Название | The Who - Maximum Rock I |
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Автор произведения | Christoph Geisselhart |
Жанр | Изобразительное искусство, фотография |
Серия | The Who Triologie |
Издательство | Изобразительное искусство, фотография |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783854454151 |
Tatsächlich waren die Aussichten darauf recht gut. Wenn man heute etwa die Verstärkeranlage der Pirates auf Fotos betrachtet, bekommt man beinahe Mitleid, so mickrig nimmt sich deren Ausrüstung gemessen an modernen Ansprüchen aus. Jede aktuelle Amateurband würde sich heute weigern, mit derart lächerlichen Mitteln aufzutreten.
Roger hatte den technischen Aspekt des Rock’n’Roll früh erkannt und entsprechende Maßnahmen ergriffen: „In unseren Boxen gab es zwar auch nur diese kleinen Zwölf-Inch-Lautsprecher – aber von außen sahen sie aus wie der Wohnzimmerschrank meiner Mutter. Die Leute staunten: ‚Wow, die Jungs müssen gut sein, schaut euch bloß ihre riesige Anlage an!‘“ Zu den selbstgefertigten Lautsprechern und dem tragisch ererbten Vox AC-15, den sich Pete und Roger teilten, kam im Lauf der Zeit noch ein zweiter identischer Vox-Verstärker hinzu, der Johns alten Goodman-Lautsprecher und Rogers Decca-Mono-PA unterstützte. Diese Gesangsanlage muss ein recht explosives, vielseitiges Teil gewesen sein, denn es wird berichtet, dass ihre Ventile bei der kleinsten Berührung hochgingen, sonst aber zum Trocknen der kleinen Grampian-Mikrofone benutzt wurden: „Großartige, hübsche Dinger, diese Mikros“, erinnert sich John, „aber sie wurden immer leiser, je länger man sang und zwangsläufig in sie hineinsabberte. Wir hatten deswegen immer eine Anzahl Ersatzmikros über dem Ventilgebläse zum Trocknen.“
John hatte inzwischen auch seinen ersten richtigen Bass. Es war ein echter Fender Precision Bass, Baujahr 1961, den er von Gabby übernommen hatte, indem er dessen Restschuld von fünfzig Pfund übernahm: „Er hielt den Bass unterm Bett seiner Freundin versteckt, weil er die Raten nicht mehr bezahlen konnte.“
Johns größtes Problem war aber noch ungelöst: „Ich begann ja mit dem Achtzehn-Inch-Lautsprecher von Goodman,“ – das war mit etwa fünfzig Zentimetern Durchmesser in der Tat ein beeindruckendes Teil – „der in einer selbst geschreinerten Holzkiste ohne Rückwand lebte. Die war so schwer, dass sich der Rest der Band weigerte, den riesigen Kasten zu schleppen. Also kamen wir auf die Idee, den Lautsprecher an einen langen Nagel zu hängen und in einem großen bemalten Karton zu transportieren. Es sah sehr echt aus, aber konsequenterweise plumpste der Lautsprecher jedes Mal vom Nagel, wenn ich die tiefe E-Saite anschlug.“
Es müssen diese frustrierenden Erfahrungen gewesen sein, die John in den Musikshop von Jim Marshall trieben. Marshall war selbst Musiker gewesen und hatte als Schlagzeuger mit Petes Vater in einer Band gespielt. 1960 eröffnete er einen kleinen Laden in Nord-London, der zunächst nur Schlagzeugbedarf führte. Aber die Drummer brachten oft Bassisten und Gitarristen mit. Gespräche mit Pete, der oft mit John bei Marshall herumhing, und mit anderen elektrischen Saitenkünstlern überzeugten Marshall schließlich, auch Verstärker und Gitarren ins Programm aufzunehmen.
Damit kam eine Lawine ins Rollen. Der findige Musikalienverkäufer erkannte rasch, dass er die teuer aus den USA importierten Markengeräte von Fender für gleiches Geld selbst herstellen konnte. Auf der Basis des damals sehr populären Fender Bassman entwickelte er einen eigenen Verstärker, mit einer geschlossenen Box, die größere Lautsprecher enthielt als die Originalvorlage von Fender. Und einer der ersten, die diesen neuen Marshall-Verstärker mit vier Zwölf-Inch-Lautsprechern kauften, war John Entwistle: „Ich war aber nicht der allererste, sondern das war ein Typ, der in einer Band namens The Flintstones spielte. Ich kaufte den zweiten … und den vierten … und den sechsten und achten. Und Pete kaufte die dazwischen.“
Im September 1963 erschien im Melody Maker eine Marshall-Anzeige, die The Detours als Kunden auflistete. Johns Probleme waren also gelöst, seine tiefe E-Saite durfte aufatmen, und er konnte sie nun nach Belieben einsetzen.
