Liebeschaos: Süß wie Cherry Cola. Ute Jäckle

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Название Liebeschaos: Süß wie Cherry Cola
Автор произведения Ute Jäckle
Жанр Языкознание
Серия Liebeschaos
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783903130517



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      »Und was würden Sie als Nächstes machen, Nick?«, hörte ich Doktor Lehmann neben mir, was meinem Triumpf eine ganz besondere Würze verlieh.

      Nick schluckte dreimal hintereinander, begleitet von Würgegeräuschen, die wie ein Streichkonzert in meinen Gehörgängen hallten. Dann holte er tief Luft.

      »Alles in Ordnung mit Ihnen?« Die Oberärztin musterte Nick irritiert.

      »Ja, alles in Ordnung« keucht er und wischte sich immer wieder über die Lippen. Er warf mir einen so finsteren Blick zu, als hätte ich soeben seine gesamte Familie ausgelöscht. Wie kam der gleich auf mich?

      »Ist wirklich alles in Ordnung?«, fragte ich gespielt mütterlich. »Hast du etwas in den falschen Hals gekriegt?«

      »Nein«, knurrte er wie ein Bernhardiner und schüttelte sich hustend. »Reizhusten«, erklärte er und hustete noch einmal in seine Faust.

      »Dann schonen Sie Ihre Stimme.« Doktor Lehmann sah mich an. »Wie würden Sie weiter vorgehen? Ich weiß, Sie sind noch Studentin, aber haben Sie vielleicht eine Idee?«

      Als ob er kein Student wäre …

      Es gab doch einen Gott. Ich schickte ein kurzes Dankgebet gen Himmel, ehe ich mit gewichtiger Stimme mein gestern angelesenes Wissen präsentierte. »Es scheint nicht auszureichen, die Wunde regelmäßig zu spülen, sie sollte deshalb chirurgisch gereinigt werden. Da das Antibiotika bisher keine Wirkung gezeigt hat, sollte man zusätzlich zu dem Abstrich ein Antibiogramm anlegen und das Mittel, das sich als wirksam erweist, intravenös verabreichen. Zeigt der Abstrich, dass multiresistente Krankenhauskeime, wie MRSA, nicht ausgeschlossen werden können, muss die Patientin isoliert werden.«

      »Sehr gut, Frau …« Sie warf einen Blick in die Krankenakte. »Frau di Giorgio. Ich bin sehr beeindruckt. Das haben Sie perfekt erklärt.« Dann wandte sie sich an die Patientin. »Wir machen nachher einen Abstrich von der Wunde und setzen die Behandlung mit einem anderen Antibiotikum fort. Mit dem neuen Medikament sollten wir das Problem schnell in den Griff kriegen.«

      »Vielen Dank.« Frau Hauser wirkte erleichtert.

      Die Truppe setzte sich wieder in Bewegung. Ich schwebte wie mit Engelsflügeln, das war so cool gewesen. Ich hatte mir den besten Job der Welt ausgesucht, der wie für mich gemacht war.

      »Du kleines Miststück«, raunte Nick mir ins Ohr.

      »Wovon redest du?« Ich tat empört.

      »Du weißt genau, wovon ich rede.« Er räusperte sich erneut.

      »Geht’s um deinen Reizhusten? Soll ich dir nachher den Hals mit Jod auspinseln?«, schlug ich hilfsbereit vor und bog um die Ecke in den Flur.

      Nick musterte mich zwar finster, musste sich eine Antwort allerdings verkneifen, denn er geriet ins Visier von Doktor Lehmann, die ihm einen merkwürdigen Blick zuwarf. Er straffte sich und rückte von mir ab. Hach, das Leben konnte manchmal einfach wunderbar sein.

      5. Kapitel

      Völlig erschlagen verließ ich am Spätnachmittag das Krankenhaus. Draußen tröpfelte es leicht, alles war nass. Die großen Pfützen am Boden, in denen sich das Sonnenlicht spiegelte, verrieten, dass sich ein heftiger Regenschauer über die Stadt ergossen hatte. Vor lauter Arbeit hatte ich nichts davon mitbekommen. Zügig marschierte ich los in Richtung S-Bahn-Haltestelle, die feinen, lauwarmen Tropfen fühlten sich herrlich erfrischend auf meinem Gesicht an. Von Erlangen waren es zwanzig Minuten mit der Bahn bis nach Nürnberg, Zeit genug für ein kleines Nickerchen nachher im Abteil, das ich bitter nötig hatte. Immer wieder stieg Nicks entsetztes Gesicht vor meinem inneren Auge auf, in dem Moment, als er den Schluck des Salzkaffees nicht herunterbekommen hatte. Ich gratulierte mir selbst zu diesem grandiosen Einfall. Der kleine Dämpfer, den ich Nick hatte verpassen können, war umso süßer gewesen, weil ich endlich einmal die Chance erhalten hatte, meine Fähigkeiten vor allen anwesenden Ärzten unter Beweis zu stellen. Ich hatte mich wie ein Experte gefühlt, den man in einer wichtigen Angelegenheit um seinen hochgeschätzten Rat gefragt hatte. Vielleicht sollte ich in meiner Freizeit mehr Fachbücher lesen. Schluss mit diesen ganzen Erotikromanen. Christian Grey konnte mir nicht das geben, was ein eiterndes Knie für mich bedeutete. Manchmal musste man eben Prioritäten setzen.

