Missing you, Baby!. Nicole Stranzl

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Название Missing you, Baby!
Автор произведения Nicole Stranzl
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783967526806



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wollte, würgte sie.

      »Beruhig‘ dich, mein Schatz! Alles wird gut!«

      Laura drehte den Kopf nach links zu Tom. Ihr Mann saß auf einem Stuhl. Sein Gesicht war kreidebleich.

       Wo bin ich? Was ist passiert?

      Der Schlauch in ihrem Hals hinderte sie daran, ihre Fragen laut auszusprechen.

      Ihre Hand glitt zu ihrem Bauch und wieder setzte die Panik ein. Wo war ihr Baby?

      »Laura!« Tom klang unendlich müde. »Wir hatten einen Unfall! Weißt du noch?«

      Der Unfall … ach ja, richtig! Die Lichter in der Dunkelheit. Wie zwei Augen. Zwei glühende Monsteraugen, die sie ins Verderben gerissen hatten. Jetzt dieser Geruch und das Piepsen und die Umgebung … Sie musste wohl im Krankenhaus sein. Im selben Moment bestätigte Tom ihre Vermutung: »Du hast schlimme Verletzungen. Sie mussten Mia rausholen.«

      Mia … ihre Tochter!

      Eigentlich waren Tom und sie sich über den Namen noch nicht einig gewesen. Aber sie hatten ja auch noch mehr als drei Monate Zeit. Gehabt.

      Wo ist sie?!, wollte Laura fragen, doch wieder brachte sie nichts als ein Wimmern hervor. Tränen liefen über ihre Wangen.

      »Ich hol‘ mal schnell eine Schwester. Oder … besser einen Arzt!« Hilflos kratzte Tom sich den Unterarm. Auf seiner Stirn klebte ein riesiges Pflaster, doch all das nahm Laura nur nebenbei wahr. Mit jeder Minute wurde sie unruhiger. Sie musste wissen, was mit ihrem Baby passiert war.

      Ihr Herzschlag beschleunigte sich, wie die nervige, piepende Gerätschaft neben ihr anzeigte. Laura wollte sich aufrichten. Von ihrer Vene weg führte ein Schlauch zu einem Infusionsständer. Die Flüssigkeit in dem Beutel war beinahe leer.

      »Was machen Sie denn da?!« Eine Ärztin mit dunklem Haar, das sie zum Pferdeschwanz gebunden hatte, betrat den Raum. Sie war bestimmt schon an die Fünfzig – oder aber der permanente Stress hatte unzählige Falten auf ihr Gesicht gemalt. Dunkle Augenringe zeugten von Schlafmangel und Erschöpfung.

      »Frau Weiß, Sie müssen sich beruhigen.« Die Ärztin hatte eine junge, blonde Schwester mitgebracht, zwischen deren geröteter Wangen eine kleine Stupsnase lag. Das Mädchen – in Lauras Augen war sie nicht mehr als ein Mädchen – strahlte Ruhe und Sympathie aus und erinnerte Laura an eine Elfe, mit ihrem freundlichen Lächeln, ihren feinen Gesichtszügen und ihrem zarten Körperbau. Laura entspannte ein wenig, als die Schwester eine Hand auf ihren Unterarm legte.

      »Ich werde Sie jetzt extubieren, in Ordnung?!« Die Worte der Ärztin veranlassten sie, ihren Blick von der Schwester zu nehmen.

      Zustimmend nickte Laura. Mehr Tränen bahnten sich den Weg über ihr Gesicht. Der Versuch, sie zurückzuhalten, scheiterte. Eigentlich war sie nicht so eine Heulsuse, aber die aktuelle Situation war unerträglich. Das Schlimmste war, nicht sprechen zu können. Sich derartig schwach zu fühlen. Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich so erschöpft gefühlt. So ängstlich. Nein, das stimmte nicht. In jener Nacht, in der sie Angelina geboren hatte, fühlte sie sich ähnlich. Mit dem einzigen Unterschied, dass sie damals wusste, was Sache war. Sie wusste, ihr Baby war tot. Sie wusste, sie müsste es gleich zur Welt bringen. Sie wusste, Angelina würde nicht schreien.

      Die elfenartige Schwester wich aus und machte der Ärztin Platz am Krankenbett. Laura schloss die Augen und hoffte, gleich tapfer zu sein. Bestimmt würde das Entfernen des Schlauches aus ihrem Hals nicht angenehm werden. Sie versuchte, die Gegenwart auszublenden und sich auf etwas anderes zu konzentrieren, doch sobald sie das tat, sah sie wieder nur die Wagenlichter vor sich. Die trommelnden Regentropfen. Die Böschung. Das Wasser.

      »Beruhigen Sie sich! Wir haben es gleich geschafft!« Aufmunternd lächelte die Krankenschwester ihr zu. Tom griff nach Lauras Hand. Sie drückte etwas zu fest zu, doch ihr Mann lächelte sie an.