Auch Pete hatte seine Ausrüstung verbessert. Vor allem kaufte er nach Rogers Wechsel ans Mikro dessen schicke weiße Epiphone, gegen sehr moderate Teilzahlungen, und begann, mit dieser seiner ersten Solidbody-Gitarre zu experimentieren. Wenn die Band im Oldfield Hotel auftrat, meistens samstags und donnerstags, stellte Pete seinen Verstärker auf einen Stuhl, einmal auch auf das Piano, und dabei entstanden seltsame Störgeräusche, ein plötzliches Blubbern und verzögertes Kreischen, vor allem, wenn er seine Gitarre in eine Linie mit dem Verstärker brachte. Der Effekt gefiel ihm. Erstens konnte man damit das Publikum irritieren, wenn es mal wieder wegen einer R&B-Nummer maulte, was häufig vorkam, weil die meisten Klubbesucher lieber Songs aus den aktuellen Hitlisten hören wollten. Und zweitens interessierte er sich seit einiger Zeit grundsätzlich für fremdartige Klänge und Geräusche.
Dazu hatte ihn eine Aufführung angeregt, die einer seiner Freunde, Dick Seaman, an der Kunstakademie organisiert hatte. Seaman war Fan eines geheimnisumwitterten Genies, das sich Thunderclap Newman nannte. Newmans Vorname war eigentlich Andy, und er war Postangestellter. Er hatte bis dahin noch nie vor Publikum gespielt, sondern ausschließlich zuhause oder in einer leeren Kirche, wo er mit Klängen und Tönen laboriert hatte. Dick besaß einige rare Mitschnitte der experimentellen Konzerte, und Pete hörte sie ständig. Newmans gespenstische, zarte, verhallende Klänge und die verschachtelten Arrangements inspirierten ihn. (Später brachte er ihn mit dem Gitarristen Jimmy McCulloch zusammen und produzierte ihren großen Hit „Something In The Air“.)
An der Kunstschule gab Newman zur Mittagszeit im Vorlesungssaal ein denkwürdiges Pianokonzert. Von einem tickenden Metronom begleitet und ohne auch nur einmal ins Auditorium zu blicken, sang und klimperte er eine bizarre Eigenkomposition, bis er nach einer Stunde vom Klavier getrennt werden musste. Seine Erscheinung, die der eines verwirrten Erfinders glich, dick bebrillt, bärtig, in schmuddelige Klamotten gehüllt, hinterließ einen bleibenden Eindruck bei den Studenten. Ein Meister lebte unerkannt zwischen ihnen!
Pete und Barney hängten sich an die Fersen des bauchigen Unikums: „Wir folgten ihm, hinter Autos verborgen, vollkommen ergriffen und staunend vor Ehrfurcht und Bewunderung für seine schrullige Genialität.“ Bald stand ihr Guru in der Sunnyside Road und hielt Privatvorträge über den verstorbenen Jazzmusiker Bix Beiderbecke. Vor allem aber brachte er Pete Aufnahmetechniken wie die Grundlagen des Multitracking nahe. Newman hatte es geschafft, im Schlafzimmer seines Elternhauses mit zwei Mono-Kassettenrekordern bis zu zwanzig Instrumentalspuren übereinander zu legen. „Bevor ich überhaupt wusste, was eine Tonbandaufnahme ist, arbeitete er schon mit Vogelstimmen, Aufnahmen von Dampflokomotiven und Spezialeffekten wie Hall und Echo“, erzählte Pete dem Zig-Zag Magazine.
Pete beschäftigte sich nun ebenfalls mit Aufnahmetechnik, nicht zuletzt deshalb, weil er wie Newman die Notenschrift nicht ausreichend beherrschte, um seine eigenen musikalischen Einfälle schnell festzuhalten. Denn Mitte 1963 machte Pete auch seine ersten tastenden Schritte als Songwriter.
In jenem Sommer schafften die Beatles mit „Love Me Do“ ihren endgültigen Durchbruch im Musikgeschäft. Die meisten Bands versuchten die Fab Four daraufhin unverzüglich zu kopieren, um auf der weichen, geldträchtigen Merseybeatwelle mitzuschwimmen. Auch The Detours nahmen einige Beatles-Songs in ihr Repertoire auf – die sie allerdings bald wieder vergaßen, weil ihnen das Konzept der rauen Londoner R&B-Bands weit mehr imponierte. Von den Beatles konnte und musste man freilich etwas lernen, wenn man im Business bestehen wollte –und das war, wie man eigene Kompositionen schreibt.
Um zu begreifen, welche Revolution die Beatles in der Unterhaltungsmusik auslösten, muss man wissen, dass Musikgruppen vor ihnen lediglich als bezahlte Erfüllungsgehilfen von Produzenten und Komponisten fungierten, die sich für ausgewähltes Liedgut die nach ihrer Meinung besten Interpreten suchten oder nach Belieben zusammenstellten. Die Beatles aber schrieben ihre Musik selbst. Sie hatten Erfolg damit – und kassierten auch die Tantiemen dafür. Erst diese Errungenschaft ermöglichte den kreativen Aufbruch in der Popmusik, von dem heute noch alle selbst komponierenden Musiker profitieren. Vor den Beatles