Название | Frühlingstochter |
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Автор произведения | Isolde Kakoschky |
Жанр | Контркультура |
Серия | |
Издательство | Контркультура |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783967525472 |
Isolde Kakoschky
FRÜHLINGSTOCHTER
Roman
Impressum
Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
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Print-ISBN: 978-3-96752-047-7
E-Book-ISBN: 978-3-96752-547-2
Copyright (2019) XOXO Verlag
Umschlaggestaltung: Grit Richter
Coverbild: ISKA
Buchsatz: Alfons Th. Seeboth
Hergestellt in Bremen, Germany (EU)
XOXO Verlag
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28237 Bremen
1. Kapitel
Nachdenklich legte Manuela Wahrberg das Blatt Papier zurück auf den Tisch und versuchte, sich wieder den Nachrichten im Fernsehen zu widmen. Sie konnte nicht mehr sagen, wie oft sie in den letzten Monaten dieses Bild angesehen und den daneben stehenden Artikel gelesen hatte. Es war ein Ausdruck der OnlineAusgabe der regionalen Tageszeitung. Die ehemals saubere, glatte Seite war inzwischen abgegriffen und knittrig. So oft schon hatte sie das Foto zur Hand genommen und wieder weggelegt. Sie hatte es gefaltet und wieder glatt gestrichen, mehr als einmal weit hinten in den Schrank verstaut. Und doch, jedes Mal, wenn in den Regionalberichten im Fernsehen vom Mansfelder Land die Rede war, hatte sie es wieder herausgeholt, so wie jetzt.
Vor einem halben Jahr hatten sie sich getroffen, ihre ehemaligen Mitschüler. Auch bei ihr war eine Einladung angekommen. Es dürfte nicht schwer gewesen sein, sie zu finden. Ihr Name stand vor Jahren unter Mutters Todesanzeige in der Zeitung und im Telefonbuch fand man ihre Adresse. Ganz abgesehen davon war sie bei Stayfriends registriert und seit einiger Zeit bei Facebook angemeldet. Es tummelten sich nicht besonders viele Freunde auf ihrem Profil, aber sie hatte einige Seiten abonniert, die sie interessierten, und freute sich auch über Nachrichten von Bekannten.
Doch auf den Brief ihrer Mitschülerin hatte sie nicht reagiert. Manuela stand vom Sessel auf und ging zum Fenster. Von der zwölften Etage des Hochhauses konnte sie weit übers Land sehen. Dort, ganz hinten, ließen sich die kegelförmigen Halden des Mansfelder Kupferschiefer-Bergbaus erahnen. Würde sie sich ins Auto setzten, wäre sie in weniger als einer Stunde in ihrer Heimatstadt angekommen. So oft waren Manuela und ihr Mann mit ihrem Sohn auf dem Weg in den Harz ganz nahe dort vorbei gefahren. Dennoch hatte sie seit Jahren keinen Fuß mehr in die Straßen ihrer Heimat gesetzt. Das letzte Mal war zur Beerdigung ihrer Mutter gewesen. Ihr erwies sie die letzte Ehre, obwohl es sie zwang, ihren Vater zu treffen. Er hingegen hatte sie keines Blickes gewürdigt. Als er ein paar Jahre später starb, da weinte sie ihm keine Träne nach. Sie hatte gemeinsam mit ihrer älteren Schwester Maria das Erbe ausgeschlagen und alles, was noch da war, an ihre Tante, die Schwester ihres Vaters übergeben, die sich auch um die