die Dinge. Doch das innere Bewusstsein vermag hinter die Dinge zu sehen, es gewahrt das Spiel der persönlichen oder universalen Kräfte, denn es ist in bewusstem Kontakt mit dem universalen Wirken.

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      Unser inneres Wesen ist in Kontakt mit dem universalen Mental und Leben, mit der universalen Materie. Es ist ein Teil von alldem, doch gerade deshalb kann es nicht im Besitz von Befreiung und Frieden sein. Wahrscheinlich denkst du an den Atman und verwechselst ihn mit dem inneren Wesen.

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      Das innere Wesen kann nicht über einem „verankert“ sein, es kann sich nur mit dem „darüber“ verbinden, es durchdringen und von ihm durchdrungen werden. Wenn es sich darüber befände, wäre es kein inneres Wesen.

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      Ich verstehe nicht, was du damit meinst, das innere Wesen „umgebe“ die Seele. Ganz offensichtlich steht es der Seele näher als das äußere Mental, Vital oder der Körper, doch ist dies keine Garantie dafür, dass es allein der Seele gegenüber offen ist und nicht auch anderen universalen Kräften.

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      Die Seele kann den Frieden hinter sich haben – doch das innere Mental. Vital und Physische sind nicht notwendigerweise voller Schweigen, sie sind voller Bewegungen. Es ist das höhere Bewusstsein, das die Grundlage des Friedens besitzt.

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      Das innere Wesen ist meist nicht unruhig, doch kann es genauso wie das äußere Wesen ruhig oder unruhig sein.

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      Die inneren Wesensteile eines jeden Menschen bleiben entweder gewöhnlich oder werden verfeinert, je nachdem ob sie den nach außen gerichteten Kräften der Unwissenheit oder den höheren Kräften von oben und den inneren Impulsen der Seele zugewandt sind. Alle Kräfte können sich dort betätigen. Es ist das äußere Wesen, das in einem bestimmten Charakter, in bestimmten Neigungen und Regungen festgelegt ist.

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      Das innere Wesen hat ein ihm eigenes Zeitmaß, das manchmal langsamer, manchmal schneller als das stoffliche ist.

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      Das Individuum ist nicht auf den physischen Körper begrenzt – nur das äußere Bewusstsein empfindet dies so. Sobald man über dieses Gefühl der Begrenzung hinwegkommt, kann man zuerst das innere Bewusstsein fühlen, das mit dem Körper verbunden ist, jedoch nicht zu ihm gehört, dann die Bewusstseins-Ebenen über dem Körper und auch ein den Körper umhüllendes Bewusstsein, das aber Teil von einem selbst, Teil des individuellen Wesens ist: durch dieses ist man in Kontakt mit den kosmischen Kräften und anderen Wesenheiten. Dieses letztere nannte ich das umhüllende (environmental) Bewusstsein.

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      Jeder Mensch hat sein eigenes, persönliches Bewusstsein, das fest an seinen Körper gebunden ist und mit seiner Umgebung nur mit Hilfe des Körpers und der Sinne Kontakt aufzunehmen vermag sowie mit Hilfe des Mentals, das die Sinne gebraucht.

      Dennoch strömen ohne sein Wissen fortwährend universale Kräfte in den Menschen ein. Fr aber nimmt nur die Gedanken, Gefühle usw. wahr, die in ihm zur Oberfläche aufsteigen, und hält diese für seine eigenen. Tatsächlich aber kommen sie von außerhalb; es sind Wellen des Mentals, Vitals, Wellen des Gefühls, der Sinneswahrnehmung usw., die in ihm eine bestimmte Form annehmen und, nachdem sie in ihn eingedrungen sind, zur Oberfläche aufsteigen.

      Doch sie gelangen nicht sofort in seinen Körper. Der Mensch besitzt ein ihn umhüllendes Bewusstsein (von den Theosophen „die Aura“ genannt), in welches diese zuerst eindringen. Wenn du dir jenes dich umhüllenden Selbstes bewusst werden kannst, vermagst du den Gedanken, die Leidenschaft, die Möglichkeit oder die Kraft der Krankheit aufzufangen und daran zu hindern, in dich einzudringen. Wenn dagegen etwas aus dir hinausgestoßen wird, verlässt es dich meist nicht völlig, sondern nimmt seine Zuflucht in dieser dich umgebenden Hülle und versucht, von dort wieder in dich einzudringen. Oder aber es entfernt sich ein gewisses Stück bis zu den Grenzbereichen, manchmal auch noch weiter, und wartet, bis sich Gelegenheit für einen Versuch des Wiedereindringens ergibt.

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      Es [das umhüllende Bewusstsein] ist nicht eine Welt – es ist etwas Individuelles.

      Das Unterbewusste und das umhüllende Bewusstsein sind zwei ganz verschiedene Dinge. Was im Unterbewussten gelagert wird, wie Eindrücke und Erinnerungen, steigt von dort in die bewussten Teile auf. Im umhüllenden Bewusstsein werden die Dinge weder gespeichert noch fixiert, sie befinden sich dort im Fluss. Es ist voller Bewegung, ein Bereich für Schwingungen, ein Durchlass für Kräfte.

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      Es [das umhüllende Bewusstsein] kann ruhig werden, wenn man genügend Weite besitzt. Es ist möglich, sich seiner bewusst zu werden und sich mit dem, was hindurchgeht, auseinanderzusetzen. Wäre es nicht vorhanden, dann wäre der Mensch ohne Kontakt mit der übrigen Welt.

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      Das Bewusstsein der Individualität weitet sich aus in das kosmische Bewusstsein außerhalb und kann jede Art von Verbindung mit ihm haben, kann es durchdringen, seine Bewegungen erkennen, darauf einwirken oder von ihm empfangen, es kann sogar sein Ausmaß erreichen oder es in sich enthalten; das heißt in der Sprache der alten Yogasysteme, man habe Brahmanda (das Universum als Ei Brahmas] in sich.

      Das kosmische Bewusstsein ist das Bewusstsein des Universums, des kosmischen Spirits und der kosmischen Natur mit allen Wesen und Kräften in ihr. All das ist als Ganzes so bewusst wie das Individuum für sich, doch auf andere Weise. Das Bewusstsein der Individualität ist zwar ein Teil davon, doch ein Teil, der sich als getrenntes Wesen empfindet. Dennoch kommt das meiste dessen, was die Individualität ausmacht, vom kosmischen Bewusstsein. Dazwischen aber befindet