Zweitsommer. Isolde Kakoschky

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Название Zweitsommer
Автор произведения Isolde Kakoschky
Жанр Контркультура
Серия
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783967525502



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junge Verkäuferin, vielleicht im Alter von Markus und Tanja musterte sie von Kopf bis Fuß und erkannte Berits Problem.

      »Natürlich geht das, ich werde gleich den Diebstahlschutz entwerten, dann können Sie es anzie-

      hen. Aber ich glaube, Sie können noch mehr brauchen. Wir haben auch noch sehr schöne dunkle Jeans oder auch Jeans-Röcke und ein Sweatshirt würde ich Ihnen auch noch empfehlen. Dazu noch diese Blousonjacke und Sie sind für die nächsten Wochen gut angezogen.«

      Dankbar blickte Berit die junge Frau an. Wenig später hatte sie die größte Einkaufstüte voll mit Klamotten gepackt, die sie je getragen hatte. Na, wenigstens musste sie nicht noch Schuhe kaufen, die waren, wie bei Frauen üblich, in allen Farben vorhanden, auch in schwarz.

      Berit wuchtete die Riesentüte ins Auto und widmete sich den Lebensmitteln. Als sie alles eingekauft hatte, sah der Kofferraum gut gefüllt aus. Das Wochenende würde nicht in eine Schlankheitskur ausarten müssen, wie noch vorhin zu befürchten war. Berit sah auf die Uhr und beschloss, noch einen kurzen Abstecher zu ihrer Mutter zu machen. Die hatte sich zwar nicht gemeldet, aber Berit dachte sich, sicher ist sicher.

      Einen Moment überlegte sie, ob sie ihren Schlüssel benutzen sollte um gleich in die Wohnung zu gehen. Doch sie entschied sich, zu klingeln. Es dauerte auch gar nicht lange, bis die Mutter an die Tür kam.

      »Ach, das ist aber lieb, dass du mal reinschaust«, begrüßte sie ihre Tochter. Sie gingen in die Küche, wo die Mutter gerade mit dem Abwasch beschäftigt war. Seit Jahren versuchte die Familie sie von der Nützlichkeit eines Geschirrspülers zu überzeugen. Doch das war für die alte Dame viel zu viel Schnickschnack. Und das bisschen Geschirr kriegte sie immer noch mit der Hand sauber. Schließlich kam ja schon das warme Wasser aus dem Hahn. Welcher Fortschritt zu früher, als jeder Liter auf dem Herd heiß gemacht werden musste.

      »Was hat denn die Frau Doktor gestern gesagt?« Berit wollte wenigstens erfahren, wie sie den Gesundheitszustand ihrer Mutter einschätzen konnte. Es war gut, dass die Hausärztin gleich um die Ecke wohnte. Schon der Vater der jetzigen Frau Doktor, der alte Sanitätsrat war der Hausarzt der Familie gewesen, nun aber schon lange tot.

      »Ach, was soll sie sagen? Ich bin eine alte Frau, da muss man die Wehwehchen hinnehmen. Aber der Blutdruck ist wieder ganz gut und der Puls auch. Ich soll mich nicht aufregen, hat sie gesagt. Aber ich habe mir ja die Aufregung nicht ausgesucht.« Berit sah ihre Mutter liebevoll an. »Ach Mama, wie kann ich dir nur helfen? Möchtest du mit zu uns kommen und ein paar Tage oben bleiben?«

      »Nein, lass nur Kind, hier habe ich doch alles was ich brauche. Und wenn ich aus der Haustür trete, habe ich Bekannte um mich. Bei euch oben wäre ich ab nächster Woche doch den ganzen Tag alleine.«

      Berits Blick war voller Zweifel. »Aber du rufst gleich an, wenn was nicht in Ordnung ist!«

      »Das mache ich, versprochen. Aber nun fahr heim und kümmere dich um deinen Mann und deine Tochter.«

      Berit nickte. Sie verabschiedete sich von ihrer Mutter und stieg ins Auto. Ein kurzes Hupen, dann war sie um die Ecke verschwunden.

      Zuhause angekommen, räumte Berit die Lebensmittel in die Schränke und füllte den leeren Kühlschrank auf. Dann breitete sie ihre neu erworbenen Sachen auf dem Bett aus. Obwohl sie schwarz waren, war es keine typische Trauerbekleidung und damit mochte sie sich durchaus identifizieren, jedenfalls eine Zeit lang.

      Und so konnte sie auch zur Arbeit gehen. In der nächsten Woche musste sie ihren gewohnten Rhythmus wieder aufnehmen. Die Kollegen und die Kinder vertrauten darauf, dass sie dann wieder einsatzfähig war. Und Berit war sich sicher, dass ihr die Arbeit mit den Kindern gut tun würde. So nahm sie das Telefon und rief endlich bei ihrer Kollegin zurück. Mehr als eine kurze Rückmeldung war auch nicht nötig, alles Weitere würden sie am Dienstag besprechen können.

