Название | Vorsicht! Mann in Wechseljahren |
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Автор произведения | Gisela Sachs |
Жанр | Контркультура |
Серия | |
Издательство | Контркультура |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783967526141 |
»Viel Unkraut«, wiederholt sie und zupft beharrlich weiter.
Er beobachtet uns argwöhnisch vom Küchenfenster aus, Sekunden später geht die Haustür auf, Winfried bleibt an der obersten Treppenstufe stehen und brüllt: »Hast du auch alles, Margit? Geldbeutel, Adressbuch, Slipeinlagen?«
Die Nachbarin lässt vor Schreck den Löwenzahn aus ihren Händen fallen. »Wie mein Walter«, nuschelt sie vor sich hin. Wenigstens hat er mich dieses Mal beim Namen genannt, denke ich, während ich genervt die Autotür aufschließe. Nun aber nichts wie weg von hier!
Er steht plötzlich hinter mir und japst. »Du hast deinen Schal vergessen, Frau. Wenn du mich nicht hättest, dann wärst du aber ganz schön aufgeschmissen, was?!«
»Ich brauche keinen Schal, Winfried!«
Er sieht zum Himmel hoch und verdreht die Augen. »Das Wetter schlägt um, es wird kalt.«
Ich nehme den Schal, den mir meine Schwiegermutter vor ein paar Jahrzehnten gestrickt hatte und lege ihn auf den Beifahrersitz. Das graue kratzende Wolleteil konnte ich noch nie leiden. Winfried schüttelt missbilligend seinen Kopf, hechtet um das Auto, reißt mit einem Ruck die Beifahrertür auf, beugt sich, soweit sein Bauch das zulässt, zu mir herüber und legt den Schal um meine Schultern. »So, Frau. Und fahr mir bloß keine Delle in mein Auto!«
Alle Kräfte fallen nach unten, sofern sie nicht durch andere Kräfte gehindert werden. Die andere Kraft ist der Beifahrersitz. Es dauert ein Weilchen, bis er sich aus dem Auto gehievt hat. Bevor er die Tür endgültig schließt, sieht er mich mahnend an.
»Den Saft aber nicht im Auto trinken, Frau. Wenn du den verschüttest, ist das katastrophal, der klebt auf den Matten wie Sekundenkleber.«
Er kaut auf seinen Lippen. »Und vergiss um des Himmels Willen nicht, die Bananenschale wegzuwerfen, Frau, den Geruch kriegen wir sonst nie wieder aus dem Auto raus!«
Er sieht mich Unheil verheißend an. »Was glaubst du, wie so eine Schale nach ein paar Tagen stinkt. Die stinkt zum Himmel, sag ich dir, das kannst du dir gar nicht vorstellen, Frau. Die riecht wie ‚Dope’!«
Er hält mir seinen hektisch wackelnden Zeigefinger vor die Nase. »Und wenn du da in eine Polizeikontrolle gerätst, Frau …«
Ich verdrehe die Augen, sehe zur Nachbarin rüber und seufze.
»Du glaubst mir das nicht, Margitchen? Da bist du der Arsch, das kann ich dir aber sagen.«
Er nickt mit dem Kopf wie die Krippenfigur in unserer Kirche, nachdem sie ein Geldstück geschluckt hat.
»Die bringen dich glatt als Dealer in den Knast. Wenn du Glück hast, nur als Dealer, Frau. Wenn die aber Verwesung riechen und nach einer Leiche suchen …«
»Ich esse die Banane nicht im Auto, Winfried.«
»Wo denn dann, Frau?«, fragt mein Mann verblüfft.
»Ich gehe heute essen, das habe ich dir doch erzählt.«
»Du gehst essen?«
»Du hast mir wieder einmal nicht zugehört, Winfried.«
»Mit wem denn, Frau?«
»Mit ein paar Freundinnen aus der Bauchtanzgruppe.« Mein Mann schlägt sich mit der flachen Hand auf die Stirn.
