Im Weihnachtswunderland. Gisela Sachs

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Название Im Weihnachtswunderland
Автор произведения Gisela Sachs
Жанр Контркультура
Серия
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783967526080



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Temperament geerbt hat?« Dabei runzelte er die Stirn, rümpfte die Nase kraus, machte eine Schnute und schielte auf seine Ehefrau Lea. Und die Großmutter lachte Tränen über das Opafaxengesicht. »Der liebe Gott versteht auch Spaß,« sagte sie, und als Lea ausgelacht hatte, fing sie an zu beten. »Nun ist die Fülle der Zeit gekommen, da Gott seinen Sohn in die Welt sendet ...«

      Minkie wollte unbedingt die Gespenstervorschule besuchen. Und das mit knapp drei Jahren schon, zusammen mit dem Bruder natürlich. Pinkie wäre viel lieber zuhause im gemütlichen Holzhaus geblieben, hätte viel lieber mit dem Großvater Karten oder Brettspiele gespielt, blöde Faxengesichter gemacht, gebastelt, seinem Geigenspiel gelauscht, süßen Lindenblütentee mit ihm getrunken und den vorbeiziehenden Wolken hintergeschaut. Er mochte bei Kälte einfach nicht nach draußen gehen.

      Pinkie war ein sehr ruhiges Gespensterkind. Deshalb bekam er als Zweitnamen den Namen seines Großvaters. Der Name Aram steht für Ruhe und Stille, obwohl der Opa gar kein ruhiger, stiller Geist war. In Jugendjahren hatte er es nämlich faustdick hinter den Ohren. Manchmal erzählt er den Kindern von seinen Streichen. Aber nur dann, wenn der Nebel grau und dicht über dem Gespensterwald hängt, ein rauer Wind weht, die Krähen noch heiserer krächzen als an gewöhnlichen Tagen, die Käuze um die Wette schreien und laut wie Donnerschlag das Unken und Rülpsen der alten Riesenunke vom Teich her zu hören ist. Minkie trägt den Zweitnamen Abeni. Die Großmutter hatte auf dem Namen bestanden. Der Name bedeutet ‚Die, um die wir gebetet haben’.

      »Wir haben um sie gebetet und wir erhielten sie«, sagte die Großmutter Lea damals, am 24. Dezember um 22:22 Uhr.

      Die Taufe der Zwillinge fand in großem Rahmen statt. Alle Verwandten, Bekannte und Freunde der Familie Gespenstermann/Geist waren dazu eingeladen. Und der Gespensterwald wurde an diesem ganz besonderen Tag zu einem wahren Wunderwald. Ab Einbruch der Dunkelheit loderten an jeder Wegbiegung meterhohe Freudenfeuer. In den Baumästen versprühten viele Tausende von Wunderkerzen Funken. Und in allen Büschen und Sträuchern blitzte und glitzerte es. Alle Bäume des Waldes waren mit bunten Kugeln geschmückt, mit Lametta, mit Holzschaukelpferdchen in allen Größen und Farben. Kein Baum wurde vergessen. Bratäpfel und Lebkuchenherzen baumelten zwischen Zuckerweihnachtsmännern an den Ästen. Und in den Tannenspitzen hingen Mandolinen, die wie von Geisterhand Weihnachtslieder spielten, Gitarren, Geigen, Flöten, Trompeten.

      Dem Gespenstergroßvater verschlug es die Sprache, als er all das sah und hörte. Und als urplötzlich unter der 1001 Jahre alten Eiche eine Kapelle aus rotem Backstein stand, mit Türmchen und vier Glöckchen aus Messing, erstarrte er. Alle vier Glöckchen läuteten hell. Großvater Aram stammelte: »Das ist doch, das ist doch.« Und als dann auch noch das mit weißen Rosen und roten Lilien geschmückte Taufbecken vor ihm stand, riss er seine Augen so weit auf wie noch nie in seinem Leben. »Aber das ist doch«, stammelte Großvater Aram immer wieder »aber das ist doch.«

      Und als dann auch noch der Waldgespenstertierkinderchor unter der Leitung des Großhirsches ‚Fest soll mein Taufbund immer stehn’, sang, da war es um die Fassung von Großvater Aram vollends geschehen. »Das ist doch die Kapelle von Schloss Nebel«, flüsterte er.

      »Ich weiß«, strahlte die Großmutter Lea.

      »Du kannst noch zaubern?«, fragte der Großvater die Großmutter erstaunt«

      »Aber gewiss doch!«, antwortete die Großmutter schelmisch.

      »Was denkst du denn, wer den Wald verzaubert hat, mein allerliebstes Ehegespenst?«

      Sie lachte fröhlich. »So etwas vergisst man doch nicht, Aram.« Der Opa grinste verlegen.

      »Das wäre wohl meine Arbeit gewesen«, sagte er dann leise.

      »Überraschung gelungen?«, fragte die Großmutter lächelnd.

      »Überraschung gelungen!«, antwortete der Großvater. Er nickte, immer wieder. Dann zog er Lea zu sich, drückte die Großmutter ganz fest an seine Brust. Tränen der Rührung liefen über seine Wangen. Es war nämlich die Kapelle vom Schlossgarten, wo er als zweiter Sohn des ersten Stallburschen aufgewachsen war.

