Название | Eine Stadt dreht durch |
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Автор произведения | Andreas Heinzel |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783948987206 |
„Ja prima, dann bis nächste Woche“, sagte Max und wollte schon weiterziehen, als ich ihn zurückhielt.
„Max, sag mal, müssen wir ernährungstechnisch noch auf etwas achten? Ausreichend Proteine und Kohlenhydrate vor dem Training?“
„Ach was, Niklas sollte nur vor dem Spiel nicht gerade einen BigMac essen, damit läuft sich’s nicht so gut.“
„Und macht ihr hier auch Laktattests? Oder sollen wir das beim Sportarzt veranlassen?“
Der Trainer sah mich an, als hätte ich ihn soeben aufgefordert, mit verbundenen Augen in den nahegelegenen U-Bahn-Schacht zu laufen.
„Laktattests? Ist das dein Ernst? Rot-Schwarz Dornbusch ist nicht der FC Bayern, und dein Sohn ist nicht sechzehn, sondern sechs. So was machen wir hier nicht. Die Kinder sollen erst einmal Spaß am Spiel mit dem Ball bekommen.“
„Ah ja, und deshalb spielt ihr Straßenverkehr.“ Meine Zweifel an der Kompetenz des Jugendtrainers wurden nicht eben weniger.
„Das dient dem spielerischen Trainieren der Antrittsschnelligkeit und der Reaktionsfähigkeit. Glaub mir, das hat alles seinen Sinn. Schönen Tag noch euch beiden … und bis Donnerstag.“
Damit ließ er mich stehen. Laktattests brabbelte er leise vor sich hin, als er kopfschüttelnd Richtung Geburtstagsgesellschaft schlenderte und ich mir meinerseits überlegte, ob ein Vereinswechsel bereits möglich wäre, wenn man noch gar kein Mitglied des Vereins geworden war. Doch als Niklas aufsprang, um sich eigens bei Eslem zu verabschieden und sich mit ihr für nächsten Donnerstag verabredete, beschloss ich, Max und Rot-Schwarz eine zweite Chance zu geben. Antrittsschnelligkeit, ging es mir durch den Kopf. Dafür, mein lieber Trainer, brauchte man Stollenschuhe. Aber das schien hier ja keinen zu interessieren.
Eine Woche später fanden sich mein Sohn und ich wieder pünktlich auf dem Trainingsgelände ein. Niklas rannte sogleich zu Eslem und präsentierte ihr stolz die Turnschuhe mit Noppen, die ihm seine Eltern am Tag nach dem Probetraining gekauft hatten. Damit sollte sich auch das Gänseblümchenpflücken erledigt haben, hoffte ich.
Auch Max war bereits anwesend und versammelte in Ermangelung eines Kuchenbüffets die Mannschaft um sich. Es schien, als funktionierte der Trainingsbetrieb heute disziplinierter als beim letzten Mal. Das Einzige, was mir missfiel, war die Einteilung der Mannschaften. Der Trainer ließ vier gegen vier spielen, sechs Feldspieler und zwei Torleute, der Rest musste sich mit einer Zuschauerrolle begnügen. Zum Rest gehörte auch Niklas, der seine Freundin Eslem anfeuerte, die in der Abwehr der leibchenlosen Mannschaft zugange war.
„Da seid ihr ja wieder. Wie schön“, hörte ich eine vertraute Stimme neben mir. „Wo ist denn Niklas? Ah da, neben dem Platz. Ich sehe ihn.“
„Heute kein Streuselkuchen?“
„Nein, das machen wir nicht jedes Mal. Nur, wenn eins der Kinder Geburtstag hat oder einer der Mamas und Papas gerade Lust hatte zu backen. Du siehst aber nicht richtig begeistert aus? Ist irgendwas?“
Ich zeigte Richtung Spielfeld, wo ich seit dem Anpfiff ein munteres Hin und Her der sechsköpfigen Spielertraube mal nach links, dann wieder nach rechts beobachten musste. Kein Deut von Spieltaktik war erkennbar. Und von meinem Sohn erst recht nichts. Er zog es vor, auch ohne Eslem an seinem Rad zu arbeiten, ein erster einhändiger Versuch war jedoch misslungen.
„Wie soll aus der Mannschaft etwas werden, wenn der Coach seine besten Spieler nicht einsetzt?“, fragte ich.
„Ach, das ist es? Keine Angst, dein Niklas wird noch spielen. Max wechselt die Kinder immer durch, so kommt jeder mal zum Einsatz.“
„Und warum spielt Oskar von Anfang an?“ Offenkundig war Gabis Sohn der Spielführer der Leibchen und kommandierte seine Mannschaftskameraden gerade vors gegnerische Tor.
