The Who - Maximum Rock III. Christoph Geisselhart

Читать онлайн.
Название The Who - Maximum Rock III
Автор произведения Christoph Geisselhart
Жанр Изобразительное искусство, фотография
Серия The Who Triologie
Издательство Изобразительное искусство, фотография
Год выпуска 0
isbn 9783854454175



Скачать книгу

aber irgend­etwas kam ihm diesmal verdächtig vor. Er hielt an und bemerkte, dass Petes Lippen blau angelaufen waren. „Sein Puls war sehr schwach, aber er raste“, erinnert sich Bonnick. „Ich sagte: ‚Wenn wir uns nicht beeilen, gibt er den ­Löffel ab.‘“ Petes Begleiter wollten zunächst keinen Arzt aufsuchen, weil sie die Presse fürchteten und weil sie sich kaum in einem besseren Zustand ­be­fanden, doch Bonnick fuhr Pete unverzüglich ins nächste Krankenhaus. „Die Krankenschwester kam zum Auto, und als sie Pete sah, handelte sie sofort. Er war inzwischen vollkommen blau angelaufen. Sie sagte: ‚Schnell! Wir haben nicht mehr viel Zeit!‘ Sie riss sein Hemd auf und schlug auf seine Brust.“

      Pete erhielt eine Kortisonspritze, die aber keine Wirkung zeigte. Eine zweite­ direkt in die Brust brachte ihn ebenso wenig zu Bewusstsein. Daraufhin wurde er an ein Reanimationsgerät angeschlossen, „und kurz bevor sie mir Elektroschocks geben wollten, kam ich wieder zu mir“, erinnert er sich. „Ich glaube, mein Fahrer Paul hat mir das Leben gerettet. Er hat darauf bestanden, dass ich in ein Krankenhaus gebracht wurde.“

      Obwohl Pete natürlich vom Pflegepersonal erkannt wurde und seine ­He­roin­injektion offensichtlich war, erfuhr die Presse zunächst nichts von dem Vorfall. Pete war zutiefst geschockt – und dankbar für die glückliche Rettung. Allmählich dämmerte ihm, dass er keine neun Leben besaß wie Keith, ­sondern dass er mehr auf sich achtgeben musste, wenn er es noch erleben ­wollte, dass seine Kinder erwachsen wurden. Erstmals begriff er in aller Klarheit, dass er etwas unternehmen musste – dass er ein Alkoholiker war und die ­Kontrolle über sein Leben verloren hatte:

      „Mein Zustand war schon vorher wie bei einem Heroinsüchtigen: Ich benötigte so viel Alkohol, um mich ins Gleichgewicht zu bringen, dass es mich umbringen konnte, wenn ich diese Menge tatsächlich trank. Ich kippte fünf oder sechs Bier und fühlte mich immer noch krank. Ich trank zwei ­Flaschen­ Brandy und war unverändert im Delirium tremens. Schließlich rief ich meinen Arzt an und bat ihn um Hilfe.“

      Pete begab sich in eine Privatklinik, wo er unverblümt zugab, dass er nicht nur trank, sondern auch harte Drogen nahm. Der Arzt entschied, erst den Alkoholismus zu bekämpfen. Nach fünf Tagen war er so weit entgiftet, dass er nach Hause konnte. Bemerkenswerterweise hatte Petes Mutter Betty zur gleichen Zeit beschlossen, vom Alkohol loszukommen, und vermutlich gab ihm ihr Beispiel den entscheidenden Anstoß: „Sie beschloss, dass es genug war, und hörte damit auf. Mir war klar, dass das für den Rest ihres Lebens galt.“ Leider täuschte sich Pete in dieser Beziehung, wie wir noch erfahren werden. „Die Ärzte meinten, es wäre vermutlich besser, wenn sie nicht gleich nach Hause zurückkehrte. Also kam sie zu mir. Und da geschah zweierlei: Erstens fühlte ich mich durch sie wirklich ermutigt und wollte mich solidarisch zeigen; zweitens entfielen plötzlich meine wichtigsten Ausreden. Es besteht kein Zweifel, dass die Alkoholkrankheit genetisch angelegt ist; doch nun konnte ich nicht mehr sagen: ‚Alle in meiner Familie sind Säufer, des­wegen bin ich auch einer.‘“

      Pete unterbrach die Arbeit an seinem Soloalbum und behandelte seinen Alkoholismus mit einer Hypnosetherapie. Unterstützend erhielt er Beruhigungsmittel, Tranquilizer wie Ativan, wovon er allerdings in kürzester Zeit abhängig wurde, wie er erzählt:

      „Ich nahm alles, was ich in die Hände bekam, weil ich das Gefühl hasste, nicht betrunken zu sein. Mein Arzt hatte mir eine hochkonzentrierte Pille namens Ativan verschrieben. Ich schluckte die ganze Dosis auf einmal und besorgte mir eine zweite Ladung von einem Dealer. Ich trank nicht, aber ich konsumierte immer noch Kokain. Ich kehrte nach New York zurück, wo Kokain inzwischen oft mit Heroin gemischt wurde. Und das war’s. Viele Leute wissen nicht, dass man sofort abhängig wird, wenn man Heroin raucht. Beim Schnupfen wird man nicht sofort abhängig, beim Rauchen schon. Bald rauchte ich reines Heroin, das ich mir privat besorgte, heimlich, niemand wusste davon. Ungefähr ein Gramm, manchmal mehr. Und wenn die Heroinwirkung nachließ, schluckte ich acht bis zehn Ativan-Tabletten, dazu zwei oder drei Schlaftabletten, um nachts ein wenig schlafen­ zu können – ich war ein wandelndes Tablettenröhrchen. Der einzige, der etwas bemerkte, war mein Vater. Um Weihnachten herum fragte­ er mich: ‚Du sagst, du trinkst nichts mehr?’ Ich antwor­tete: ‚Nein, nein, schon seit einem Monat nicht mehr.‘ Er sagte: ‚Du bist auf irgendwas drauf, es steht verdammt schlecht um dich, wenn du mich fragst.‘ Dann erhob er sich und ging raus.“

