Operation Terra 2.0. Andrea Ross

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Название Operation Terra 2.0
Автор произведения Andrea Ross
Жанр Научная фантастика
Серия
Издательство Научная фантастика
Год выпуска 0
isbn 9783967525359



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denn? Komm endlich auf den Punkt!«

      »Dass du ihm zumindest einen fairen Prozess machst, falls alle Stricke reißen sollten. Gib ihm ausreichend Gelegenheit zur Verteidigung, lasse ihn sein Handeln erklären und sich dafür rechtfertigen! Ich bin sicher, dass er dir ein paar schlagende Argumente liefern wird, die es dir anschließend gestatten dürften, ihn guten Gewissens ohne jede Strafe von dannen ziehen zu lassen«, bettelte die Römerin mit einem Augenaufschlag.

      »Im Falle eines eindeutigen Freispruchs könnte der Sanhedrin es nicht wagen, Jesus in Eigenregie hinzurichten, auch nicht unter einem hanebüchenen Vorwand. Der Nazarener hat doch tatsächlich nichts Schlimmes verbrochen! Was kann er denn eigentlich dafür, dass ihn die unbedarften Leute für Gottes Sohn oder einen König der Juden halten?«

      Pontius Pilatus seufzte resigniert, gab sich versöhnlich. »Na schön! Du glaubst offenbar, dass seine Eloquenz ihm das Leben retten könnte. Gut, probieren wir das eben aus! Aber ich muss dir so oder so eine klitzekleine Gegenleistung abverlangen. Von nichts kommt nichts, verstehst du?«

      »Alles, was du willst! Was darf ich denn für dich tun?«, fragte Claudia und konnte verräterische Tränen der Erleichterung nur mit großer Mühe zurückhalten.

      Der Mann erhob sich mit einem vielsagenden Glitzern in den Augen und steuerte leicht schwankend auf sein charmantes Eheweib zu. Der verführerische Anblick ihres Körpers und der exzellente Wein hatten ihre Wirkung getan.

      »Mir ist nach einem ausgedehnten Gladiatorenkampf zumute! Was ist, willst du mir ins Schlafgemach folgen?«, fragte er lüstern und fuhr mit der Hand über ihr prachtvolles Gesäß. Ein bisschen plump, aber unmissverständlich.

      Hätte Pontius Pilatus in diesem Augenblick gewusst, dass seine Frau sich im vergangenen Monat heimlich von Jesus auf den christlichen Glauben hatte taufen lassen, hätte er wegen ihres dringlichen Wunsches wahrscheinlich ganz anders reagiert. Manchmal war es unbestreitbar klüger, die Wahrheit für sich zu behalten.

      *

      Gabriel galt von jeher als äußerst selbstbeherrschter, kühl kalkulierender Mensch, dem seine Gefühle nur selten äußerlich anzumerken waren. Seit er auf Terra in ein gesetztes Alter gekommen war, schien er im Grunde überhaupt nicht mehr aus der Ruhe zu geraten.

      Doch an jenem Donnerstag im April platzte jenem charakterstarken Mediziner der Kragen gründlicher, als Balthasar dies jemals für möglich gehalten hätte. Der muskulöse Hüne erinnerte nun stark an einen wütenden Racheengel, der im Begriff stand, Amok zu laufen.

      »Genug, das reicht! Ich habe mir nun über eine geschlagene Stunde lang deine kaltschnäuzigen Ausflüchte darüber angehört, weshalb wir keinesfalls in das Geschehen eingreifen sollten. Mehr davon kann und will ich nicht ertragen!

      Du hast als Missionsleiter eine Fürsorgepflicht für sämtliche Teilnehmer, auch wenn du das anscheinend nicht mehr wahrhaben willst! Solaras erfüllt den wahnwitzigen Plan, welchen wir am grünen Tisch für ihn ausersehen haben, bis hin zur totalen Selbstaufgabe. Kalmes wiederum hat es mit viel Mühe geschafft, ihn bis dahin zu bringen und sorgt sich nun zu Recht um sein nacktes Leben. Und da sollen wir einfach tatenlos zusehen, ohne den beiden zu Hilfe zu kommen?!

      Balthasar, es handelte sich heute schon um den zweiten Hilferuf! Wir müssen darauf reagieren, unsere hochgeschätzten Kollegen sofort am Ölberg abholen … oder zumindest irgendeine Show mithilfe unserer fortgeschrittenen Technik veranstalten, die den undankbaren Leuten in Jerusalem einen dermaßen gewaltigen Respekt einflößt, dass sie es nicht mehr wagen würden, Hand an Jesus zu legen!

      Was weiß ich, man müsste sich eben etwas Ausgefallenes einfallen lassen, was ihnen Angst und Schrecken bereitet und eine Intervention ihres Gottes vorspiegelt!

      Dir ist in deiner doch sehr theoretischen Denkweise hoffentlich klar, dass sie auf diesem Planeten unbequeme Menschen bereits aus geringsten Anlässen köpfen, erstechen, steinigen, verbrennen oder sogar ans Kreuz zu nageln pflegen, oder?

