The Who - Maximum Rock III. Christoph Geisselhart

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Название The Who - Maximum Rock III
Автор произведения Christoph Geisselhart
Жанр Изобразительное искусство, фотография
Серия The Who Triologie
Издательство Изобразительное искусство, фотография
Год выпуска 0
isbn 9783854454175



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Ich wollte­ möglichst viele Titel aus Face Dances ins Programm einbauen, weil ich dachte, es sei für The Who gefährlich, sich immer nur auf Bewährtes und Erreichtes zu verlassen. Aber es hat sich gezeigt, dass es speziell für eine Band wie unsere sehr schwierig ist, neue Wege zu gehen. Unsere Karriere­ währt schon so lange, und wir haben so viele Hits, dass wir ­unsere Show problemlos darauf aufbauen können. Genau darin liegt die Gefahr, die einzige, die ich für The Who sehe.“

      Die Karriere währte zwar schon lange, aber alle anderen sahen die Bedrohung wohl eher in Petes Lebenswandel und in seiner unverhohlenen Ambition auf eine erfolgreiche Solokarriere. Vor dem Rockpalast-Konzert hatte Pete den Manager­ der Grateful Dead angerufen, weil er unbedingt die drogen­um­­­-wölkten Kultrocker mit von der Partie haben wollte. Bandleader Jerry Garcia sagte zunächst ab, weil er die Heroinversorgung in Deutschland für ungesichert erachtete. Erst als ein eigens dafür angeheuerter Drogenkurier am Düsseldorfer Flughafen zugesagt wurde, wo auch die Who anlandeten, lenkte Garcia ein.

      Hinter den Kulissen der Grugahalle versetzten sich die Grateful Dead also in die für ihre üblichen Marathonimprovisationen erforderliche Entrückung, während die Who auf der Bühne und vor den Fernsehkameras ihr Bestes gaben. Starke Szenen hatte John, dessen „The Quiet One“ wie immer grad­linig und authentisch durch die Halle röhrte, und auch „Sister Disco“ geriet überraschend gut, als Roger und Pete vor dem Schlagzeugpodest traulich zusammenkamen und zu einem bluesigen Duett ansetzten. Trotzdem lag eine seltsame Spannung in der Luft. Die Kräfte strebten spürbar auseinander und nicht auf einen gemeinsamen Punkt und Klang zu. Selbst Johns verbindliche Coolness kam ein wenig gespreizt daher, er schielte immer unsicherer zu Pete, in einer Mischung aus Bewunderung und Sorge um den überdrehten Gitarristen, die keineswegs unberechtigt schien.

      Sofort nach dem wenig überzeugenden Auftritt trennten sich die Wege der Musiker. Roger zog sich wie immer zurück; John, Kenney und Rabbit übernahmen mit ihrer Mannschaft die Hotelbar, und Pete stakste mit Grateful Dead auf die Bühne. Jerry Garcia, der Pete zutiefst bewunderte und seine eigenen Kompositionen des Meisters für unwürdig befand, fragte: „Mein Zeug ist ja viel zu unakademisch für dich – sollen wir lieber was von Wagner spielen?“

      „Au ja“, meinte Pete begeistert: „Lass uns ‚Götterdämmerung‘ versuchen – in welcher Tonart ist das? Legen wir los!“ Und so dudelten sie selig und enthoben bis zu den ersten zaghaften Strahlen der Morgenröte.

      An anderer Stelle geriet die Stimmung unterdessen in bedrohliche Schieflage. Das Trio John, Kenney und Rabbit rächte sich für seine Zurücksetzung an deutschen Spirituosen und vernichtete erbarmungslos die Bestände der Hotelbar. Vor allem Rabbit, der angeheuerte Keyboarder, schlug arg über die Stränge. Er war schon während der Tour in Großbritannien einige Male bedenklich übers Ziel hinaus geschossen. Rückblickend sagt er:

      „An einige Gigs in Cornwall kann ich mich nicht mal mehr erinnern, weil ich so betrunken war. Am 17. Februar verbrachte ich sogar eine Nacht in einem schottischen Gefängnis. Wir hatten einen Tag frei, und ich fuhr mit meiner Frau Sue fürs Wochenende von Glasgow in ein Hotel am Loch Lomond. Es war mein Fehler, arme Sue, sie war schon zu Bett gegangen, während ich mich an der Hotelbar betrank. Zurück im Zimmer wollte­ ich den Fernseher anschalten, schaffte es aber nur, das Gerät vom Tisch zu schubsen, worauf es mit großem Getöse am Boden zerschep­perte. Dann torkelte ich durchs Zimmer, stürzte über das Nachttischchen und plumpste­ mit einem weiteren lauten Knall auf den Boden. Das ­nächste, woran ich mich erinnere, ist, dass die Tür aufgesprengt wurde und sich einige riesige­ Typen den Weg durch die Verwüstung bahnten und mich festhielten, bis die Polizei eintraf. Und die legte mir sofort Handschellen an; Sue übrigens auch, obwohl sie nur harmlos im Bett gelegen war. Im Revier von Dumbarton steckten sie mich in eine Zelle und Sue in eine andere. Dann unterhielten sie sich laut darüber ‚was für eine scharfe­ blonde Tussi‘ sie da zusammen mit dem Besoffenen von The Who eingelocht hatten, und dass sie am besten gleich in ihre Zelle gingen und es ihr so richtig besorgten. Ich bin sicher, sie sagten das nur, um mich fertig­ zu machen, aber ich war so besoffen, dass ich jedes Wort glaubte, und rastete völlig aus. Sie sprühten mir sogar Gas ins Gesicht, bis ich wegsackte. Mann, ich hatte solche Panik! Am nächsten Morgen wurden wir aber entlassen und fuhren gerädert von dieser furchtbaren Nacht nach Edinburgh, wo wir am Abend auftreten sollten. Als wir eintrafen und den Tourbus betraten, bedachten uns alle mit merkwürdigen Blicken. Bill ­Curbishley hielt eine Zeitung hoch, auf der die Schlagzeile stand: ‚Who-Bandmitglied wegen Trunkenheit und Ruhe­störung verhaftet.“ Ich hatte den Eindruck, dass ich es mit allen ziemlich verschissen hatte.“