»Du triffst dich schon wieder mit diesen aufmüpfigen Weibern?«
Er bläst sich auf wie ein Kugelfisch. »Es wird noch schlimm mit dir enden, Frau!«
Ich drehe den Zündschlüssel nach rechts. »Ich fahr dann mal.« Er hat seinen Fuß zwischen die Tür gestellt, sieht auf seine
Armbanduhr. »Zwei Stunden?«
»Was meinst du mit zwei Stunden, Winfried?«
»In zwei Stunden bist du doch sicherlich wieder zurück, Frau?«
»Nein, das werde ich nicht, Winfried. Ich mache mir heute einen schönen Tag. Ohne dich als Spaßbremse! Und nenn mich, verdammt noch mal, nicht immer Frau. Ich habe einen Namen, Winfried!«
Der Kugelfisch zeigt sein Maul. »Du solltest dir ein Hobby zulegen, Freunde suchen vielleicht. Dann kann ich auch einmal Luft schöpfen.«
Er kneift die Augen zusammen. »Du hast geflucht, Frau«, stellt er erschüttert fest. Seine Stimme wird laut. »Das ist der Einfluss dieser karrieristischen, egomanischen Weiber!«
»Ich habe nicht geflucht, Winfried.«
»Verdammt noch mal, ist geflucht, Frau.«
Seine Stimme wird hoch, die Wörter ziehen sich in die Breite. Das bedeutet Alarmstufe 1.
»Ein Hobby soll ich mir zulegen? Was ist das denn für eine lächerliche Idee, Frau? Die kommt doch bestimmt auch von deinen rebellischen, narzisstischen, sexistischen Hüftschwingerinnen. Die sollen lieber daheim bleiben und kochen und putzen, wie sich das für eine anständige Frau gehört, statt sich ein flottes Leben zu machen!«
Der Kugelfisch japst nach Luft. »Und das auf Kosten ihrer Männer. Was essen die jetzt heute Mittag, kannst du mir das einmal erzählen, Frau?«
»Du bezeichnest uns als sexistische Hüftschwingerinnen, Winfried? Das ist ja die Oberhärte. Du weißt genau, dass wir den orientalischen Tanz in der Geburtsvorbereitung gelernt haben. Wir haben noch nie vor einem Mann getanzt, auch das weißt du ganz genau, Winfried. Es ist ein Tanz von Frauen für Frauen! Aber das kann ich ja ebenso unserer Schrankwand oder dem Kühlschrank erzählen, du hörst mir ja ohnehin nie zu.«
Reuevoll über seinen Anfall zieht er mich an sich. »Du bist doch mein Hobby, Frau!«
»Da hast du aber etwas gründlich missverstanden, Winfried.«
»Aber du bist doch meine Frau und …«
»Aber nicht dein Unterhaltungsclown. Für deine Unterhaltung musst du schon selbst sorgen, Winfried!«
Er schluckt. »Ich rufe dich auf dem Handy an, Frau.«
»Es ist in meiner Kosmetiktasche. Und die hast du aus meiner Handtasche entfernt, Winfried.«
Er grapscht nach meiner Tasche auf dem Rücksitz, zieht den Reißverschluss mit einem Ratsch auf und nimmt die Banane und die Flasche mit der Apfelsaftschorle heraus. »Ich hole deinen Kosmetikbeutel, Frau«, sagt er, sprintet davon und verschwindet im Haus. Ich drücke das Gaspedal durch und fahre mit quietschenden Reifen aus unserer Straße. Unter was ich sein Verhalten einordnen muss, weiß ich nicht. Auf alle Fälle werde ich demnächst mit unserem Hausarzt darüber sprechen. Wehret den Anfängen, steht in der Bibel und das nehme ich mir zu Herzen.
Er kontrolliert seit Neuestem sogar den Mülleimer. Die städtische Müllabfuhr versieht ihren Dienst bei uns vierzehntägig. Dienstags! Ich stelle jeden zweiten Montagabend unseren Mülleimer an den Straßenrand, direkt neben den Eimer unserer Nachbarn. Mein Mann sieht regelmäßig nach, ob unser Eimer auch richtig steht. Lange und mit ernster Miene steht er jeden zweiten Montagabend vor dem städtischen Behälter, schüttelt jeden zweiten Montagabend missbilligend seinen Kopf, kratzt seine Stirn, fährt sich mit gespreizten Fingern durch die Haare und meckert.
»Was sind die Meiers doch für ein schlampiges Volk, Frau. Die waschen ihren Kübel weder ab noch aus, da hängt der Staub der letzten 14 Tage drauf, siehst du das, Frau?«
Er hält seinen schwarzen Zeigefinger in die Luft wie eine Trophäe, deutet auf die Streifspuren auf Meiers Mülleimer. »Und solche Schlampermeiers habe ausgerechnet ich in der Nachbarschaft«, keift er. »Womit habe ich das bloß verdient?«
Ich gehe schweigend ins Haus zurück, spähe aus dem Küchenfenster und hoffe, dass niemand in der Nachbarschaft dasselbe tut.
Er kämpft wie ein Torero, dreht den Mülleimer nach rechts, begutachtet ihn argwöhnisch von der Seite, läuft nach links, begutachtet die andere Seite, schüttelt seinen Kopf, überlegt, dreht dann den Eimer