      Wir haben die Pflicht, eine solche Barbarei im Namen Tiberias zu verhindern! Zumindest aber wäre es nur fair, Kalmes wenigstens die gewünschten Informationen zukommen zu lassen, damit sie sich wehren oder beizeiten in Sicherheit bringen kann. Mission hin oder her wir sind immer noch Menschen, keine gefühllosen Roboter!

      Ich melde mich freiwillig für den Einsatz und bin bereit, noch in dieser Minute zum Ölberg aufzubrechen. Kalmes hat mich schließlich explizit angefordert!«, stieß Gabriel in ungewohnter Lautstärke hervor. Dabei lief er schnellen Schrittes auf und ab, als wäre er ein im Käfig gefangener Tiger.

      Balthasar verschränkte die zitternden Hände über seinem aufgedunsenen Leib, kniff die Lippen zu einem schmalen, blutleeren Strich zusammen und schwieg beharrlich. Er ließ sich von seinem Kameraden nicht aus der Reserve locken, denn er durfte nichts genehmigen, das seinen klar definierten Befehlen zuwider laufen würde.

      Aus Gabriels eingeengtem Blickwinkel heraus trafen dessen Argumente durchaus zu, doch er musste das große Ganze im Fokus behalten, durfte sich bei seinen Entscheidungen nicht von Emotionen beherrschen lassen. Der Missionserfolg stand in der Rangfolge über allen anderen Belangen, denn hier ging es nicht um das Wohl von Einzelnen, sondern vielmehr um dasjenige einer komplexen Kultur, die auf seinem fernen Heimatplaneten um ihre Existenz kämpfte. Tiberias Überleben zählte, andere Prioritäten gab es nicht.

      »Bist du nun fertig? Kann man mit dir wieder vernünftig reden, oder willst du dich weiterhin aufführen wie ein Irrer?«,

      fragte Balthasar verschnupft und erhob sich mit gemessenen Bewegungen von seiner Sitzbank, die aus Bequemlichkeitsgründen mit dicken Kissen belegt war.

      »Solltest du nämlich weiterschimpfen wollen, so kannst du das auch anderswo tun. Ich werde mir deine Respektlosigkeit nicht mehr lange gefallen lassen. Deswegen bestehe ich darauf, dass du mich künftig wieder mit den höflichen Bezeichnungen Ihr und Vorderster ansprichst. Wir hatten diese Floskeln in den vergangenen Jahren bloß deswegen nicht mehr verwendet, weil wir prima als Team harmonierten und ohnehin alle im selben Boot saßen.

      Da ich nun meine Vormachtstellung durch dein unangemessenes Verhalten gefährdet sehe, führe ich die offizielle Anrede für Vorgesetzte ab sofort wieder ein. Dazu bin ich autorisiert, wie du weißt.

      Ich warne dich vorsichtshalber aus alter Freundschaft; unternehme besser gar nichts ohne meine ausdrückliche Erlaubnis. Wir befinden uns in einer hochsensiblen Phase der Operation, die keinerlei Fehler verzeiht. Nimm dich und deine Befindlichkeiten zurück, ansonsten wirst du mich nämlich bald von einer völlig neuen Seite kennenlernen!«

      Gabriel verließ den Schauplatz wortlos, denn er hätte andernfalls nicht mehr an sich halten können. Was ging hier Übles vor sich? War ein mieses Intrigenspiel im Gange, dessen Regeln er nicht einzuschätzen vermochte? Balthasar ließ sich trotz aller Bemühungen weiterhin nicht in die Karten sehen.

      Zwei Seelen wohnten in Gabriels Brust. Diese einander ebenbürtigen Kontrahenten stritten heftig um die Kontrolle über seine Handlungen. Eine davon wollte dem soeben erhaltenen Befehl buchstabengetreu Folge leisten, denn der hochdotierte Mediziner hatte auf Tiberia in seiner Jugendzeit selbstverständlich die allgemein übliche ideologische Ausbildung erhalten.

      Es war tatsächlich Fakt, man konnte es nicht wegleugnen … vorangegangene Missionen waren maßgeblich daran gescheitert, dass einzelne Teilnehmer aus der Reihe tanzten und ihren ursprünglichen Befehlen zugunsten intuitiver Planänderungen zuwiderhandelten. So stand es jedenfalls in den Abschlussberichten dokumentiert. Aber würde die von ihm beabsichtigte Intervention dem Gelingen der Operation Terra 2.0 überhaupt entgegenstehen?

      Die andere Seite seiner Seele zwickte und zwackte, peinigte ihn mit schweren Schuldgefühlen. Er musste doch Kalmes und ihrer Gruppierung zu Hilfe eilen! Wäre er vollkommen ehrlich zu sich selbst gewesen, hätte er sich gleichwohl die wahren Beweggründe für seine unkontrollierten Ausraster bei Balthasar eingestehen müssen.

      Jesus‘ Schicksal berührte ihn zwar, doch hätte Gabriel wegen ihm nicht seine