Nixentod. Thomas L. Viernau

Читать онлайн.
Название Nixentod
Автор произведения Thomas L. Viernau
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783967525137



Скачать книгу

waren und deren Besitz eingezogen wurde, um die immensen Kosten der Verfahren zu decken.

      Der Blondschopf neben ihm war noch nicht lange im Dienst. Seit einem dreiviertel Jahr durchlief der junge Kollege die einzelnen Dezernate und Bereiche der Kripo. In der Abteilung von Linthdorf war er erst seit drei Wochen.

      Er war aufgeregt, so oft hatte er es mit Tötungsdelikten bisher nicht zu tun. Linthdorf wusste nur wenig von ihm, nur den Namen und die Herkunft. Mehr hatten sie noch nicht miteinander gesprochen. Das lag auch an Linthdorfs separatem Büro. Er hoffte, mit dem Neuling etwas ins Gespräch zu kommen. »Na, Moser, wie gefällt es Ihnen hier im Osten?«

      Der junge Mann schaute etwas verunsichert zu Linthdorf hinüber. War das der Beginn eines privaten Gesprächs oder wollte der Riese ihn nur mal vorführen?

      Er hatte es als Süddeutscher nicht leicht im preußisch geprägten Potsdam. Sein schwäbischer Dialekt löste meist Heiterkeit, manchmal sogar Spott aus. Je mehr er sich bemühte, Hochdeutsch zu sprechen, desto auffälliger wurde sein sprachliches Manko, da ja auch der Satzbau ein vollkommen anderer war. Er war daher etwas zurückhaltender mit Kommentaren und beschränkte sich auf Floskeln, bei denen man nichts falsch machen konnte. Sein Selbstwertgefühl hatte erheblich unter den rauen Sitten des Ostens gelitten.

      Er sehnte sich zurück nach den vertrauten Städtchen seiner schwäbischen Heimat mit ihren Fachwerkbauten, barocken Kirchlein und den gepflegten Vorgärten. In Böblingen grüßte man noch jeden auf der Straße, aber hier wurde man nur schief angesehen, wenn man lächelnd jemanden einen »Guten Tag« zurief.

      »Naja, is scho ganz schöö hier. Aber alles eeh bissel zu groß geraten für die wenigen Leut. Und die Leut sind halt eweng schräg drauf.«

      Linthdorf grinste. Mosers Versuch, diplomatisch zu sein, war gründlich gescheitert.

      »Machen Sie sich nichts draus, mit der Zeit gewöhnt man sich daran.«

      Der Daimler schaukelte inzwischen durch freies Feld, hinter Herzfelde wurde die Landschaft dominant, keine Siedlung störte mehr den freien Blick auf die hügeligen Felder und kleinen Wäldchen.

      Alles war mit feinem weißen Schnee überzogen und ließ keinen Blick mehr auf den Untergrund zu. Grashalme starrten aus dem weißen Teppich, verliehen dem ganzen etwas Struktur. Für Moser hatte die Gegend keinerlei Reiz. Es war Terra Incognita. Er konnte mit den slawisch klingenden Ortsnamen und der spröden Landschaft nicht viel anfangen. Vieles kam ihm ärmlich vor, die meist kleinen Bauernhöfe wirkten wie aus einer fernen, längst vergangenen Zeit, verglichen mit den stattlichen Anwesen im Württembergischen.

      Das ganze Land außerhalb des Berliner Speckgürtels war ziemlich leer. Im Vergleich zum dicht besiedelten Süden Deutschlands erschien ihm Brandenburg wie ein Stück Sibirien. Die spärlichen Siedlungsgebiete waren eingebettet in die endlosen Ebenen, die man stundenlang durchqueren musste, um von einem Ort zum nächsten zu kommen.

      Moser hatte mit ein paar Freunden aus Böblingen, die für ein paar Tage nach Berlin gekommen waren, versucht, einen Ausflug zu machen. Alle waren sich danach einig, dass es hier oben ein recht trostloses Land sei. Sein Gegenüber Linthdorf schien aber die Fahrt zu genießen. Ihm gefiel diese Gegend, das war offensichtlich. Hier taute er auf.

      Er hatte einen gewissen Respekt vor dem Riesen, der stets nach der kurzen Begrüßung in sein Büro verschwand und nur selten daraus hervorkam. Mosers Schreibtisch war der wohl ungemütlichste im ganzen Haus, direkt am Eingang mit Blick auf den Flur. Das lag wohl daran, dass er als Neuer den wohl noch einzig freien Platz für den Schreibtisch zugewiesen bekommen hatte. Ständig ging die Glastür zum Flur auf und zu und ließ keinerlei Dahindösen zu.

      Jedes Mal kam auch ein Schwapp kalter Luft vom Flur mit hinein so dass Moser einen ausgewachsenen Schnupfen bekam. Auch hier im Auto hantierte er mit seinen Tempotaschentüchern und Schnupfenspray herum. Linthdorf warf einen mitleidigen Blick auf den jungen Burschen, der mindesten zwei Köpfe kleiner war als er selbst. Etwas verloren wirkte er schon hier mit seiner geröteten Nase, weit weg von seinem geliebten Böblingen.