      Pete pflegte ein gutes kameradschaftliches Verhältnis zu seinem Vater, wie man beispielsweise während einer BBC-Talkshow von 1981 beobachten konnte, als die beiden miteinander flachsten und sogar das erste Mal gemeinsam öffentlich musizierten. Cliff Townshend kannte seinen Sohn sehr genau; man darf also annehmen, dass er als ehemaliger Profimusiker die Gefahr, in der Pete schwebte, richtig einzuschätzen wusste. Pete ähnelte in seiner Veranlagung mehr seiner exzentrischen Mutter Betty, die mit ihren frühen Eskapaden beinahe die Familie zerstört hätte, und so mag es auch Cliffs Einfluss zuzuschreiben sein, dass sich Pete im Dezember mit seiner Ehefrau Karen aussöhnte. Der finanzielle Kollaps hatte das Paar zwangsläufig wieder näher zusammen­gebracht, Dokumente mussten gegengezeichnet werden, Schecks unterschrieben, Pläne und Vereinbarungen gingen hin und her – Pete zog um Weihnachten wieder bei seiner Familie ein, obwohl er heroinsüchtig und tabletten­abhängig war und sich selbst als nicht resozialisierbar betrachtete:

      „Ich sagte: ‚Ich glaube, ich sollte nicht bei euch bleiben. Ich gehe besser wieder aufs Land und komme morgen wieder.‘ Und Karen sagte: ‚Nein, bleib.‘ Ich erwiderte: ‚Pass auf, ich nehme zurzeit Heroin und denke, ich sollte besser gehen.‘ Aber sie meinte: ‚Nein, bleib trotzdem.‘ Ich denke, das gab den Ausschlag. Ich hielt mich für ein wertloses Stück Scheiße, un­würdig im Haus zu wohnen, das ich für meine Familie gekauft hatte, die ich in die Welt gesetzt hatte und ernährte; doch sie, vor allem meine Frau, ­hielten mich nicht für wertlos. Diese Geste bedeutete so viel für mich. Es war eine einmalige Gelegenheit mir zu zeigen, was vorbehaltlose Liebe ist. Das war es, was Karen damals für mich getan hat, und durch sie bin ich ­darauf gestoßen,­ was es bedeutet, bedingungslos ­lieben­ zu können.“

      Pete fand nun die Kraft, unangenehme geschäftliche Entscheidungen zu treffen­ und durchzuziehen. Er musste den größten Teil seiner Belegschaft entlassen und sogar die Unterstützung des von ihm initiierten Meher-Baba-­Zentrums in London auf ein Minimum zurückfahren, was man ihm dort recht übel nahm und was bei ihm ein schlechtes Gewissen hinterließ.

      Im Januar 1982 brach Pete abermals unter einer Überdosis zusammen; er musste ins Krankenhaus eingeliefert werden, wo man ihm den Magen auspumpte. Erst daraufhin besann er sich der eigentlich naheliegenden Lösung: Er rief seine alte Bekannte Meg Patterson an. Die Expertin auf dem Gebiet der alternativen Suchtmedizin, zu der Pete einst Eric Clapton und Keith Moon gebracht hatte und deren Arbeit er mit Wohltätigkeitskonzerten unterstützte, betrieb inzwischen ein Forschungszentrum in Kalifornien.

      „Ich fragte sie, was ich tun sollte, und sie bestand darauf, dass ich am nächsten Tag kam. Ich meinte, das ginge nicht, aber sie sagte: ‚Entweder du kommst morgen oder überhaupt nicht.‘ Daraufhin nahm ich ein Flugzeug und flog rüber. Ich hatte eine volle Dosis Heroin in mich hinein gepumpt, um den Flug nach Los Angeles durchzustehen. Die Pattersons erwarteten mich schon am Flughafen und schlossen mich sofort an ihr Gerät an.“

      Dieses Gerät war etwa so groß wie eine Zigarettenschachtel und hieß NET Box oder Black Box. Es beruhte auf Meg Pattersons Erkenntnissen über die Elektroakupunktur, die sie in einem Krankenhaus für Opiumsüchtige in Hongkong gesammelt hatte. Nach ihrer Theorie entstand Heroinabhängigkeit vor allem dadurch, dass das Gehirn nach Einnahme von Opiaten die Endorphinherstellung einstellte. Durch die elektrischen Impulse aus der NET Box wurde das Gehirn des Patienten wieder angeregt, eigene Glückshormone, Endor­phine,­ zu produzieren, so dass das Verlangen nach künstlicher Stimulanz durch die Droge erlosch. In achtundneunzig Prozent aller behandelten Fälle war die im Grund recht simple neuroelektrische Therapie erfolgreich.

      Seit der Heilung von Keith Richards und Eric Clapton konnte sich die Ärztin­ kaum mehr vor prominenten Anfragen retten; Meg verzichtete jedoch auf eine Karriere als Showstarmedizinerin, sondern versuchte, das amerikanische Gesundheitsministerium und die UN-Drogenbehörde auf ihre Forschungen aufmerksam zu machen. Sie erinnert sich: „Als Pete aus der Abfertigungshalle kam, sah ich sofort, wie verzweifelt