      In einer ähnlichen Position hatten sie sich vor etwa sieben Jahren befunden, als Tom sich beim Fliesenlegen geschnitten hatte. In seinem Ehrgeiz hatte er darauf bestanden, beim Hausbau handwerklich so viel wie möglich selbst zu übernehmen. Eigentlich war er sehr geschickt, aber sein bester Freund hatte ihn abgelenkt und dann war das Malheur passiert. Laura erinnerte sich an Blut, das in nicht gerade kleinen Mengen auf die blau-weißen Fliesen tropfte. Es hatte sie einiges an Überredungskunst gekostet, Tom ins Krankenhaus zu bringen. »Das wird schon wieder«, hatte er gesagt. »So schlimm ist das nicht.« Die drei Nähte, die er erhielt, bewiesen das Gegenteil. Während der Arzt sich um die Wunde kümmerte, hatte Laura die unverletzte Hand gehalten. Tom hatte versucht, cool zu wirken und nicht zu jammern. Für einen Mann wies er eine sehr hohe Schmerzgrenze auf.

      »So, fertig!«, holte die Ärztin sie aus ihren Erinnerungen zurück in die Gegenwart. Endlich war dieser lästige Schlauch weg. Röchelnd atmete Laura ein.

      »Willst du was trinken?«, fragte Tom besorgt.

      Sie hob und senkte ihren Kopf in einer zustimmenden Geste. Jetzt, da Tom es aussprach, fühlte sie sich tatsächlich, als würde sie vertrocknen und vielleicht half das Wasser auch gegen den brennenden Schmerz in ihrem Hals, der sich bis in ihren Magen zu ziehen schien. Sie wollte nach dem Glas greifen, doch ihre Hände zitterten so stark, dass Tom ihr helfen musste. Er setzte das Gefäß an ihre Lippen. Laura war viel zu schwach, um sich gedemütigt zu fühlen. Nach zwei kleinen Schlucken lehnte sie sich erschöpft zurück. Sie war so müde, dass sie am liebsten weitergeschlafen hätte, aber eine Frage brannte unter ihren Nägeln und mühsam brachte sie hervor: »Was ist mit meinem Baby?« Ihre Stimme klang fremd. Wie ein Reibeisen.

      »Mia liegt auf der Neo-Intensivstation!«, antwortete die Ärztin. »Wir mussten sie leider per Notkaiserschnitt auf die Welt holen. Sie haben sich bei dem Unfall Verletzungen im Bauchraum zugezogen und durch den Stress sind die Herztöne des Babys drastisch gesunken. Es ist ein Glück, dass sie überhaupt noch am Leben war. Sie haben eine taffe Kleine.«

      »Oh mein Gott!« Laura richtete sich auf. Am liebsten wäre sie gleich los zu ihrem Mädchen. Tausend Gedanken formten sich in ihrem Kopf. Wie konnte das alles nur passieren? Mia war doch noch viel zu klein. Sie hatten noch so viel Zeit bis zur Geburt gehabt. Wie konnte sie jetzt schon nicht mehr in ihrem Bauch sein? »Wie … geht es ihr?« Sprechen fiel noch immer schwer.

      »Ihr Zustand ist nach wie vor kritisch!«, klärte die Ärztin sie auf. »Sie wiegt nur sechshundertfünfzig Gramm. Laut dem Mutter-Kind-Pass waren Sie in Schwangerschaftswoche fünfundzwanzig plus sechs. Da der Unfall so abrupt kam, konnten wir Ihnen nicht mehr rechtzeitig die Lungenreife geben. Dafür hätten wir Ihnen zwei Spritzen beziehungsweise Infusionen im Abstand von vierundzwanzig Stunden verabreichen müssen. Bis die Wirkung vollständig einsetzt, dauert es achtundvierzig Stunden. Die Zeit hatten wir leider nicht.« Die harten Züge auf dem Gesicht der Ärztin wurden weich. »Nähere Infos wird Ihnen der Kinderarzt geben.« Sie nickte Laura zu. »Sie müssen jetzt erst mal zusehen, dass Sie selbst wieder auf die Beine kommen.«

      »Aber … mein Baby! Wann kann ich sie sehen?!« Diese Frau konnte doch nicht einfach so emotionslos irgendwelche Fakten runterleiern und von Laura erwarten, dass sie sich damit zufriedengab. Sechshundertfünfzig Gramm! Unvorstellbar. Bei der Geburt wogen Babys normalerweise zwischen drei und vier Kilos. Laura dachte an die Strampelhosen, die im Wickeltisch warteten. Größe Fünfzig. Viel zu groß für so ein kleines Baby.

      Tom hatte den ersten Strampler gekauft, als Laura gerade mal in der vierzehnten Woche war. Viel zu lange schon wünschte er sich, Vater zu werden. Fast zwei Jahre hatte es gedauert, bis Laura nach der Fehlgeburt endlich wieder schwanger wurde. Der Druck hatte ihrer Beziehung nicht gerade gutgetan. Tom hatte sich in der Arbeit vergraben. Streit stand monatelang an der Tagesordnung. Einer der Gründe war Toms Inakzeptanz gegenüber Lauras Ablehnung einer künstlichen Befruchtung. So weit waren sie einfach noch nicht gewesen. Männer konnten immer groß reden. Immerhin war es nicht ihr Körper, der beeinflusst wurde. Tom konnte sich die Nebenwirkungen der Hormone doch gar nicht vorstellen, welche Laura zu sich nahm, um schwanger zu werden. Grauenhafte Stimmungsschwankungen, Hautausschläge, Durchfall und Magenschmerzen. Manchmal hatte sie mit dem Gedanken gespielt, kinderlos zu bleiben. Alles hinzuwerfen und zu gehen. Vielleicht sollte es einfach