      Rabbits Gefühl täuschte ihn nicht. Obwohl Pete und die anderen, von Roger einmal abgesehen, kaum weniger über die Stränge schlugen als Rabbit, der es immerhin mit der ehelichen Treue recht genau nahm, kam es auf Petes Betreiben­ nach der Rockpalast-Show zur Trennung. Denn auch in Essen sorgte­ Rabbit für einen Eklat:

      „Ich war am Tag des Auftritts so betrunken, dass ich schon mittags an der Hotelbar fast in eine Schlägerei mit Angus Young, dem Gitarristen von AC/DC, geraten wäre. Ich verbrachte achtundvierzig Stunden lang nur bei Schnaps und Koks und schaffte es kaum auf die Bühne. Am Ende der Veranstaltung, als wir auf den Bus zum Flughafen warteten, trank ich immer noch an der Hotelbar. Ein Typ sprach mich an, er war offenkundig auf Heroin. Das ließ mich vollends ausflippen. Ich warf Stühle und Tische durch die Bar und durch die Lobby. Mein Roadie konnte mich beruhigen und mich mit Sue durch den Hinterausgang aus dem Hotel schaffen, denn der Hotelmanager hatte in der Zwischenzeit die Polizei alarmiert. Als wir hinten abfuhren, traf am Haupteingang gerade der Streifenwagen ein. Zu allem Überfluss hatte ich aus irgendeinem Grund darauf bestanden, Sue zum Hinterausgang hinauszutragen. Ich war so blau und hatte so wacklige Knie, dass ich sie fallen ließ. Arme Sue, das muss wehgetan haben. Der Heimflug war schrecklich, nicht nur für uns beide, sondern wahrscheinlich auch für alle anderen. Was war ich für ein Arschloch! In England hatten wir einen Monat frei, aber irgendetwas sagte mir, dass es für mich nicht gut war, auf Tournee zu gehen.“

      Das sagte ihm nicht nur die innere Stimme, sondern auch der Who-Chef ­persönlich. Im Mai wurde Rabbit offiziell gefeuert. Der Keyboarder räsoniert zerknirscht:

      „1979 schien ich am Ziel meiner Träume – doch schon zwei Jahre später hatte sich alles in einem Nebel aus Drogen, Alkohol und Starallüren verflüchtigt. Ich dachte, das ist es, was Rockstars tun. Ich konnte jeden unter den Tisch saufen und wurde bei dieser Gelegenheit zum Arschloch. Ich war unhöflich, verletzend, gewalttätig und immer bereit, einen andern k. o. zu schlagen, wenn der gerade wegschaute. Man könnte das auch ­Feigheit nennen. Sogar The Who ertrugen das nicht mehr, also warfen sie mich raus. Und ich hatte einen Grund weiterzutrinken.“

      Rabbit war nicht der einzige Vertraute, von dem sich Pete kurz nach dem Konzert in Essen trennen musste: Am 27. April 1981 starb Kit Lambert unter Umständen, die brutal und schockierend klar machten, dass weder Ruhm noch Macht noch Geld einen Menschen vor sich selbst schützen können.

      Der abgesetzte Who-Manager hatte nach seinem überraschenden Auf­tauchen in Cannes einen weiteren Vorstoß unternommen, um sich von der gerichtlichen Vormundschaft zu befreien. Zwei medizinische Gutachten, die Lambert veranlasst hatte, überzeugten seine Treuhänder immerhin, dass man den Versuch wagen konnte, sofern der Klient sich ärztlicher Aufsicht unterstellte. Lambert war Feuer und Flamme – bis er herausfand, dass die ­Wiederherstellung seiner vollen Eigenverantwortung selbst im günstigsten Fall mindestens achtzehn Monate dauern würde. „Da beschloss er zu sterben“, glaubt seine mütterliche Wohnungsgeberin Louise Fitzgerald.

      Lambert forcierte den Heroinkonsum und verstieß so lange gegen die Hausregel („No boys!“), bis Louise ihn im Spätsommer 1980 vor die Tür setzte. Eine weitere Bekannte half aus, Deirdre Redgrave, ehedem mit Speedy Keene von Thunderclap Newman befreundet. Für fünfundvierzig Pfund in der Woche, was den Gutteil der vom Gericht bewilligten Apanage ausmachte, mietete sich Lambert in ihrem Haus ein Zimmer. Bald verband die beiden eine eigenartige Beziehung. Angeblich wollte Kit seine Vermieterin heiraten, weil er im Grund „seine Homosexualität hasste und sich eine eigene Familie wünschte“, wie Deirdre Redgrave behauptete. Immerhin waren die Regeln in ihrem Haus lockerer. Kit durfte Callboys mitbringen, allerdings nur dann, wenn Deirdres Kinder in der