Unsere Popmoderne. Marc Degens

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Название Unsere Popmoderne
Автор произведения Marc Degens
Жанр Языкознание
Серия Schöner Lesen
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783955660055



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gehen. Doch sobald wir ins Gespräch kommen und ich meinen Namen nenne, verlieren die Frauen das Interesse an mir und wenden sich ab. Dabei bin ich nicht auf den Mund gefallen.

      Viele Jahre war ich unzufrieden mit meinem Aussehen … Bis ich eines Abends in der Diskothek von diesem Rechtsanwalt angesprochen wurde: Es war kurz bevor Boris Becker mit Barbara Feltus zusammenkam. Der Anwalt war ein aalglatter Kerl in Anzug und offenem Hemd, mit Goldkettchen und verspiegelter Sonnenbrille – er roch noch nach Zahnpasta. Als er mich tanzen sah, geriet er völlig aus dem Häuschen. Er zerrte mich von der Tanzfläche, orderte eine Flasche Champagner und stellte sich als Berater aus dem inneren Kreis um Ion Tiriac vor. Nach der Disco fuhr er mich in seinem Sportwagen nach Hause, am anderen Tag waren wir zum Essen im teuersten China-Restaurant der Stadt verabredet. Der Anwalt hatte inzwischen mit Gott und der Welt telefoniert und machte mir ein Angebot, das ich nicht ablehnen konnte. Beim Dessert unterschrieb ich ein über einhundert Seiten langes Vertragswerk. Zwei Tage später saß ich im Flieger nach Monaco.

      Am Flughafen wartete eine Limousine mit schwarzgetönten Scheiben auf mich. Sie brachte mich zu meinem neuen Arbeitsplatz: Das Luxusappartement von Boris Becker. Die Wohnung war ein Palast. Mit Sauna, Schwimmbad und Fitneßraum … Mit eigenem Tennisplatz und begehbarem Schuhschrank. Wenn man auf der Terrasse stand, konnte man meinen, das Mittelmeer sei nur für diesen Ausblick angelegt worden. Für jeden Wochentag hatte Boris ein eigenes Schlafzimmer. Der Kühlschrank besaß einen separaten Liefereingang und wurde zweimal am Tag frisch gefüllt. Es dauerte Tage, bis ich mich in der Wohnung zurechtfand.

      Meine Aufgabe bestand darin, immer, wenn Boris spielfrei hatte und offiziell in Monaco weilte, mich in dessen Wohnung aufzuhalten und dreimal am Tag ans Fenster zu treten und mich von den Paparazzi auf der Straße fotografieren zu lassen. Mehr nicht. Die restliche Zeit könne ich tun und lassen, was ich wolle: Lesen, fernsehen, schlafen oder telefonieren. Allerdings dürfe ich unter keinen Umständen mit jemanden reden – außer mit den Hausangestellten, die eingeweiht waren. Sollte Boris in der Stadt sein, würde ich in einem Hotel auf dem Lande untergebracht werden – das aber käme so gut wie nie vor. Es hatte etwas mit Steuervergünstigungen zu tun und damit, dass sich Boris die Hälfte des Jahres im Fürstentum aufhalten musste, was bei seinem vollen Terminkalender und den vielen Verpflichtungen allerdings unmöglich sei. Deshalb habe man mich eingestellt – so hielten es die anderen prominenten Monegassen im übrigen auch. Die Bezahlung war königlich, und ich war davon überzeugt, endlich meinen Traumjob gefunden zu haben – doch das Ganze entwickelte sich zum Alptraum.

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      Die Idee zu dem ursprünglich als Drehbuch geplanten Roman »Der doppelte Becker« kam dem Autor Michael Schattenmann während seiner Arbeit an Boris Beckers vorletzter Autobiographie »Punkt, Satz und Sieg – Die Zeit ohne Schläger«. Ein Doppelgänger des Tennisstars verliebt sich in Monaco in eine Pizzalieferantin, eine englische Boulevard-Journalistin erfährt von der Romanze und bauscht sie zur so genannten »Kofferraum«-Affäre auf … Die Romanfassung des Drehbuchs erschien jetzt im 2004 gegründeten Hannoveraner Gold & Silben-Verlag, dessen »Literatur-Rollen« – eine Toilettenpapieredition von Gedichten und Erzählungen junger, größtenteils noch unbekannter deutschsprachiger Autoren – letztes Jahr für enormes Aufsehen in den Medien sorgte.