      Ein Auto brauste mit aufheulendem Motor von hinten heran und fuhr in rasantem Tempo an mir vorbei, direkt durch eine Pfütze. Die hochschießende Wasserfontäne prasselte nach allen Seiten und traf mich mit voller Wucht. Erschrocken japste ich nach Luft. Schmutzwasser triefte von meinen Haaren und mein weißes Outfit war von oben bis unten mit Dreckspritzern übersät. Als ich dem Wagen hinterhersah, knirschte ich mit den Zähnen. Es war eindeutig Nicks auffällig rotes Cabriolet. Elender, hinterhältiger Bastard. Das würde er mir büßen.

      Selten kam mir der Heimweg länger vor und vor lauter Wut schaffte ich es noch nicht einmal, ein wenig zu dösen. Entsprechend erschöpft schleppte ich mich zu Hause ins Wohnzimmer und warf mich aufs Sofa. Mit beiden Händen glättete ich mein zerzaustes Haar, das nach allen Seiten abstand, als hätte ich es mir gerauft. Pia kam herein und reichte mir ein Glas Cherry Coke. »Du siehst aus, als hättest du einen Drink bitter nötig.«

      Ich nahm ihr das Glas ab. »Danke, das habe ich auch.« Pia war wirklich ein Schatz. Wir wohnten zwar erst seit ein paar Monaten als WG zusammen, aber freiwillig würde ich sie nie mehr hergeben. Als meine vorherige Mitbewohnerin mit ihrem Freund nach Barcelona gezogen war, hatte der mir im Gegenzug seine Schwester Pia als Nachfolgerin für das leer stehende Zimmer vermittelt. Zu dem Zeitpunkt hatte Pia gerade erst mit dem BWL Studium in Nürnberg begonnen, da sie die Uni in München geschmissen hatte.

      Nachdem ich einen großen Schluck Cherry Cola getrunken hatte, fühlte ich mich auf jeden Fall erfrischter. »Du hättest ruhig einen Schuss Bacardi hineinmischen können. Nach diesem Tag brauche ich was Härteres.«

      Sie setzte sich neben mich und streichelte mitleidig meine Schulter. »Was ist denn mit dir passiert? Hast du Schlamm-Wrestling gemacht?«

      »Nick«, sagte ich knapp, der Name allein sollte als Erklärung für meinen ramponierten Zustand ausreichen. Nach einer kleinen Pause, in der Pia mich fragend musterte, als wäre ihr der Typ vollkommen unbekannt, fügte ich hinzu: »Ich bin fix und fertig. Stell dir vor, was Nick heute schon wieder gemacht hat.« Mein Seufzer geriet vielleicht etwas theatralisch, aber sei’s drum.

      »So schlimm?« Sie setzte sich seitlich auf die Waden. Eine ganze Reihe zusätzlicher Sommersprossen tummelten sich seit unserem Besuch am See auf ihrer Nase. Obwohl Pia gestern die meiste Zeit im Schatten gelegen war, zierte noch immer ein Hauch von Röte ihre helle Haut.

      Ich stellte das halb leere Glas auf dem Sofatisch ab. »Er ist mit seinem beschissenen Cabrio durch eine riesengroße Pfütze gefahren, natürlich genau in dem Moment, als ich da langgelaufen bin.«

      Pia lachte kopfschüttelnd. »Ihr könntet eure Differenzen zur Abwechslung auch mal wie zwei Erwachsene austragen. Indem ihr euch einfach ignoriert zum Beispiel.« Interessiert musterte sie die braunen Spritzer, die bis hoch zu meinen Schultern reichten, als würde sie im Kaffeesatz lesen.

      Ich winkte ab, sie hatte ja keine Ahnung. »Kultivierten Umgang kannst du mit dem Kindskopf vergessen.«

      »Das war auch nicht sehr nett von ihm. Warum hat er das gemacht?«

      »Keine Ahnung.« Ich spürte, wie Hitze in meinem Gesicht bis hoch zur Stirn kroch.

      »Bist du sicher?« Pia schnappte sich mein Glas und trank einen Schluck.

      »Okay, ich hab ihm heute Morgen Salz in seinen Milchkaffee gestreut.«

      »Aida«, mahnte sie mich scharf und erinnerte mich dabei erschreckend an meine Mutter. Mist, die hatte ich gestern auch noch anrufen wollen. Das Telefonat musste ich nachher schleunigst nachholen, sonst schickte sie mir am Ende noch ein Suchkommando auf den Hals.

      »Was?« Ich hob die Hände. »Er wollte mir eine schnelle Nummer in der Verbandskammer aufschwätzen.«

      »Und