„Oskar ist einer der Stützen der Minis. Beim letzten Turnier hat er elf Tore geschossen. Aber auch er wird manchmal ausgetauscht“, beruhigte mich Gabi. „Nur beim Turnier, da spielt er meistens durch. Er ist unsere Zehn, der Mittelfeldmotor und Kapitän der Bambinis.“
„Die Zehn, hm? Na, dann solltest du erst mal Niklas am Ball erleben, aber dazu müsste er halt eingewechselt werden. Maaax?“, rief ich, doch der Trainer hörte nicht. Er tippte konzentriert auf seinem Handy.
„Viel Glück“, ließ Gabi mich stehen, gesellte sich zu ein paar anderen Müttern und feuerte ihren Sohn lautstark an, damit er mit ihrer Unterstützung seinen Torrekord brechen konnte.
Als Max auch auf erneutes Rufen nicht reagierte, beschloss ich, die Sache in die Hand zu nehmen und machte mich auf den Weg zum kompetenzverminderten Trainernachwuchs.
„Max, ich möchte, dass du Niklas einwechselst“, formulierte ich ohne jeglichen Groll und vollkommen sachlich mein Anliegen. „Niklas braucht Praxis, sonst verkümmert sein Talent.“
„Hallo“, begrüßte mich Max und steckte das Handy weg. Wurde auch Zeit. „Du bist Niklas’ Vater, richtig?“ Natürlich war ich Niklas’ Vater, wer sonst? „Niklas kommt gleich rein, ich will den Teams nur ein bisschen Zeit geben sich zu finden. Sie sind meine Stammspieler beim nächsten Turnier.“
Ich hörte wohl nicht richtig.
„Wie? Und Niklas?“
„Niklas darf auch gerne mitmachen. Ich sehe mir gleich mal an, was dein Kleiner drauf hat. Bisher scheint er mir etwas abgelenkt zu sein.“
Ein Eindruck, der sich nur schwer widerlegen ließ, da Niklas just damit beschäftigt war, abseits des Platzes den Hund einer Spielermutter zu streicheln.
„Kein Wunder“, antwortete ich. „Das ist bei Hochbegabten so. Wenn sie sich langweilen, können sie sich nicht konzentrieren. Wenn du ihn in die Mannschaft nimmst, wirst du sehen, was der Junge kann.“
„Ist gleich soweit. Aber jetzt würde ich dich bitten, wieder zu den anderen zu gehen, ich muss mich auf die Racker konzentrieren.“
„Ist klar“, antwortete ich. „Du musst Niklas mal schießen sehen. Für einen Sechsjährigen eine einmalige Technik.“
Damit ließ ich Max in Ruhe, schlenderte so beiläufig wie möglich zurück in die Nähe der anderen Eltern, die sich sicher gerade fragten, was ich wohl beim Trainer gewollt haben konnte.
„Was wollte der denn bei Max?“, fragte eine Mutter, die es sich auf einem Campingstuhl gemütlich gemacht hatte und ihr Strickzeug sortierte.
„Der ist sauer, weil sein Sohn nicht spielt“, antwortete Gabi.
„Ach so“, lachte die Frau im Stuhl. „Aber er hat den Kleinen doch noch gar nicht angeschrien.“
„Kommt noch, wart’s ab“, lachte auch Gabi, zog eine Packung Kekse aus der mitgebrachten Tasche und bot sie ringsum an.
Ein Pfiff ertönte, dann gestikulierte der Trainer die Mannschaft zu sich und sprach auf sie ein. Er deutete verschiedene Kinder aus und schickte sie aufs Feld. Auch Niklas hatte sich inzwischen eingefunden und stand, die Hände auf die Oberschenkel gestützt, vor seinem Trainer. Na los, dachte ich, jetzt zeig schon auf ihn, worauf wartest du? Doch Max redete und redete und machte keine Anstalten, meinen Sohn mit auf den Platz zu schicken. Also, wenn Niklas jetzt nicht spielen würde, dann würde er überhaupt nicht mehr für … doch da endlich deutete sein Trainer auf ihn, drückte ihm eins der neonfarbenen Leibchen in die Hand und sprach eindringlich auf ihn ein. Mein Sohn nickte, er schien die taktischen Anweisungen des Coaches zu verstehen. Typisch für erstklassige Trainer, dass sie ihre Leitwölfe vor Spielbeginn ein letztes Mal zu sich zitierten, damit diese auf dem Platz zu ihrem verlängerten Arm wurden und die Mannschaft in ihrem Sinne dirigieren konnten. Niklas nickte erneut, dann lief er, ein letztes Rad schlagend, in seine Hälfte und orientierte sich zunächst zum eigenen Tormann. Falscher Platz, Niklas, falscher Platz. Du musst nach vorne, jetzt geh doch nach vorne, was willst du denn da hinten?
„Jetzt geh doch nach vorne!“, schrie ich meinem Sohn zu und gab ihm entsprechende Zeichen. „Niklas!