      Der Daimler rollte inzwischen vorbei an Müncheberg, eine der größeren Ansiedlungen im Oderland. Eine große Backsteinkirche thronte auf einem kleinen Hügel und war schon aus der Ferne zu sehen – sie war das Wahrzeichen Münchebergs.

      Linthdorf wies mit einer Kopfbewegung auf die Kirche. »Und, schon mal in so einer Kirche drinnen gewesen?« Er wusste, dass Moser streng katholisch erzogen war. Moser schüttelte den Kopf, protestantische Gotteshäuser waren für ihn nicht wirklich interessant. Natürlich war er katholisch geprägt, vermied es aber, auf seine Konfession hinzuweisen.

      Die Straßen rund um Müncheberg waren wie leergefegt. Wo waren nur die ganzen Menschen, die hier lebten? Früh morgens um halb Zehn waren in und um Böblingen die Straßen voll. Hierzulande schien alles anders zu laufen. Brandenburgs Uhren tickten langsamer.

      »Lebt denn hier überhaupt jemand?«, hörte er sich fragen. Linthdorf grinste. »Klar, die meisten sind jedoch Pendler, schon längst unterwegs nach Frankfurt/Oder oder gar nach Berlin. Sie haben doch den uns entgegenkommenden Verkehr gesehen? Das sind die Leute aus den Provinzstädtchen. Manche fahren täglich zweihundert Kilometer. Das ist die neue Zeit, alles muss mobil sein und dynamisch zugehen, sonst ist man nicht fit für den Markt. Und Samstag ist großer Einkaufstag, da fahren alle, die ein Auto haben, in die nächste größere Stadt mit ihren vielen bunten Einkaufscentern.«

      Moser schwieg, von den Problemen im Osten hatte er schon gehört, aber eigentlich interessierten sie ihn nicht wirklich. Er war schließlich Polizist und kein Sozialarbeiter.

      Die Fahrt sollte nur etwa anderthalb Stunden dauern, aber sie kam ihm schon jetzt ewig vor. Linthdorf hätte doch die Autobahn benutzen sollen. Wieder schaukelten einsame Landschaften mit welligen Hügeln und kleinen Wäldchen vorüber. Die ganze Gegend schien eintönig zu sein. Moser seufzte, so hatte er sich die Fahrt an die Oder nicht gedacht. Er versuchte, Linthdorf in ein Gespräch über die Tote aus dem Fluss zu verwickeln, vielleicht verging die Zeit dadurch etwas schneller.

      »Glauben Sie, dort wirklich noch etwas zu finden?«

      »Warum nicht, der Fundort wurde nur oberflächlich abgesucht, keine KTU, keine professionellen Ermittler. Nichts gegen die Frankfurter Kollegen, aber die haben weder einen Spezialisten zur Fundstelle geschickt noch die übliche Sicherung des Fundorts angewiesen. Den einzigen Hinweis auf die Fundstelle haben wir dank des Berichts der Freiwilligen Feuerwehr.«

      Oderbruch bei Kienitz

      Immer noch Samstag, 7. Januar 2006

      Die Fahrt ging durchs Oderbruch, einer großen Ebene, eintönig mit Schnee bedeckt. Am Horizont sah man ab und zu ein paar einzelne Gehöfte, ansonsten fuhr man auf schnurgerader Straße Richtung Osten. Nach zehn Minuten endlich eine Siedlung: Kienitz wurde ausgeschildert, rechts abbiegen.

      Linthdorf steuerte seinen Daimler elegant um die große Kurve. Im Ort angekommen, parkte er im Schnee vor dem Dorfkrug. Es war noch immer ziemlich früh am Morgen. Der Tag fing gerade erst an hell zu werden. Linthdorf warf sich seinen schwarzen Mantel über, setzte den Hut auf, schlug den Kragen hoch und trabte Richtung Kneipe.

      Moser im modischen Parker mit vielen aufgesetzten Taschen und glitzernden Reißverschlüssen folgte ihm. Ein ungleiches Paar machte sich auf, hier etwas zu erfahren. Linthdorf ging mit großen Schritten, es sah eigentlich recht gemächlich aus, dennoch hatte Moser Schwierigkeiten, Schritt zu halten, musste daher öfters kleine Zwischenspurts einlegen.

      Am Fenster des Dorfkrugs erblickte der Gastwirt das ungleiche Paar. Er öffnete offiziell erst um Elf Uhr, jetzt war es gerade mal kurz nach Zehn. Linthdorf klopfte ans Fenster und zeigte seinen Dienstausweis.

      Der Gastwirt schaute verwundert auf den Ausweis. Was wollte die Potsdamer Kripo hier? Er schlurfte in Pantoffeln Richtung Tür, schloss auf.

      »Können wir einen Kaffee bei Ihnen bekommen? Und vielleicht auch etwas Essbares dazu?«

      Linthdorf