      Jetzt wollte sie sich erst einmal eine kleine Ruhepause gönnen. Sie hatte gerade die Kaffeemaschine angestellt, als Daniel vom Geschäft herüber kam.

      »Das passt ja wunderbar, einen Kaffee könnte ich jetzt auch gebrauchen!« Er ließ sich in der Diele nieder.

      »Kannst du denn einfach weg, sind keine Kunden da?«, sah Berit ihren Mann verwundert an.

      »Marion ist gestern wieder aus dem Urlaub gekommen«, berichtete er. »Eigentlich würde sie ja erst am Dienstag nach Pfingsten wieder anfangen, aber sie möchte uns gerne unterstützen und ist heute schon vorbei gekommen. Und als ich gesehen habe, dass du auch wieder da bist, bin ich gleich rüber gekommen.«

      Berit lächelte ihrem Mann zu. Auch sie war der Schwägerin dankbar. So eine gemeinsame Kaffeestunde in aller Ruhe, das tat beiden gut.

      Ausführlich berichtete Berit ihrem Mann von ihren großen Einkauf, vor allem der Bekleidung. Daniel konnte sich kaum das Lachen verkneifen angesichts des Kaufrausches seiner Frau. Aber da sie sich jetzt wenigstens wieder in ihrer Haut wohlzufühlen schien, war es ihm auch recht. Und schließlich ließen sich schwarze Sachen ja auch mit anderem kombinieren. Es musste also nicht gleich wieder jemand sterben, um die Kleidung zu nutzen.

      Fast nahtlos gingen die Eheleute vom Kaffee trinken zum Abendessen über. Wie in der letzten Zeit so oft, zog es Julia vor, gemeinsam mit ihrem Freund irgendwo ein Schnellgericht zu sich zu nehmen. Aber das war wohl ihrer Jugend geschuldet und natürlich dem Wunsch, so viel wie möglich mit Sebastian zusammen zu sein.

      Während Berit später eine Ladung Wäsche für die Maschine fertig machte und eine kurze Grundreinigung mit dem Staubsauger in Angriff nahm, ging Daniel noch einmal ins Geschäft, um mit Marion zu besprechen, was während ihres Urlaubs an Arbeit angefallen war und was nun dringend erledigt werden musste.

      Berit hatte gerade den Staubsauger wieder in den Flurschrank geräumt, als sie Julias Stimme vor der Haustür hörte. Sie schien den Abschied von ihrem Freund gewollt in die Länge zu ziehen und Berit fühlte sich wieder an ihre eigene Jugend und an den Traum vor zwei Tagen erinnert. Sie klapperte betont laut mit der Schranktür, um bei den beiden draußen keine peinliche Situation aufkommen zu lassen, dann öffnete sie schwungvoll die Tür.

      »Oh, Mama.« Julia sah trotzdem erstaunt ihre Mutter an.

      »Na ihr beiden, was steht ihr denn hier draußen?« Berit wollte sicher klingen, doch selbst spürte sie, dass sie nicht recht wusste, wie sie sich jetzt richtig verhalten sollte. Jedenfalls nicht wie ihre Mutter vor vielen Jahren!

      Sie lächelte den jungen Leuten zu. »Kommt doch rein.«

      Sebastian sah fragend zu seiner Freundin, machte dann aber den ersten Schritt in Richtung Haustür.

      »Guten Abend, Frau Schwerzer«, grüßte er Julias Mutter höflich.

      Auf dem Weg ins Wohnzimmer musste Berit beinahe lachen, und sie sprach diesen komischen Gedanken auch gleich aus. »Heute passen wir ja richtig gut zusammen«, wandte sie sich an Sebastian.

      »Heute haben wir beide schwarze Klamotten an! Und dazu noch unser Name, da wird alles gleich noch schwärzer!« Das Wortspiel war ihr spontan in den Sinn gekommen.

      »Mama! Das ist ja makaber!« Julia wusste nicht, was sie von ihrer Mutter zu halten hatte.

      Doch Sebastian konterte sofort. »Lass nur, Humor ist, wenn man trotzdem lacht, selbst wenn man schon den Sarg zu macht!« Julia kicherte leise über Sebastians Reim.

      »Ja, vielleicht ist es sogar gut, auch angesichts des Todes zu lachen, schließlich gehört er zum Leben«, sinnierte Berit.

      »Sie haben Julia ja auch getröstet, als ihr Opa gestorben ist«, sprach sie nun wieder Sebastian direkt an. »Sie hat mir von Musik und Gedichten erzählt. Darf ich mal fragen, was das für Musik ist, die Sie so hören?«

      Sebastian dachte kurz nach. »Gibt es hier einen USB-Anschluss? Ich habe einen Stick in der Tasche, der ist randvoll, da könnten wir mal reinhören.« Berit schüttelte den Kopf. »Nein, hier nicht. Der PC steht im Büro drüben im Geschäft.«

      Aber Julia war schon aufgesprungen. »Wartet, ich hole mein Laptop. Da wird zwar die Klangqualität