Название | Kleine Geschichte des schlechten Benehmens in der Kirche |
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Автор произведения | Guido Fuchs |
Жанр | Документальная литература |
Серия | Liturgie und Alltag |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783791762036 |
Beiläufiges, gedankenloses oder ungehöriges Tun
Trotz der graduellen Unterschiede in den einzelnen Konfessionen gehört es zum angemessenen Verhalten beim Betreten einer Kirche, eine Reverenz gegenüber Gott zu machen, um damit die Besonderheit des Ortes anzuerkennen. Durch die allgemeine Veränderung der „Grußriten“ kann man im Unterlassen des einen oder anderen Tuns dabei nicht grundsätzlich von einem schlechten Benehmen ausgehen. Möglicherweise kann die rituell reduzierte Form des Betretens einer Kirche im evangelischen Bereich kaum mehr als ein religiöses Tun wahrgenommen werden. Es kann „beiläufig“ wirken. Doch nicht alles, was unterlassen wird, ist schlechtem Benehmen zuzuordnen, und wiederum ist manches, was nach Andacht aussieht, nur äußerlich oder – wie es Guardini forderte – langsam.
(Hanns-Josef Ortheil, Was ich liebe – und was nicht, 2018)
Neben der Verflachung bzw. Verkürzung der Riten gibt es aber auch Fehlformen. Der Eingangsbereich ist gerade in katholischen Kirchen ein besonderer Ort, weil sich dort auch das Weihwasserbecken befindet, von dem nicht jede(r) weiß, was es damit auf sich hat. So kann man in katholischen Kirchen durchaus erleben, dass Gläubige sich mit dem Weihwasser bekreuzigen, danach etwas Weihwasser auf den Boden spritzen: für die armen Seelen – möglicherweise das Relikt aus dem antiken Brauch einer Libatio, bei der man u. a. im Totenkult etwas Wein aus dem Becher vor dem Trinken auf den Boden goss (für die Götter). Ein Tun, das mehr oder weniger gedankenlos vollzogen wird (leider auch bei der Kommunion zu erleben – vgl. S. 35).
Da kann man aber auch lesen, dass Kinder, die vor der Kirche gespielt haben, sich danach im Weihwasserbecken die Hände gewaschen hätten oder jemand gar seinen Hund daraus saufen ließ (S. 111). Sogar von Urinieren in das Weihwasserbecken ist die Rede – und dass ein trockenes Weihwasserbecken als großer Aschenbecher benutzt wurde und ausgedrückte Kippen enthielt, konnte ich selbst einmal sehen.
(Peter Stamm, An einem Tag wie diesem, 2010)
Nicht zuletzt um bei solchem Tun rechtzeitig einschreiten zu können, ist in größeren und viel besuchten Kirchen das Aufsichtspersonal gleich am Eingang postiert.
Geordnetes Betreten
„Was ist da katechetisch falsch gelaufen?“, fragte der Pfarrer in seiner oben zitierten E-Mail. Tatsächlich wurde früher auch dem Betreten des Gotteshauses besondere Aufmerksamkeit gewidmet, vor allem in der katechetischen Unterweisung von Kindern. In einer Schulzeitschrift von 1874 heißt es: „Wie Alles, was zum Dienste Gottes gehört, groß ist, und es Nichts dabei gibt, was keiner besonderen Beachtung verdiente, so auch das ganze Benehmen der Kinder, nachdem sie in die hl. Räume des Gotteshauses eingetreten sind. Es soll mit allem Eifer und Nachdrucke darauf gesehen und hingearbeitet werden, daß die Kinder von der dem Hause Gottes gebührenden Ehrfurcht durchdrungen werden. Daß sie dieses sind, soll schon ihr Eintreten in die Kirche wie ihr Hinausgehen, ihr ganzes Benehmen und ihre Haltung während des Gottesdienstes beurkunden.“
Hinweis in der Kirche St. Peter und Paul, Würzburg
Das Betreten und Verlassen der Kirche erscheint so als ein problematischer Vorgang, der bei Kindern und Jugendlichen eines besonderen Augenmerks bedarf – das Verhalten der Schüler während des Gottesdienstes aber nicht weniger, wie an anderer Stelle ausführlicher dargestellt wird (Kapitel 14).
Für kirchlich nicht sozialisierte Besucher sind – wie oben dargestellt – äußerliche Dinge maßgeblich, wie etwa das Abnehmen der Kopfbekleidung (bei Männern) oder die entsprechende Bekleidung, wie sie auch auf Piktogramm-Hinweisen dargestellt werden. Da Kirchen inzwischen auf viele Menschen den Eindruck eines musealen Raumes machen, ändert sich auch das Verhalten beim Betreten und Verweilen in ihnen. Das hat den Schriftsteller Alois Brandstetter auf einen – wohl nicht ganz ernst gemeinten – Gedanken gebracht:
3. Nicht Zeit-gemäß
Zuspätkommen und verfrühtes Gehen
„Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“ Dieser berühmte Satz, den Michail Gorbatschow tatsächlich wohl nie gesagt hat, hätte im 5. Jahrhundert in Syrien möglicherweise so gelautet: Wer zu spät kommt, den bestraft der Diakon! Denn hier gab es – und das belegt eine Kirchenordnung aus ebendieser Zeit und Region – den Brauch, die Kirche nach Beginn des Gottesdienstes zu schließen. Wer zu spät kam, musste warten, ähnlich wie heute im Theater, wenn der erste Akt bereits begonnen hat. Erst zum Allgemeinen Gebet, den Fürbitten, wurde die Kirche geöffnet, und der Diakon „strafte“ die Zuspätkommenden auf subtile Weise, indem er eine Fürbitte für sie einschob, in der er vor aller Ohren um Besserung für diese Sünder bat …
Zu den ältesten Verstößen gegen das angemessene Benehmen im