      Das Zebra des Emporkömmlings

      Sie waren wie Brüder. Früher. Aus gleichem Holz, vom selben Stamm. Ein Paar von der Stange: Leo Baldwin und Tom Shotton. Schwänzte der eine die Schule, dann war auch der andere krank.

      Gemeinsam pafften sie die ersten geklauten Zigaretten. Sie stießen aufeinander an, bevor sie sich das erste Pint in die Kehle schütteten. Ja, Tom Shotton und Leo Baldwin verloren sogar in derselben Nacht ihre Unschuld an die spindeldürre Patsy Cheever. Niemand in der Straße hätte es damals gewagt, die beiden beim Fußballspiel in verschiedene Mannschaften zu wählen. Ihre Fäuste waren berüchtigt, und vor Rektor Wideman mussten sie stets zu zweit antanzen.

      Als Leo dann seinen Job an den Docks verlor, schmiss keine Stunde später auch Tom die Brocken im Schlachthaus hin. Drei Tage und drei Nächte zogen sie durch die Pubs und stiegen in die Fässer. Die zwei hatten einen Schlund wie die Einkommenssteuer!

      Gewiss, Tom Shotton und Leo Baldwin liebten die Frauen – und die Frauen liebten sie. Doch dass Leo am Ende ausgerechnet Theodora Helstone heiraten würde, die schmalhüftige, blasse Tochter des steinreichen Fabrikanten Helstone, und dass dieser die Verbindung auch noch akzeptierte, kam selbst für Tom überraschend. Ach, was, es war eine faustdicke Sensation, aber niemand in der Stadt freute sich darüber mehr als Tom. Er wusste, dass Leo nun in Lebensverhältnisse aufstieg, von denen sie als Arbeiterkinder nicht zu träumen gewagt hätten: Das Schicksal ist eine launische, aber manchmal trotzdem willige Jungfrau.

      Und so fuhr Leo auf einmal einen Bentley, ging regelmäßig zum Friseur, er trug eine goldene Taschenuhr bei sich und aß zweimal in der Woche im sündhaft teuren Chabon’s. Tom kannte keine Spur von Neid, er war sogar stolz auf Leo und gönnte seinem Kumpel jeden Penny von ganzem Herzen, und selbstredend blieben die beiden weiterhin die besten Freunde und sahen sich oft.

      Allein mit der Zeit stellte Tom an Leo eine Veränderung fest, und diese Wandlung missfiel ihm sehr, nach und nach wurde sie ihm sogar unerträglich: Anstatt dass Leo sein neues Leben in vollen Zügen genoss und mit gehobener Stimmung durch die Welt lustwandelte, war er anscheinend bemüht, vor Tom seinen Frohsinn zu dämpfen und seine Ausgelassenheit und Unbekümmertheit zu verbergen. Ja, fast schien es so, als wollte Leo sein Glück mit Tom nicht teilen! So war Leo, wenn die zwei sich trafen, stets auffallend nachlässig gekleidet und zeigte immer noch dieselbe Grobschlächtigkeit und Ungehobeltheit, die er auch früher an den Tag gelegt hatte.

      Gleichzeitig verdoppelte Leo seine Aufmerksamkeit gegenüber Tom und war bemüht, unterwürfig zu erscheinen, so als habe Leo ihm gegenüber etwas gutzumachen. Dieser Umstand kränkte Tom zutiefst.

      Letzten Sommer hatte Tom dann diese vermaledeite Pechsträhne ereilt, die sich wie das genaue Spiegelbild von Leos Dusel ausnahm. Tom verlor beim Hunderennen einen gewaltigen Batzen Geld. Natürlich hätte er sich von Leo die Summe borgen können, und gewiss hätte er dies auch getan, wenn Leo in letzter Zeit nicht so seltsam gewesen wäre, so aber schied diese Möglichkeit für Tom aus, und er verfiel auf den Plan mit dem Zebra.

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      »Das Zebra des Emporkömmlings« ist der zweite Roman des nordenglischen, 1960 geborenen Autors Brian Toomer, der mit seinem Debütwerk »Ulabula – Am Anfang war der Ort« einen internationalen Bestseller schrieb und seit 1998 an der University of London kreatives Schreiben unterrichtet. Im Mittelpunkt des mit absurdem Witz und lakonischer Selbstsicherheit verfassten Buches steht ein junger Mann, der versucht, seinem zu Wohlstand gekommenen besten Freund auf verschiedenste, immer abstrusere Weise Geld abzuluchsen. Brian Toomer, der mit der Fotografin Cynthia Paley verheiratet ist, dreht zur Zeit für die BBC einen Dokumentarfilm über den irischen Dichter Flann O’Brien.

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