      »Nur ausgeliehen«, flüsterte die Großmutter. »Gleich nach der Taufe werde ich sie an ihren Stammplatz zurückzaubern. Es wird nicht auffallen, Aram!«

      Das Geweih des Großhirsches war königlich geschmückt: mit roten, weißen, gelben und pfirsichfarbenen Rosen, blauen, gelben, roten und weißen Lilien, dazwischen waren Lorbeerblätter, Schleierkraut, Kornblumen und Efeuranken gebunden. Und auch die Rehe trugen mit Blumen geschmückte Lorbeerkränze um den Hals. Alle Tiere des Waldes trugen Blumenschmuck und Bänder, keines wurde vergessen, selbst um die Schwänzchen der Babymäuse waren weiße Schleifchen gebunden. Die Großmutter hatte auch diese Pracht gezaubert. Und sie war ziemlich stolz auf sich.

      Die Gespensterfamilien lauschten andächtig, erst dem wunderbaren Tiergesang, dann dem Dankesgebet des Herrn Waldgespensterpfarrers David. Und die Taufpaten, zwei Onkel väterlicherseits und zwei Tanten mütterlicherseits, beteten innig: »Lieber Gott, du hast uns diese Kinder geschenkt, wir danken dir dafür. Gib uns Kraft und Geduld, sie auf dem Weg durch die Kindheit zu begleiten.«

      Die Verwandten hatten Festtagstrachten angelegt, und nach der feierlichen Taufe wurde gegessen, getrunken, gesungen, getanzt und gelacht bis in die frühen Morgenstunden. Es war das größte und schönste Fest, das je stattfand im Gespensterwald, da waren sich alle Bewohner einig. Und es sollte für lange Zeit das letzte Fest bleiben.

      Frischer Schnee und leuchtende Sterne, so hätte ich es zur Bescherung gerne.

       Viele Jahre später

      Die Männer tragen weiße Gewänder, fußbodenlang, aus gewebtem Leinen, liebevoll geschneidert in der Gespensterschneiderei unter den Hainbuchen, genau da, wo die vier Schleiereulen wohnen. Auch die bunten Röcke der Frauen werden dort genäht. Minka, die Schneidermeisterin, hat diese Röcke entworfen. Alle Gespensterfrauen tragen mit Begeisterung diese kurzen Regenbogenröcke. Lange Gewänder würden bei der Feldund Hausarbeit stören. Nur die Großmutter Lea Gespenstermann hält an der Tradition fest, trägt weiterhin mit großem Stolz die Gespenstertracht mit der cremefarbenen Spitze am Saum, die auch ihre Mutter schon trug.

      Die Großmutter kümmert sich liebevoll um den Haushalt und Enkelkinder, begleitet sie jeden Morgen zur Vorschule und holt sie dort auch wieder ab. Sie achtet sehr auf gesunde Ernährung, zupft und trocknet selbst die Blätter für den Lindenblüten-, Hagebuttenund Kräutertee. Sie baut Kartoffeln, Rosenkohl, Blumenkohl, Rotund Weißkohl auf den Feldern an. Die Familie liebt Kohlgerichte mit Salzkartoffeln über alles. Und Lea will nur eins. Sie will, dass die Familie gesund, zufrieden und glücklich ist.

      Lea Gespenstermann ist aber auch eine tüchtige Geschäftsfrau. Sie tauscht den Überschuss an Obst, Gemüse und Tee mit anderen Gespensterfamilien gegen andere Gegenstände ein, die die Familie gebrauchen kann. So ist ein richtiger Tauschring entstanden und Opa Aram ist vom frühen Morgen an bis zum späten Abend mit einem Leiterwagen aus Eichenholz im Wald zum Tauschhandeln unterwegs. Dabei erfährt er viele Neuigkeiten. Auch Neuigkeiten von weit außerhalb des Waldes. Die Elstern fliegen manchmal über die Grenzen hinweg und sie haben immer viel zu erzählen, wenn sie wieder zurückkommen. Und die Neuigkeiten sind bei Weitem nicht immer schön.

      »Die Welt ist durcheinandergeraten«, sagt Oma Lea leise. Sie zupft sich am rechten Ohrläppchen und rührt danach wie wild die Kirschmarmelade im verbeulten, schon an vielen Stellen abgesplitterten, grünen Emailletopf auf dem Herd, den sie von ihrer Mutter vererbt bekommen hatte. Oma Lea zupft immer an den Ohrläppchen, wenn sie mit etwas nicht einverstanden ist.

      Minka und Jakob Geist, die stolzen Eltern, sind ein fröhliches Paar, bescheiden, hilfsbereit und fromm. Und sie sind dankbar dafür, dass die Großeltern Aram und Lea zusammen mit ihnen im Holzhaus wohnen. Sie bedauern sehr, dass Jakobs Eltern schon verstorben sind und das Großelternglück nicht erleben durften.

      Großvater Aram ist es schon lange leid, den schweren Leiterwagen durch den Wald zu ziehen. Seine Knochen machen ihm immer mehr zu schaffen. Großmutter Lea handelt mittlerweile auch mit Marmeladen, saurem Gemüse in Gläsern, eingelegten Früchten, Nüssen, Trockenfrüchten